Full text: Moderne Meister (Band 3, 1897)

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herausrang und wenn er selbst über verlorene Zeit klagte, die er 
schon nach besserer Art hätte verwenden können, so wäre er nur 
früher zu den reifen Anschauungen gelangt, die ihm in Wesen und 
Art sicher schon in die Wiege gelegt waren. Auch das Copiren alter 
Meisterwerke, worüber sich Waldmüller später so sehr beklagt, 
dass es ihn in seiner künstlerischen Entwicklung aufgehalten habe, 
hatte keinen Einfluss auf seine Individualität genommen, denn diese 
war so stark, dass er diesen Copien stets seine subjective künstlerische 
Art aufprägte, gleich Rubens, der, als er Tizian’sche und andere 
Meister copirte, ganz und gar sein Eigenwesen behielt. So sah ich 
auch einige dieser Copien von Waldmüller, in denen man sogleich 
seine Hand und nur das Gegenständliche vom Bilde des betreffenden 
Meisters erkennen konnte. Man glaube auch nicht, dass er alle 
diese Copien, die er durch circa fünf Jahre machte, aus Neigung 
malte,*) sie waren ihm eine Quelle des Unterhalts und erst als diese 
versiegte, wendete er sich wieder der Porträtmalerei zu, die ihn auch 
zur Natur zurückleitete, ja sogar durch einen an sich nicht be 
deutenden Umstand zum vollen Wendepunkt seines künstlerischen 
Schaffens gelangen Hess. Der Künstler erzählt darüber nachfolgende 
höchst interessante Episode seines Lebens: »Herr Hauptmann Stierle 
Holzmeister beauftragte mich, das Porträt seiner Mutter zu malen. 
sprach er zu mir 
zumeist im Coloriren von Zuckerwerkdüten u. dgl. bestanden haben 
sollen. Kurz Waldmüller lernte frühzeitig Arbeit und Selbständigkeit 
kennen, zu denen sich eine Willensenergie gesellte, die sicher auf sein 
* 
künstlerisches Werden und seine sich später so formfest heraus 
bildende Eigenart den wesentlichsten Einfluss genommen haben 
dürfte. Wir finden den jungen Künstler in den Aufnahmsacten der 
Akademie vom 24. Februar 1807 bis Ende 1813 als Schüler ein 
getragen. Er lernte bei Hubert Maurer, sowie bei Job. Baptist 
Reichsritter von Lampi, doch die Kenntniss der Oelmalerei soll 
ihm eigentlich ein Schauspieler am Burgtheater, Josef Lange, beige 
bracht haben, der nebenbei ein geschickter Maler war. Im Jahre 18n, 
gelegentlich des ungarischen Landtages, begab sich Waldmüller 
auf Anrathen seiner Freunde und Gönner, gleich anderen Wiener 
Künstlern der damals jüngsten Generation nach Pressburg, um als 
Porträtmaler unter den Abgeordneten sein Glück zu versuchen. Es 
gelang ihm daselbst Arbeit zu finden und nicht blos diese, sondern 
auch einen Beschützer in der Person des Freiherrn von Perenyi, 
welcher ihn an den damaligen Banus von Croatien, den Grafen 
Gyulay empfahl, der den jungen Künstler als Zeichenlehrer für 
seine Kinder nach Agram mitnahm. Leider brachte dort Waldmüller 
drei Jahre zu, welche Zeit als eine ziemlich verlorene angesehen 
werden konnte, da es dem jungen Manne sowohl an jedweder Unter 
weisung als auch an Anregung fehlte. Schon der Umstand, dass 
man dazumal in der Stadt Agram weder Farben noch Leinwänden 
oder irgend welche Malrequisiten bekommen konnte, wirft ein Streif 
licht auf den damaligen Stand der Cultur jener Stadt, und es be 
durfte wohl einer grossen Widerstandskraft, dass sein Talent bei 
den vielfachen Hindernissen, die sich der Ausbildung desselben ent 
gegenstellten, sich doch immer wieder emporhielt, gleich einem 
zähen Holze, das sich wohl biegen, aber nicht brechen lässt. 
Da Waldmüller damals sicher der einzige »Kunstmaler« 
in Agram gewesen sein dürfte, so erhielt er auch von dem 
dortigen Theaterdirector den Auftrag, Decorationen zu malen. Die 
Berührung mit dem Theater hatte aber auch das etwas zu frühzeitig 
geschlossene Ehebündniss mit der dort engagirten ersten Sängerin 
Katharina Weidner zur Folge, welches sich später leider immer 
weniger harmonisch gestaltete, ja endlich sogar zur Trennung führte. 
Dieses Ehebündniss zwang unseren Künstler, »als Mann seiner Frau«, 
und zwar unter Verhältnissen, von denen heute Schauspieler und 
Sänger höherer Kategorie wohl nichts mehr wissen, von Stadt zu 
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Stadt und nicht selten zu Fusse zu wandern. Endlich nach jahre 
langem Herumziehen gelang es, eine Stellung für seine Gattin an 
der kaiserlichen Oper zu Wien zu gewinnen, welcher Umstand für 
Waldmüller allerdings von der grössten Bedeutung wurde, da er 
nun in der Grossstadt wieder ernstlichen Studien in seiner Kunst 
nachgehen konnte. Sechs Jahre der besten Jugendzeit waren 
aber hingegangen, was allerdings für ihn als ein schwerer Ver 
lust bezeichnet werden konnte, aber, wenn die Biographen des 
Meisters behaupten, man hätte die Spuren dieses Zeitverlustes in 
seiner Bildungsepoche, in seinem späteren Künstlerwirken bald in 
grösserem, bald in minderem Grade zu erkennen vermocht, so ist 
dies unserer Meinung nach kaum anzunehmen. Waldmüller wäre 
unter allen, also auch unter den besten Verhältnissen kein anderer 
Maler geworden, als er ihn eben aus sich, demnach ganz autodidactisch 
»malen Sie mir sie genau so, wie 
sie ist«. Diesem Aufträge gemäss versuchte ich es nun bei diesem 
Porträt, die Natur mit der grössten Treue wiederzugeben 
gelang! Jetzt war auch mit einem Male die Binde von meinen Augen 
gefallen. Der einzig rechte We 
Aber« 
und es 
der ewig unerschütterliche Born: 
Anschauung, Auffassung und Verständniss der Natur hatte sich mir 
aufgethan; was so lange als Ahnung in meiner Seele erklang, war 
zum Bewusstsein erwacht und obschon ich gerade nach dieser Er 
kenntnis mir umso weniger verhehlen konnte, wie weit ich bisher 
vom rechten Wege abgeirrt war, so stand mein Vorsatz doch fest, 
ihn von nun an nie mehr zu verlassen, und mit aller mir zu Gebote 
stehenden Kraft zu streben, das Versäumte nachzuholen. Ich hatte 
eine doppelte Aufgabe zu lösen; eine positive und eine negative; 
die eine war Neues zu erlernen, die andere Erlerntes zu ver- 
Dieses Selbstbekenntniss Waldmüller’s ist charakteristisch 
er 
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gessen. 
für den Weg, den er genommen, und kaum hatte er ihn gefunden, 
so stand auch der Meister sogleich voll und deutlich in seiner Er 
scheinung da. Ein Künstler, und sei er mit dem grössten Talent 
ausgestattet, muss wissen lernen, wo er hinaus will, indem er aus 
den Grenzen des Erlernten heraustritt und damit aus dem Eklek- 
ticismus, mit welchem der Kunstbeflissene zumeist aus der Schule 
kommt. Demnach wollte auch Waldmüller seinen Schülern alle 
die unnützen akademischen Umwege ersparen, indem er sie vor 
Allem an die Natur wies, da der Weg zum Ziele ohnedies 
*) Vornehmlich war es ein Kunstfreund, Namens Wiser, welcher Wald 
müller mit Copien nach alten Meistern beauftragte. Mit diesem Herrn Wiser 
ist wahrscheinlich das höchst interessante mit der technischen Noblesse und 
Feinheit eines Frans Mieris gemalte Porträt einer alten Frau in Zusammenhang 
zu bringen, welches die Mutter jenes Kunstfreundes darstellen dürfte, deren Namen 
der Verfasser zufällig auf einem im Depot der kaiserlichen Galerie aufgefundenen 
Kistchen, in dem sich das Bild seinerzeit befand, sammt der Adresse des Ver 
golders und Bildhauers, die den Rahmen angefertigt hatten, entdeckt hat. Der 
Zettel lautet: »Rosina Wiser im 84. Jahre gemalt von G. F. Waldmü Iler 1822. 
Bildhauer Peter Romain, Vergolder Fried. Kroepsch, genannt H erzin ger. 
In Wien.«
	        
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