sehen Karnevals läßt sie der Maler der «Delirien» über eine
riesenhafte Leinwand jagen, Aus solchen Angstträumen
einer überhitzten Phantasie flüchtet er endlich in das
Reich gedanklicher Abstraktion. Ein frühreifer Skeptiker,
belauert Schiele mißtrauisch seine eigenen Ekstasen, ln
grüblerischer Selbstzerfleischung entlarvt er den Typus
des Menschheits-Beglückers, dessen Miene und Gebärde
stets größer ist als ihr jeweiliger innerer Anlaß: den
«Propheten» begrinst die Hohlform seines Schädels; der
grausam verkrümmte «Lyriker», ein wahrer Atlas des
Weltschmerzes, ist unter seiner unsichtbaren Last gänz
lich zusammengebrochen.
Daß dieser Lyriker aber, in dem sich ein verzerrtes
Selbstporträt des Künstlers verbirgt, all seine Inbrunst
nicht vergeblich verströmt, erweisen jene Werke der
mittleren Zeit Schieies, aus denen die Innigkeit der
Empfindung alle virtuosenhaften und literarischen Züge
verdrängt hat. Dem Gefühlsbewußtsein des Jünglings
vermitteln die geheimnisvollen Vorgänge des Werdens
und Vergehens die tiefsten Erlebniswerte. So hat er in
unvergeßlichen Zeichnungen die herben Formen knos
pender Jungfräulichkeit festgehalten, so auch die spröde
Grazie ephebenhafter Knabenkörper, die sich sehnsüchtig
strecken, da sie erste Schauer des Frühlingserwachens
durchrieseln. Ihr Widerspiel mag man in jenen traumver-
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