Die Ausstellung »Das Altwiener Aquarell* gibt einen
Überblick über diesen besonderen und charakteristischen
Zweig der Wiener Malerei im 18. und 19. Jahrhundert. Die
Vedute, in den Gemälden Christian Hilfgott und Johann Chri-
stianBrands bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts zurückreichend,
gewinnt in den letzten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts, als
die künstlerische Kraft der Naturgestaltung im architektoni-
sierten Garten versiegt war, die Bedeutung einer neuen Ent
deckung der Natur. Die eigentlichen künstlerischen Vorlagen
für die kolorierten Stichfolgen, die Aquarelle von Janscha,
Schütz, Ziegler und anderen stellen die früheste, bis in die
ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts hineinreichende Phase
der Wiener Aquarellmalerei dar. Neben ihr, die das Bild der
Natur fortschreitend von rokokohafter Grazie zu klassizistisch
verfärbter Sachlichkeit wandelt, tritt im dritten und vierten
Jahrzehnt die Aquarellkunst Fendis, Carl Schindlers, Tremls
und Daffingers, die der Welt des Kindes, der Soldaten und
der Blumen zugewendet ist, in ihrer malerischen Erscheinung
ein bürgerlicher Barock von farbigster Bewegtheit. Mit Jakob
und Rudolf Alt erfährt die Landschaftsdarstellung im Aqua
rell eine neue Blüte, die das Lebenswerk Rudolf von Alts
bis in den Beginn des 20. Jahrhunderts führt. Die Vedute
wird zum Kunstwerk, ebenbürtig der Landschaftsmalerei
Waldmüllers.
Das Aquarellbildnis, der von der Albertina betreuten
Miniaturmalerei verwandt, und die Blumenmalerei, die das
staatliche Kunstgewerbemuseum in einer Ausstellung zeigt,
bleiben bis auf wenige Beispiele nicht vertreten.
Den Direktionen der Albertina und der Bibliothek der
Akademie der Bildenden Künste danke ich für ihre Leih
gaben. Das Verzeichnis der Ausstellung hat mein Mitarbeiter
Dr. Kurt Blauensteiner verfaßt.
Wien, am 1. März 1939
Bruno Grimschitz