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herausrang und wenn er selbst über verlorene Zeit klagte, die er
schon nach besserer Art hätte verwenden können, so wäre er nur
früher zu den reifen Anschauungen gelangt, die ihm in Wesen und
Art sicher schon in die Wiege gelegt waren. Auch das Copiren alter
Meisterwerke, worüber sich Waldmüller später so sehr beklagt,
dass es ihn in seiner künstlerischen Entwicklung aufgehalten habe,
hatte keinen Einfluss auf seine Individualität genommen, denn diese
war so stark, dass er diesen Copien stets seine subjective künstlerische
Art aufprägte, gleich Rubens, der, als er Tizian’sche und andere
Meister copirte, ganz und gar sein Eigenwesen behielt. So sah ich
auch einige dieser Copien von Waldmüller, in denen man sogleich
seine Hand und nur das Gegenständliche vom Bilde des betreffenden
Meisters erkennen konnte. Man glaube auch nicht, dass er alle
diese Copien, die er durch circa fünf Jahre machte, aus Neigung
malte,*) sie waren ihm eine Quelle des Unterhalts und erst als diese
versiegte, wendete er sich wieder der Porträtmalerei zu, die ihn auch
zur Natur zurückleitete, ja sogar durch einen an sich nicht be
deutenden Umstand zum vollen Wendepunkt seines künstlerischen
Schaffens gelangen Hess. Der Künstler erzählt darüber nachfolgende
höchst interessante Episode seines Lebens: »Herr Hauptmann Stierle
Holzmeister beauftragte mich, das Porträt seiner Mutter zu malen.
sprach er zu mir
zumeist im Coloriren von Zuckerwerkdüten u. dgl. bestanden haben
sollen. Kurz Waldmüller lernte frühzeitig Arbeit und Selbständigkeit
kennen, zu denen sich eine Willensenergie gesellte, die sicher auf sein
*
künstlerisches Werden und seine sich später so formfest heraus
bildende Eigenart den wesentlichsten Einfluss genommen haben
dürfte. Wir finden den jungen Künstler in den Aufnahmsacten der
Akademie vom 24. Februar 1807 bis Ende 1813 als Schüler ein
getragen. Er lernte bei Hubert Maurer, sowie bei Job. Baptist
Reichsritter von Lampi, doch die Kenntniss der Oelmalerei soll
ihm eigentlich ein Schauspieler am Burgtheater, Josef Lange, beige
bracht haben, der nebenbei ein geschickter Maler war. Im Jahre 18n,
gelegentlich des ungarischen Landtages, begab sich Waldmüller
auf Anrathen seiner Freunde und Gönner, gleich anderen Wiener
Künstlern der damals jüngsten Generation nach Pressburg, um als
Porträtmaler unter den Abgeordneten sein Glück zu versuchen. Es
gelang ihm daselbst Arbeit zu finden und nicht blos diese, sondern
auch einen Beschützer in der Person des Freiherrn von Perenyi,
welcher ihn an den damaligen Banus von Croatien, den Grafen
Gyulay empfahl, der den jungen Künstler als Zeichenlehrer für
seine Kinder nach Agram mitnahm. Leider brachte dort Waldmüller
drei Jahre zu, welche Zeit als eine ziemlich verlorene angesehen
werden konnte, da es dem jungen Manne sowohl an jedweder Unter
weisung als auch an Anregung fehlte. Schon der Umstand, dass
man dazumal in der Stadt Agram weder Farben noch Leinwänden
oder irgend welche Malrequisiten bekommen konnte, wirft ein Streif
licht auf den damaligen Stand der Cultur jener Stadt, und es be
durfte wohl einer grossen Widerstandskraft, dass sein Talent bei
den vielfachen Hindernissen, die sich der Ausbildung desselben ent
gegenstellten, sich doch immer wieder emporhielt, gleich einem
zähen Holze, das sich wohl biegen, aber nicht brechen lässt.
Da Waldmüller damals sicher der einzige »Kunstmaler«
in Agram gewesen sein dürfte, so erhielt er auch von dem
dortigen Theaterdirector den Auftrag, Decorationen zu malen. Die
Berührung mit dem Theater hatte aber auch das etwas zu frühzeitig
geschlossene Ehebündniss mit der dort engagirten ersten Sängerin
Katharina Weidner zur Folge, welches sich später leider immer
weniger harmonisch gestaltete, ja endlich sogar zur Trennung führte.
Dieses Ehebündniss zwang unseren Künstler, »als Mann seiner Frau«,
und zwar unter Verhältnissen, von denen heute Schauspieler und
Sänger höherer Kategorie wohl nichts mehr wissen, von Stadt zu
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Stadt und nicht selten zu Fusse zu wandern. Endlich nach jahre
langem Herumziehen gelang es, eine Stellung für seine Gattin an
der kaiserlichen Oper zu Wien zu gewinnen, welcher Umstand für
Waldmüller allerdings von der grössten Bedeutung wurde, da er
nun in der Grossstadt wieder ernstlichen Studien in seiner Kunst
nachgehen konnte. Sechs Jahre der besten Jugendzeit waren
aber hingegangen, was allerdings für ihn als ein schwerer Ver
lust bezeichnet werden konnte, aber, wenn die Biographen des
Meisters behaupten, man hätte die Spuren dieses Zeitverlustes in
seiner Bildungsepoche, in seinem späteren Künstlerwirken bald in
grösserem, bald in minderem Grade zu erkennen vermocht, so ist
dies unserer Meinung nach kaum anzunehmen. Waldmüller wäre
unter allen, also auch unter den besten Verhältnissen kein anderer
Maler geworden, als er ihn eben aus sich, demnach ganz autodidactisch
»malen Sie mir sie genau so, wie
sie ist«. Diesem Aufträge gemäss versuchte ich es nun bei diesem
Porträt, die Natur mit der grössten Treue wiederzugeben
gelang! Jetzt war auch mit einem Male die Binde von meinen Augen
gefallen. Der einzig rechte We
Aber«
und es
der ewig unerschütterliche Born:
Anschauung, Auffassung und Verständniss der Natur hatte sich mir
aufgethan; was so lange als Ahnung in meiner Seele erklang, war
zum Bewusstsein erwacht und obschon ich gerade nach dieser Er
kenntnis mir umso weniger verhehlen konnte, wie weit ich bisher
vom rechten Wege abgeirrt war, so stand mein Vorsatz doch fest,
ihn von nun an nie mehr zu verlassen, und mit aller mir zu Gebote
stehenden Kraft zu streben, das Versäumte nachzuholen. Ich hatte
eine doppelte Aufgabe zu lösen; eine positive und eine negative;
die eine war Neues zu erlernen, die andere Erlerntes zu ver-
Dieses Selbstbekenntniss Waldmüller’s ist charakteristisch
er
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gessen.
für den Weg, den er genommen, und kaum hatte er ihn gefunden,
so stand auch der Meister sogleich voll und deutlich in seiner Er
scheinung da. Ein Künstler, und sei er mit dem grössten Talent
ausgestattet, muss wissen lernen, wo er hinaus will, indem er aus
den Grenzen des Erlernten heraustritt und damit aus dem Eklek-
ticismus, mit welchem der Kunstbeflissene zumeist aus der Schule
kommt. Demnach wollte auch Waldmüller seinen Schülern alle
die unnützen akademischen Umwege ersparen, indem er sie vor
Allem an die Natur wies, da der Weg zum Ziele ohnedies
*) Vornehmlich war es ein Kunstfreund, Namens Wiser, welcher Wald
müller mit Copien nach alten Meistern beauftragte. Mit diesem Herrn Wiser
ist wahrscheinlich das höchst interessante mit der technischen Noblesse und
Feinheit eines Frans Mieris gemalte Porträt einer alten Frau in Zusammenhang
zu bringen, welches die Mutter jenes Kunstfreundes darstellen dürfte, deren Namen
der Verfasser zufällig auf einem im Depot der kaiserlichen Galerie aufgefundenen
Kistchen, in dem sich das Bild seinerzeit befand, sammt der Adresse des Ver
golders und Bildhauers, die den Rahmen angefertigt hatten, entdeckt hat. Der
Zettel lautet: »Rosina Wiser im 84. Jahre gemalt von G. F. Waldmü Iler 1822.
Bildhauer Peter Romain, Vergolder Fried. Kroepsch, genannt H erzin ger.
In Wien.«