Mystik nicht ein Träger ethischer Ideen, wie für van Gogh, sie regte
nur seine Phantasie an. Die Mystik erzählte ihm Märchen, denen er
eifrig lauschte, weil sie ihn in unbekannte, geheimnisvolle Tiefen
führten. DO
OD) Aber das halb zivilisierte, südamerikanische Blut, das Gauguin
von seiner Mutter hatte, verleugnete sich nicht. Die Sehnsucht nach
einer bunten, sinnlichen, phantastischen Welt, nach heißer Sonne und
barbarisch prächtigen Farben hat ihn im Häusermeer von Paris nie
verlassen und sie trieb ihn im Jahre 1891 in die Südsee nach Tahiti.
Seine sich immer schwieriger gestaltende materielle Lage mag den Ent-
schluß” beschleunigt haben. Durch den Verkauf von 30 Bildern, der im
anzen ungefähr 10.000 Fces. einbrachte, deckte Gauguin die Kosten der
berfahrt und der Einrichtung in Tahiti. Bald wurde er heimisch. In
: dem köstlichen Buche Noa — Noa hat Gauguin selbst geschildert, wie
er in dem Farbenrausche der Südsee-Perle wieder auflebt, wie er hier
. seinen Traum eines sorglosen, heiteren, primitiven Naturzustandes ver-
: wirklicht fand. Er kehrte den europäischen Ansiedlungen mit ihren Zoll,
: beamten, Matrosen, Soldaten und Kaufleuten sobald als möglich den
: Rücken und wandte sich in das Innere des Landes, wo er von den Ein-
: geborenen sehr bald wie einer der ihren behandelt wurde. Alle Fesseln
:; der Kultur, die ihm der Inbegriff der Häßlichkeit scheint, fallen von ihm
: ab. Seine Seele wird immer freier und ungebundener, und sein Werk be-
: ginnt, sich von all den Konventionen zu lösen, denen er sich in Europa
: nicht vollkommen entziehen konnte. Seine Farbenharmonien werden
: immer kühner, zugleich lernt er aber die schlanken, geschmeidigen,
: bronzefarbenen Körper der Maoris mit einem Linienrhytmus wiederzu-
: geben, in dem eine schlichte, klassische Größe wohnt. Die Sammlungen
: Fayet und Sainsere in Paris, sowie die des Grafen Kessler bergen die
: bedeutendsten Werke dieser Periode. Zugleich dringt Gauguin immer
: tiefer in die barbarischen und geheimnisvollen Überlieferungen der
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