Full text: Das Alt-Wiener Aquarell (XXVII. Ausstellung im Oberen Belvedere)

Die Ausstellung »Das Altwiener Aquarell* gibt einen 
Überblick über diesen besonderen und charakteristischen 
Zweig der Wiener Malerei im 18. und 19. Jahrhundert. Die 
Vedute, in den Gemälden Christian Hilfgott und Johann Chri- 
stianBrands bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts zurückreichend, 
gewinnt in den letzten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts, als 
die künstlerische Kraft der Naturgestaltung im architektoni- 
sierten Garten versiegt war, die Bedeutung einer neuen Ent 
deckung der Natur. Die eigentlichen künstlerischen Vorlagen 
für die kolorierten Stichfolgen, die Aquarelle von Janscha, 
Schütz, Ziegler und anderen stellen die früheste, bis in die 
ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts hineinreichende Phase 
der Wiener Aquarellmalerei dar. Neben ihr, die das Bild der 
Natur fortschreitend von rokokohafter Grazie zu klassizistisch 
verfärbter Sachlichkeit wandelt, tritt im dritten und vierten 
Jahrzehnt die Aquarellkunst Fendis, Carl Schindlers, Tremls 
und Daffingers, die der Welt des Kindes, der Soldaten und 
der Blumen zugewendet ist, in ihrer malerischen Erscheinung 
ein bürgerlicher Barock von farbigster Bewegtheit. Mit Jakob 
und Rudolf Alt erfährt die Landschaftsdarstellung im Aqua 
rell eine neue Blüte, die das Lebenswerk Rudolf von Alts 
bis in den Beginn des 20. Jahrhunderts führt. Die Vedute 
wird zum Kunstwerk, ebenbürtig der Landschaftsmalerei 
Waldmüllers. 
Das Aquarellbildnis, der von der Albertina betreuten 
Miniaturmalerei verwandt, und die Blumenmalerei, die das 
staatliche Kunstgewerbemuseum in einer Ausstellung zeigt, 
bleiben bis auf wenige Beispiele nicht vertreten. 
Den Direktionen der Albertina und der Bibliothek der 
Akademie der Bildenden Künste danke ich für ihre Leih 
gaben. Das Verzeichnis der Ausstellung hat mein Mitarbeiter 
Dr. Kurt Blauensteiner verfaßt. 
Wien, am 1. März 1939 
Bruno Grimschitz
	        
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