OSEPH PENNELL kann als der Führer der mo
dernen amerikanischen Graphiker bezeichnet werden.
Er hat die Lithographiekunst im Verlaufe der jahr
zehntelangen Entwicklung seiner künstlerischen Indivi
dualität auf eine bisher ungekannte, ja ungeahnte
Höhe gebracht.
ln Philadelphia im Jahre 1858 geboren, errang er
sich schon in ganz jungen Jahren einen Namen als
Illustrator von Zeitschriften und Büchern. Später ver
öffentlichte er dann, zum großen Teil als Frucht seiner
zahlreichen Reisen in Amerika und in allen Teilen
Europas, eine stattliche Reihe von graphischen Werken.
Schon als Anfänger machte er mit großem Eifer zeich
nerische Studien von Werken der Technik — er skiz
zierte damals auch eine Petroleumraffinerie — und
dieses Thema, die Kolossalität der modernen Arbeit,
kehrt immer wieder, bis es endlich in den letzten
Arbeiten, den Blättern vom Bau des Panama-Kanals
in seiner ganzen gewaltigen Größe, in prachtvoll reicher
Instrumentation herausgearbeitet erscheint. Dadurch,
daß Pennell die Schilderung der Menschen-, bezie
hungsweise der Maschinenarbeit in den Mittelpunkt
seines Werkes stellte, hat er sich eine weit schwieri
gere Aufgabe gesetzt, als es die Darstellung des blos
Malerischen ist, denn nur ein wirklich schöpferischer
Geist kann in ein paar rauchenden Schornsteinen,
in ungeheuren Krähnen, in all den Kolossalgebilden
der modernen Technik Größe und Schönheit auf
zeigen, wie Pennell es in seinen Lithographien und
Radierungen von englischen und amerikanischen Fabriks
städten, vom Wiederaufbau des venetianischen Cam
panile und in vielen anderen Arbeiten ähnlicher Art
getan hat.
Um das großartigste und gewaltigste Werk der mo
dernen Technik aus eigener Anschauung schildern zu kön
nen, unternahm der Künstler die 15.000 Meilen weite
Reise an den Panamakanal; er wußte, daß er dort
die Idee der Arbeit in ganz einzigartiger Weise ver
wirklicht finden würde und er erhoffte sich von dem
großartigen Anblick des Kanaldurchstichs die größten
Inspirationen, eine Hoffnung, die sich für ihn auch
erfüllen sollte. Die Aufnahme der Skizzen bot nicht
selten die größten Schwierigkeiten. Sie geschah oft
auf eisernen Traversen, im Wagen einer Maschine,
auf der Spitze eines Krahns oder in sonst einer ebenso
unbequemen als gefährlichen Lage. Die vollendeten
Arbeiten zeigen nicht nur hohe technische Meister
schaft, sondern auch ein außerordentliches Auffassungs
vermögen und eine wunderbare Fähigkeit, in Schwarz
und Weiß alle Farben zum Ausdruck zu bringen.
Die mächtigen Gebilde des Kanalbaues werden bei
aller Realistik der Darstellung zu Formen von großer
architektonischer Schönheit.
A.S.L.