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VOR WORT,
Reichhaltigkeit, Maunigfaltigkeit, hervorragende Künstlernamen durch treff-
liche Schöpfungen vertreten: das ist die Signatur der prächtigen Gemäldesammlung,
welche nun im Oesterreichischen Kunstverein zur Versteigerung gelangt, so dass
man sagen muss, diese Auction sei den bedeutendsten beizuzählen, welche,
‚seit die Galerien Arthaber und Gsell unter den Hammer kamen, in Wien in Scene
gesetzt wurden. Nicht wenige der Bilder haben internationale Geltung und
würden jeder Privat- und öffentlichen Galerie zur Zierde gereichen, einzelne sind
in der ganzen gebildeten Welt durch zahllose Wiederholungen berühmt. Die ge-
feierten Namen, welche der Katalog verzeichnet, sind eben durch Werke vertreten,
welche wegen ihres hohen Kunstwerthes*) dem Ruhme der Meister vollkommen
entsprechen.
Die beiden Achenbach, von denen sich da nicht weniger als acht, Gemälde
zusammengefunden haben, kann man wohl nirgends in ihrer grossartigen und auf
dem Gebiete der Landschaftsmalerei Alles überragenden Meisterschaft besser vor
Augen haben als in den Gemälden: »Ausfahrender Dampfer in stürmischer Mond-
nacht« von Andreas Achenbach und „Sturm in der Campagna« von Oswald Achen-
bach. Eigenartiger ist der so originelle Gabriel Max niemals erschienen als in
seiner so viel besprochenen »Astarte«, in welcher. die mystische Romantik des
Meisters mit so fesselndem Zauber zum Ausdruck gelangt. Das ist in der That
ein gemaltes Gedicht, das uns, je länger wir es betrachten, immer mehr Schönheiten
enthüllt; dieses Bild ist mit Recht eine Lieblingsschöpfung des Künstlers und die
Frucht jahrelanger begeisterter und hingebender Arbeit; seine ganze Seele lebt
darin; schon im Jahre 1880 war die Skizze dazu fertig, und erst im Jahre 1886
war das Werk zur vollen, Herz und Sinn bestrickenden Frucht ausgereift; es ist
ein Galeriebild ersten Ranges, und die öffentlichen Sammlungen werden wohl die
Gelegenheit benützen, um ein Gemälde zu erwerben, das die interessante Eigenart
des Künstlers so überzeugend veranschaulicht.
Ein in. der Auffassung innigeres, in der Gesammthaltung vornehmeres, durch
Feinheit der Charakteristik und milden Zusammenklang des Colorits anmuthenderes
Sittenbild von Vautier kennen wir nicht, als des Meisters »Begräbnissfahrt auf
dem Brienzersee«. Die einheitliche Stimmung sanfter Melancholie ist in den Figuren
wie in der Landschaft herzbezwingend festgehalten; wer pietätvoll die seelenvolle
Schönheit des Bildes auf sich wirken lässt, gewinnt durch dessen theilnahmsvolle
Betrachtung einen Eindruck für das Leben, wie er sinnigen Gemüthern etwa durch
die Schilflieder Lenau’s vermittelt wird. Frische Lebensfreude athmen die gemüth-
lich humoristischen Gemälde von Franz Defregger: „Die erste Pfeife«, und von
*) Um einen Begriff von dem Marktwerthe der Summlung zu geben, genügt es wohl, die That-
sache anzuführen, dass eine einzige der Collectionen, welche diese Sammlung bilden, auf nicht weniger
als 232.000 Mark geschätzt ist,
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