Empfindsamkeit malerisch geschilderte Gegenstände. Jede farbige Fläche
ist hier ein Symbol, eine Funktion, die das Bild zur Abstraktion
emporhebt, es zu einem einzigen architektonischen Rhythmus zusammen/
fassend ordnet.
Bei den jungen Franzosen bewegt sich die Komposition des Bildes
zwischen Matisse, Picasso und Derain. Bei Matisse ist der Klang des
Kolorits am lautesten gestimmt: es ist die Intensität der chromatischen
Harmonie der Impressionisten, jedoch in der ununterbrochenen Conti/
nuität des Lichtes entwickelt. Das Charakteristische des Kolorits bei
Derain dagegen ist die Vergeistigung in der Verwendung grauer und
weißer Akkorde. Voller Enthaltsamkeit in der Steigerung des Lichtes
akzentuiert er die Continuität der Volumina, die von Cezanne her/
kommt und die bei den Kubisten in der Auflösung in geometrische
Formen ihren Ausdruck findet. Es ist der Geist der alten gothischen
Kultur, der aus der strengen Logik spricht, mit welcher Derain
komponiert, die Akkorde der vereinfachten Farbenharmonien abtönt
und das Gleichgewicht der Massen herstellt. Am Weitesten in dem
Streben zur reinen Abstraktion geht Picasso. Wenn wir das Alge./
braische, aber dennoch empfindsame Lineament seiner Bilder an/
schauen, wenn wir sehen, wie zart die Farbe sich mit der Linie ver/
bindet, wenn wir den geometrischen Rhythmus bewundern, der seine
Bilder gliedert, so gelangen wir zur Überzeugung, daß dieser Visionär,
dessen Zeichnungen aus seiner früheren Zeit in den Museen würdig
neben Arbeiten der alten Meister hängen können, vielleicht einem
anderen Kunstgebiet als dem der reinen Malerei angehört. Sollte
dieser Spanier, der heute die ernstesten Kunstkenner beunruhigt, durch
natürlichen Atavismus seine Auffassung der Kunst von den alt/
maurischen Architekten und Keramikern ableiten, die in diesem Lande
so manche Tradition ihrer höchst gesteigerten Neigung zu reinsten
Abstraktionen hinterlassen haben?