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abweisen, die noch so vollendet gelösten Formen eines Privatbaues auf eine
Kirche anzuwenden, ohne sich wieder neu aus dem Zweck des ganzen Kunst
werks inspirieren zu lassen.
Wie kamen nun gerade die modernsten Künstler dazu, ihr Interesse der
religiösen Kunst zuzuwenden? Es war gewiß der realistische Zug unserer
modernen Zeit, der die Aufmerksamkeit endlich auch auf die sehr realen
Gebiete jener psychologischen und sozialen Werte lenken mußte, die das
religiöse Leben ausmachen. Diese Werte haben zu allen Zeiten höchster
Kulturblüte den Künsten die dankbarsten Vorwürfe geboten, sie zu den
höchsten Leistungen gespornt. Wollte man heute eine hohe Kunst, so müßte
man diese religiösen Werte schaffen, wenn sie etwa nicht mehr bestünden.
Aber sie bestehen wirklich und verlangen wie alle anderen Lebensgebiete
nach künstlerischer Formgebung. Wenn die neue Kunst vor allem die Stili
sierung der realen Lebensverhältnisse mit Recht anstrebt, so mußte sie von
selber endlich dazu kommen, als Vollendung ihrer Leistungen an die Stili
sierung des bestehenden religiösen Lebens in all seinen Formen zu gehen.
Die neue Kunst mußte erkennen, daß sie erst dann mit den höchsten Lei
stungen der griechischen, der mittelalterlichen, der Renaissancekunst sich
werde messen können, wenn es ihr gelungen wäre, auch das ganze wirklich
existierende religiöse Leben der Gegenwart künstlerisch zu bewältigen.
Diese Erkenntnis lag für den, der die Entwicklung der modernen Ideen
in Literatur und Kunst verfolgt hat, so nahe, daß es nicht als ein Wunder
erscheinen kann, wenn jetzt zu gleicher Zeit auf verschiedenen Wegen das
selbe Resultat uns entgegentritt.
Die gegenwärtige Ausstellung wird nun vielleicht deshalb von einer
gewissen kulturgeschichtlichen Wichtigkeit sein, weil hier zuerst das lang
Vorbereitete völlig in die Erscheinung tritt und der Allgemeinheit vermittelt
wird.
Die Ausstellung wird vor allem ein merkwürdiges Zusammentreffen
zweier Wege aufweisen. Die modernen Künstler, die mit lorischer Konse
quenz von ihrem rein künstlerischen Standpunkt aus auf das Gebiet der
religiösen Kunst geführt wurden, entdecken zu ihrer Überraschung, daß
gleichzeitig von der andern Seite, von Seite der Religion in ihrer strengsten,
klösterlichsten Form, dasselbe Problem studiert, verfolgt und so gelöst wurde,
daß sich beide Teile heute fast auf demselben Punkt treffen. Die Bedürfnisse
der Religion haben eine neue Kunst, neue zweckmäßige Ausdrucksformen
gesucht und gefunden: die neue Kunst hat wieder ihrerseits das religiöse
Stoffgebiet zur höchsten Betätigung ihrer neuen Formprinzipien aufgesucht
und damit die Vollendung einer neuen Monumentalkunst angebahnt.
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