jene halbdämmerige, noch nicht bewußte Ameisenbeflissenheit,
und jedes geistig sich regende Individuum hat an ihr den
Anteil, der fort und fort zeugendem Leben auch in seiner
geringsten Verkörperung zukommt. Ihr Bewußtsein beginnt,
wenn sich die Vielheit weitergesponnener Elemente irgendwo
und irgendwann zum ersten sichtbaren Dokument verdichtet:
dem Werk. Herrlich ist seine Tat, wenn das Bewußtsein der
Menge, die den Keim in sich geborgen, nicht die Augen
vor dem Erbe der letztvergangenen Periode, der Mutter des
jungen Dokuments, verschließt, zerstörend aber, wenn die
Vielen, durch die Fremdheit des unerhörten Anblicks betört,
die Brücken hinter sich abbrechen und die uralte Mutterschaft
leugnen wollen. Das ist dann der falsche Radikalismus, der
sich um die Fahne des kurzsichtigen und unverträglichen
Programms schart und viele zu sich aufnimmt, die nur der
lockenden Novität nachtrotten, ohne innerlich Anteil zu
haben. Nur zu häufig kommt es vor, daß ehrliche Bewunderer
und Kenner alter Kunst, durch die innere Leerheit von
Programmleuten abgeschreckt, sich unterschiedslos von den
Äußerungen neuen Kunstwollens abwenden, auch von dem
echten und berechtigten Radikalismus, der nur ein wenig
liebevoller, williger Prüfung bedarf, um als solcher erkannt
zu werden. Er konzentriert sich zwar völlig auf seine Mission,
nimmt aber mit Staunen die kolossalen. Schatten früherer
Jahrhunderte wahr und läßt die Erinnerung an sie im eigenen
Schaffen leise anklingen. — Schiele ist solch einer, dem
man die Liebe und Gerechtigkeit vorenthielt, als sein Antlitz
gleichsam unwirklich aus einer nie erlebten Welt auftauchte.
Nicht immer war es so. Die Wiener Werkstätte hatte allmählich
in breitere Schichten Eingang gefunden. So schenkte man
in der Kunstschau den Bildern des blutjungen Künstlers
Minuten wohlwollender Betrachtung und wähnte, damit den
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