Full text: Kollektiv-Ausstellung Egon Schiele

fahlweißer, an den Rändern brandschwarzer Barockkirchen 
äugen hohl drüber hinweg. Ihre düstere Lyrik wechselt mit 
der Keuschheit frühlinghafter Rasenflecken, die in klösterliche 
Mauern und Höke gebettet liegen, als Hügel kleine kahle 
Bäume zum Fluß hinabgeleiten, damit sein fleckigwogendes 
Band ihr zartgeädertes Astwerk hervorhebe .. . 
Altes Glas, unterglüht von sinkender Sonne. Langgezogene 
Prismen, hagere Rhomben in hohem Gelb, ein schmutziges 
Purpur, ein Blau, das nach außen schier seine Kraft verloren 
und nur mehr schlaff in sich hineinleuchtet, ein anderes, das 
sich aufschließt und seine Jungfräulichkeit dem Licht preis- 
gibt. Darüber gebreitet opakes Gitterwerk, eine segnende 
Hand, einen Mönchsschädel umschmiegend, weite Flächen- 
komplexe einfangend, in- zartere Parallele ausschwingend, 
wie Bleiruten. „Agonie“. Leicht erhellt aus ihr Schieles 
geistige Verwandtschaft mit vermoderten Jahrhunderten. Aber 
rein geistige Verwandtschaft, denn Archaismus wäre nicht 
solcher Wirkung fähig. Man betrachte diese Bilder ruhig 
neben alten Meistern. Hingen sie in Kirchen, wäre ihre 
Umgebung eine würdige. Damit geht Schiele über das 
hinaus, was die um Klimt zu Wege gebracht. Größere 
Kongenialität mit Altmeistertum, denn mit dem kultivierten 
Wien, das vor Sturm und Drang seine Kindheit gewesen, 
bekundet er in der „Auferstehung.“ Wenn die Gegenwart, 
die einen Kokoschka zu den ihren zählt, an Wucht des 
Ausdrucks alter Kunst gleichkommt, darf man ihr erlaubter- 
weise Affektation vorwerfen, weil sie die die Klimtperiode 
überholte? Alle, die sich durch ihre Produkte befremdet 
fühlen, mögen hingehen zu den Zeiten, mit denen sich heute 
nur mehr die verrufene Kunstgeschichte ernsthaft befaßt, 
und ehrlichen Blicks das entgegennehmen, was sich ihnen 
dort bietet, ohne Sophisterei; dann muß ihnen die Berechtigung 
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