Full text: 1. Ausstellung Egon Schiele 1923

haft Schaffenden bis in seine Visionen unverarbeitete 
Wirklichkeitsreste verfolgt; so drohen ihn später, als 
neben den krisenhaften Erschütterungen auch die Ruhe 
zustände des Daseins den Blick des Künstlers fesselten, 
die Wunder der Gotteserde vollends derart zu bannen, 
daß er eine Zeitlang in ihrer rein naturalistischen Nach 
ahmung befangen blieb. Andererseits hat ihn sein außer 
ordentliches technisches Können nicht selten verlockt, 
die schlichte Gegenständlichkeit vertrauter Bildstoffe durch 
allerlei flitterhaftes Blendwerk in magisches Zwielicht zu 
tauchen. Künstlerisch zum Manne gereift, verschmäht er 
das sublime Spiel mit Linien und Farben und gibt seinen 
Ausdrucksmitteln, deren artistische Verfeinerung ihm zu 
weilen Selbstzweck gewesen war, ihre ursprüngliche, funk 
tioneile Bedeutung zurück. So bereitet sich jene innere 
Wandlung vor, die die Zukunftshoffnungen seiner Freunde 
verbürgte. Nicht nur die Farbe des Malers, auch der 
Strich des Zeichners wird saftiger. Kein ornamentaler 
Schnörkel hemmt den rhythmischen Fluß der auf- und 
abschwellenden Linien. Die vordem knittrigen straffen 
sich. Wie eine Zwangsjacke umspannt ihr festes Gerüst 
die Form; nicht mehr zerdehnt und auseinandergezerrt, 
sondern in breiten Flächen massig zusammengefaßt, 
zeugt sie von verhaltener Kraft. Diese Großzügigkeit der 
Auffassung bewährt sich auch in den vielen Bildnissen, 
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