Full text: Leibl und sein Kreis

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Linien aus. Leibi ließ uns indessen kaum Zeit, mit dem tiefen Eindruck dieser 
Zeichnung fertig zu werden, indem er sich anschickte, uns aus seinem “Salon” 
in das zweite Stockwerk zu führen. Hier traten wir über einen Bodenraum, auf 
den der Dachstuhl drückte, in Leibis Schlafzimmer ein, das eine hochaufgerichtete 
Bettstatt und einen Schrank, auf dem etliche Bücher lagen, einschloß. In einem 
Winkel standen hohe Jägerstiefel und hingen ein paar Büchsen, denn Leibi ist 
ein leidenschaftlicher Waidmann, und die aufregendste aller Jagden, die Jagd auf 
Auerwild, ist sein Lieblingswaidwerk. Sein ruhiges Auge und seine sichere Hand 
gewähren ihm auch hier den Erfolg. 
Nachdem wir noch einige photographische Nachbildungen von Leibischen 
Gemälden angesehen, machten wir uns auf den Weg nach dem nahen Dorfe 
Mietrachting, wo Leibi in der letzten Zeit gemalt hatte. Der Meister mit seinem 
eberhaften Gang schritt neben mir, die zweite Figur folgte nach mit meinen beiden 
Reisegefährten und dem silbergrauen Ulmerhunde. Die Sonne lag heiß auf Feld 
und Wiese, auf der weiten grünen Fläche rührte sich kein Lüftchen. Die große 
Stille ward nur von ländlichen Geräuschen unterbrochen; hier wird eine Sense 
gedängelt, dort wird Korn gedroschen, und vom Dorfe her hört man das Klingen 
der fallenden Kegel. Leibi zeigt mir in der Ferne einen spitzen Kirchturm, der 
aus dem Walde des Vorgebirges hervorsticht; dort liege das Dorf Bärbling, woher 
er sein Kirchenbild geholt habe. Ich fragte den Künstler, ob ihn der Menschen 
schlag und die Tracht in diese Gegend gelockt hätten, was er kurzweg verneinte; 
sondern ein Geistlicher dieser Gegend, der an seiner Person und Kunst Wohl 
gefallen gefunden, habe ihn bestimmt nach Aibling zu kommen, und Aibling habe 
ihm zugesagt, und er sei hier geblieben, und er werde von hier auch nicht so 
bald scheiden. “Sehen Sie” fuhr er fort, “dort am Wasser hinter der Mühle baue 
ich mir ein Atelier, und ein Atelier bindet den Maler. Ich habe hier noch viel 
zu tun, und wer weiß, ob ich mich nicht einmal auch der Landschaft ernstlich 
hingebe . . 
Mittlerweile hatten wir das Dorf Mietrachting erreicht, welches im Leben unseres 
Künstlers auch dadurch von Bedeutung ist, daß er im dortigen Wirtshause eine 
Kraftsuppe zu essen pflegt, deren Genuß die Verdauungskraft eines Riesen voraus 
setzt. Vor einem niedrigen Bauernhause, dessen Fenster auf einen Obstgarten 
hinausschauten, hielten wir still. Eine Bäuerin kam uns grüßend entgegen. Alles 
ist offen, Haustor und Stubentür. In der engen Stube, welcher natürlich der Kachel 
ofen nicht fehlt, lehnen zwei Bilder Leibis verkehrt an der Wand. Sie sind beide 
unvollendet. Der Künstler ist nicht zu bewegen, das größere von den beiden 
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