Full text: XXIV. Ausstellung der Vereinigung Bildender Künstler Österreichs Secession

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abweisen, die noch so vollendet gelösten Formen eines Privatbaues auf eine 
Kirche anzuwenden, ohne sich wieder neu aus dem Zweck des ganzen Kunst 
werks inspirieren zu lassen. 
Wie kamen nun gerade die modernsten Künstler dazu, ihr Interesse der 
religiösen Kunst zuzuwenden? Es war gewiß der realistische Zug unserer 
modernen Zeit, der die Aufmerksamkeit endlich auch auf die sehr realen 
Gebiete jener psychologischen und sozialen Werte lenken mußte, die das 
religiöse Leben ausmachen. Diese Werte haben zu allen Zeiten höchster 
Kulturblüte den Künsten die dankbarsten Vorwürfe geboten, sie zu den 
höchsten Leistungen gespornt. Wollte man heute eine hohe Kunst, so müßte 
man diese religiösen Werte schaffen, wenn sie etwa nicht mehr bestünden. 
Aber sie bestehen wirklich und verlangen wie alle anderen Lebensgebiete 
nach künstlerischer Formgebung. Wenn die neue Kunst vor allem die Stili 
sierung der realen Lebensverhältnisse mit Recht anstrebt, so mußte sie von 
selber endlich dazu kommen, als Vollendung ihrer Leistungen an die Stili 
sierung des bestehenden religiösen Lebens in all seinen Formen zu gehen. 
Die neue Kunst mußte erkennen, daß sie erst dann mit den höchsten Lei 
stungen der griechischen, der mittelalterlichen, der Renaissancekunst sich 
werde messen können, wenn es ihr gelungen wäre, auch das ganze wirklich 
existierende religiöse Leben der Gegenwart künstlerisch zu bewältigen. 
Diese Erkenntnis lag für den, der die Entwicklung der modernen Ideen 
in Literatur und Kunst verfolgt hat, so nahe, daß es nicht als ein Wunder 
erscheinen kann, wenn jetzt zu gleicher Zeit auf verschiedenen Wegen das 
selbe Resultat uns entgegentritt. 
Die gegenwärtige Ausstellung wird nun vielleicht deshalb von einer 
gewissen kulturgeschichtlichen Wichtigkeit sein, weil hier zuerst das lang 
Vorbereitete völlig in die Erscheinung tritt und der Allgemeinheit vermittelt 
wird. 
Die Ausstellung wird vor allem ein merkwürdiges Zusammentreffen 
zweier Wege aufweisen. Die modernen Künstler, die mit lorischer Konse 
quenz von ihrem rein künstlerischen Standpunkt aus auf das Gebiet der 
religiösen Kunst geführt wurden, entdecken zu ihrer Überraschung, daß 
gleichzeitig von der andern Seite, von Seite der Religion in ihrer strengsten, 
klösterlichsten Form, dasselbe Problem studiert, verfolgt und so gelöst wurde, 
daß sich beide Teile heute fast auf demselben Punkt treffen. Die Bedürfnisse 
der Religion haben eine neue Kunst, neue zweckmäßige Ausdrucksformen 
gesucht und gefunden: die neue Kunst hat wieder ihrerseits das religiöse 
Stoffgebiet zur höchsten Betätigung ihrer neuen Formprinzipien aufgesucht 
und damit die Vollendung einer neuen Monumentalkunst angebahnt. 
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