sind sie dem Staub, an dem es ja in diesen Steppengegenden nie
mangelt, und der Atmosphäre ausgesetzt, haben unter dem Zahn
der Zeit sehr zu leiden, werden bald brüchig und rissig und ihre
Farben dunkeln sehr stark nach. Dann ist es aber auch fast un-
möglich, einen tibetanischen Lama (Mönch) dazu zu bringen, daß
er sich von seiner „tangka“ trenne. Dies ist jedoch noch um so
schwieriger, wenn das Bildnis auf der Kehrseite den eigenhändigen
Hieroglyphen irgendeines hohen Lamas trägt. Nur Umstürze und
Kriegszüge konnten die Tempel und Priester guter Stücke berauben,
die aber dann wiederum nicht in der Mongolei, sondern in China
und namentlich in Peking zu erstehen waren.
Zum Studium der tibetanischen Ikonographie wird von der Har-
ward-Universität ein Institut in Peking unterhalten, das von den
ausgezeichneten Experten Prof. Baron Stael von Hollstein und
B. Pankretoff*“ geleitet wird.
Durch Karawanenzüge wurden von den budhistischen Priestern die
ersten budhistischen Götterbilder im 13. und 14. Jahrhundert nach
Tibet gebracht, der indische Einfluß fand allmählich um diese Ver-
kehrsadern der Karawanenwege Verbreitung, und .von Künstlern
aus Nepal erhielten die tibetanischen Budhas die schmalen Mandel-
augen indischer Prinzen und die langen gewölbten Ohren. Dieselben
Künstler waren es auch, die dann später an den Pekinger Hof be-
rufen wurden, so daß wir häufig zu dem interessanten Ergebnis
gelangen, daß die chinesischen Götterbildnisse so sehr den Bildern
indischer Prinzen gleichen.
Auch der mohammedanische Einfluß spielte seine Rolle. Als sich
der Islam der Karawanenwege bemächtigt-hatte, flohen viele Mönche
aus Turkestan nach Tibet, wodurch in die tibetanische Malkunst
starke militaristische Elemente Eingang fanden. Viele kleine Gott-
heiten wurden bewaffnet und manchen wurden ganze Kohorten
rein kriegerisches Ansehens beigesellt. Nach dem Sturze der moslemi-
tischen Macht aber schreitet der Einfluß Chinas auf diesen endlosen
Wegen im Herzen Asiens einher — über dieMongolei nach Tibet.
Damit mußten sich nun die Gottheiten, die früher mit Edelstein-
ketten geschmückt und mit schönen Köpfen aus Indien dargestellt
worden waren ‚oder die später die Waffen des Islam getragen hatten,
dem neuen Zuge, der ihnen schwere Kleidung, Lammfellmützen und
mongolische Schuhe brachte, anpassen.
* Die beiden Experten haben für unsere Ausstellung Abhandlungen geschrieben, die
die Quelle für das vorstehende Vorwort bildeten.
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