Full text: Holländische Kunst von 1870 an

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schlicht ist. Er war kein Maler brillanter Farben. Etwas Wehmütiges 
liegt über vielen seiner Werke: Die Trübseligkeit der dürrbraunen 
Heide und die Stille der Einsamkeit. 
Als Großmeister der Haagschen Schule wird stets JOZEF 
ISRAELS genannt, der um 1870 herum nach dem Haag kam. In 
seiner Jugend zeigte er Neigung zur Romantik, malte auch historische 
Vorstellungen, erzählte gern etwas. Bald fand er in Zandvoort, 
später in Scheveningen das Gebiet seines Pinsels. Das tragische 
Leben der Fischer mit ihren Familien in ihrem ewigen Streit mit 
den wüsten Elementen, ihrem Lieb und Leid, das Liebesgetändel 
eines Burschen mit einem Fischermädchen in den „blonden“ Dünen, 
die Frau, die nach der Sturmnacht auf ihren Mann bangend wartet, 
der Fischerjunge, der am Strand sein Schiffchen zimmert, die alte 
Frau vor dem Herdfeuer, alles Griffe aus der Wirklichkeit, wurden 
von Israels festgehalten. Sicher lebt in all diesen Personen ein 
Gedanke und der Maler lebte mit seinen Modellen mit, doch sind 
diese Gemälde deshalb noch nicht tendenziös. Er malte sie rein 
aus Rührung ohne tendenziöse oder soziale Nebengedanken. Stets 
stärker ringt sich in Israels Entwicklungsgang das Allgemein- 
I menschliche hervor. Seine Liebe für das Allereinfachste, Aller 
bescheidenste machte jede Darstellung zu einer Seelenstudie. Als 
Interieurmaler steht Israels obenan. Die Atmosphäre wußte er 
immer meisterlich zu treffen. Alles arbeitet bei ihm zusammen, um 
ein Ganzes zu bilden. Aus einem Gemälde von Israels spricht nur 
e i n Gedanke und zum Vorteil der Harmonie des Ganzen ist kein 
einziges Detail besonders scharf betont, es trägt allein bei, ist dem 
einen großen Gedanken untergeordnet. So kann auch nichts aus 
seinem Werk weggedacht werden, ohne Leere zu verursachen oder 
störend auf das Ganze zu wirken. Niemals hat er etwas Ueber- 
flüssiges. Eine große Wirkung muß vom Ganzen ausgehen. Sein 
Aufbau hat etwas Strengerwogenes. Israels betrachtet das Ganze, 
und da ihm nüchterne Beobachtung abgeht, da er nie die Natur 
als Argument für die Aeußerung eines Systems mißbraucht, kein 
festes Rezept hat, so bekommt seine Kunst das Aufrichtige, das 
aus einem großen Künstlerherzen Unmittelbarentsprossene. Aus 
dunklem Braun mit einem diskreten, aber trotzdem kräftigen Ton 
erschafft er seine Werke von so großartiger Lebens- und Charakter 
tiefe. Seine ganze Technik verläßt ihn nie, seine Zartheit ebensowenig. 
Kein großer Kolorist, aber ein gewaltiger Zeichner war der 
älteste der Haagschen Großmeister JOHANNES BOOSBOM, der
	        
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