Full text: XXXI. Ausstellung der Vereinigung Bildender Künstler Österreichs Secession Wien - Moderne russische Kunst

als vom rein malerischen. Jedenfalls erzielen sie ihre Wirkung 
nicht durch äußere physische Mittel; in den farbigen Akkorden 
sind meistens komplizierte, heiße Geständnisse. Die Erzäh 
lung, der stoffliche Inhalt fehlt, die Bestimmtheit der Ge 
stalten ist verworfen; aber das ist nur die Frage der Form, 
des Griffes; die schöpferische Absicht bleibt immer ideell-sym 
bolisch. So sind die Werke von Dossjekin, Ssapunoff, 
Ssudejkin, Theofilaktow, Mussatoff. „Millioti ist weniger 
unmittelbar, weniger geheimnisvoll, aber gewiß ein viel reiferer 
und erfahrenerer Maler. Er beherrscht die Form, die Zeich 
nung, die Farbenharmonie sicher. Seine Bilder sind plastisch. 
Aber sie enthalten ebenfalls den Lyrismus der zarten Sym 
bolik, den klangvollen Rhythmus ,der Geständnisse’ von Ver 
laine und der paradiesischen Haine’ von Baudelaire.” So 
charakterisiert der russische Kunstkritiker S. Makowsky die 
Kunst Milliotis. 
Eher als einen Mangel denn einen Vorzug muß man oft 
die Kompliziertheit der symbolischen Themen betrachten. 
Besonders bei der Vereinfachung der Technik kann dieser 
Sieg über die Materie das Gleichgewicht stören. Deshalb kann 
sich die Malerei in der Richtung der „Entmaterialisierung”, 
welche den modernen Primitivismus begeistert, kaum weiter 
entwickeln. Er ist nur zu betrachten als ein Protest, als 
natürliche Reaktion gegen die Ohnmacht der Vorgänger in 
den dekorativen Absichten und der Technik. Aus dem Nebel 
des modernen radikalen Primitivismus, der bebend zart in 
seiner Unklarheit, müssen jetzt große klare Sterne hervor 
treten. Der Neoimpressionismus wartet auf den Ersatz. 
Wien, im November 1908 . 
D B - LEO SOKOLOWSKY.
	        
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