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MARKETA THEINHARDT - „Wer ein Bild des Herrn Waldmüller...
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Belvedere Sonderheft
3 - Exposition Univer
selle des Beaux-Arts.
Salon de 1855 par Eu
gene Loudon, Ledoyen
Editeur, Palais Royal/
Paris 1855, S. 1f.
4 - In der Londoner
Weltausstellung 1851
waren die klassischen
bildenden Künste nicht
derart vertreten.
5 - Die Bildtitel sind
hier als Übersetzungen
des französischen Tex
tes angegeben, ohne
Anspruch auf Identifi
zierung.
zu unterschätzen ist - in Kirchen vorfinden
konnte, war ein wahrer „melting pot" von ver
schiedensten, sich wirklich oder nur scheinbar
gegenseitig bekämpfenden, aber doch eher
überschneidenden Tendenzen. Ihre stilistische
und thematische Vielschichtigkeit ist sicherlich
nicht nur auf eine vermeintliche Opposition
zwischen Romantismus, Neoklassizismus-Idea-
lismus und den sich langsam durchsetzenden
realistischen Tendenzen zu abstrahieren. So kann
man als eine der sich hier profilierenden Linien
die plastisch-haptische bezeichnen, welche die
„wirkliche Wirklichkeit" (Adalbert Stifter) thema
tisierte und zum Ausdruck brachte und das abge
sehen vom gegebenen Genre der Darstellung.
Offensichtlich war es diese Linie, die Waldmüller
bei seinem ersten Parisbesuch auffiel, was die
Aufzeichnungen seines zweiten Besuches in der
französischen Hauptstadt noch bekräftigten.
Die Pariser Weltausstellung 1855
„Die Pariser Weltausstellung ist von besonderer
Bedeutung, die keinem entgehen kann. Ein noch
nie dagewesenes Zusammentreffen, die Annähe
rung von allen Schulen, Versuche einiger Neue
rer, die Rückkehr mancher Künstler zu alten
Traditionen, der Einfluß verschiedener Entwick
lungen, welche seit sechzig Jahren die Ideen und
Sitten verändert haben, der universelle Geist,
der selbst die abstechendsten Charaktere zu
verwischen und alle Nuancen in ein noch un
deutliches Ganzes zu verschmelzen neigt - das
alles sind die neuen Ausgangspunkte für die
Kritik und für die Kunst." So charakterisierte
der Kritiker Eugene Loudon diese erstmalige
Präsentation zeitgemäßer internationaler Kunst
leistungen. 3 Im Jahre 1855 waren der Pariser
Salon und der künstlerische Teil der Weltaus
stellung vereint und es war ein wahrhaft groß
artiges Ereignis, das erste dieser Art in einer
Reihe solcher Veranstaltungen, welche danach
folgen sollten. 4 Nicht nur ganz neue Werke wur
den gezeigt, sondern auch solche, die in den
vergangenen Jahren Eindruck gemacht hatten.
Die Gelegenheit war da, um Bilanz zu ziehen,
um zusammenfassende Charakteristiken jewei
liger „Nationalschulen" zu verfassen. Diese Ge
legenheit wurde auch von vielen bedeutenden
französischen Kritikern wahrgenommen, falls sie
sich nicht, mehr oder weniger, auf die französi
sche Kunst beschränkten. Man muß betonen,
daß es hier viel Anlaß zu Polemik gab. Gustave
Courbet protestierte gegen den Entschluß der
Jury - seine Bilder „Atelier" und „Begräbnis
von Omans" wurden abgelehnt - und errichte
te seinen eigenen Realismus-Pavillon. Bei die
sem Anlaß polemisierte Charles Baudelaire mit
Maxime du Champ über die Anwendbarkeit
des Fortschrittsbegriffes in der Kunst und über
Delacroix, man polemisierte über Delacroix
contra Ingres, über Delaroche und Horace Ver-
net, über die realistischen Tendenzen...
Der Katalog der bildenden Künste an der Pariser
Weltausstellung, die am 15. Mai 1855 eröffnet
wurde, informiert uns, daß die österreichische
Malerei mit folgenden Werken vertreten war:
Rudolf von Alt mit zwei Aquarellen, die Prager
Karlsbrücke und den Altstädter Ring darstel
lend, Carl von Blaas mit „Karl der Große tadelt
einen nachlässigen Schüler (Abb. 1)", Eduard
Engerth mit der „Gefangenschaft der Söhne
Manfreds nach der Schlacht bei Benevento im
Jahre 1266", Franz Eybl mit einer „Alten Bäue
rin aus Niederösterreich" aus dem Kaiserlichen
Museum in Wien, Joseph Führich mit vier alt-
und neutestamentlichen Zeichnungen aus dem
Eigentum des Kardinal-Nuntius, Monsignore
Viate-Prel in Wien, und der Baronin Pereira in
Wien, Friedrich Gauermann mit „Pflügender
Bauer", „Sterbender Hirsch von Geiern um
ringt", „Ende einer Jagd" und „Rast in den Ber
gen", Remi van Haanen „Wintereffekt im Wald
von Bakony in Ungarn", Maximilian Haushofer
mit „Blick auf Eibsen", Leopold Kupelwieser mit
„Himmelfahrt Mariä", („Altarbild der Metropo
litenkirche in Colocza), Ignaz Raffalt mit „Himmel
nach einem Gewitter", Franz Steinle „Eva",
Eigentum des Barons von Hübner, außerordent
lichen und bevollmächtigten Gesandten S.M.
des Kaisers von Österreich in Paris, und „Der
Jude von Venedig", Joseph Trenkwald mit zwei
historischen Kartons - „Tegel" (wohl Tezel) und
„Karl IV. in Pisa" 5 Mit den meisten Werken war