Full text: Belvedere - Zeitschrift für bildende Kunst (Sonderheft 1, 1997)

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MICHAEL KRAPF - „...damahls in Wien..." 
Belvedere Sonderheft 
32 - Vgl. dazu H. Kaut, 
Das österreichische Sit 
tenbild, in: Kat Roman 
tik und Realismus, wie 
Anm. 10, S. 64. 
33 - M. Buchsbaum, 
Ferdinand Georg Wald 
müller, Salzburg 1976, 
S. 35 ff, Anm. 92. 
34 - Vgl. Waldmüllers 
Äußerungen in den ge 
nannten Streitschriften 
von 1846 und 1857. 
35 - Zu Danhauser sie 
he Anm. 9, zu Johann 
Baptist Reiter: A. Stro 
bl, Wien-München 
1963, S. 43. 
36 - Vgl. A. Roessler, 
F.G. Waldmüller, Wien 
o.J., S. 12; M. Buchs 
baum (Anm. 33), S. 35; 
K. A. Schröder, F. G. 
Waldmüller, Kunstfo 
rum Länderbank, Wien 
1990, Kat. 60, 74. Die 
wichtigen Reisen nach 
Italien können in den 
Verwaltungsakten der 
Wiener Akademie üb 
erprüft werden, da 
Waldmüller um Geneh 
migung an suchen muß 
te: unter anderem Ur 
laub nach Italien (Lom 
bardei) für ein Monat 
um Kunststudien zu 
sammeln (VA 1841, E. 
Nr. 226 vom 12. Juli 
1841) ; Studienfahrt 
nach Mailand, Vene 
dig, Genua und Florenz 
für 6 Wochen „um sei 
ne geschwächte Ge 
sundheit zu befestigen 
und um die Kunstwer 
ke alter Meister wieder 
zu sehen und zu stu 
dieren " (VA 1842, E. 
Nr. 187 vom 17. Mai 
1842) ; Reise nach Itali 
en, Mailand, Genua, 
Neapel, Sizilien, Rom, 
Florenz, um Kunststu 
dien zu sammeln. Ei 
gens angeführt wird 
von Fürst Metternich, 
der die Reise bewilligt: 
„ Von dem Reisezwek- 
ke des Prof. Waldmül 
ler läßt sich übrigens 
bei einem so ausge 
zeichneten Künstler nur 
Vorteilhaftes für die 
vaterländische Kunst 
(1775 ff.), Josef Lanzedellys (1818) und Georg 
Emanuel Opiz' Volksszenen beschäftigen 32 . Aus 
dieser wichtigen Serie des Proto-Genres sind nur 
wenige Bilder wie der „Venezianische Obstver 
käufer" (Abb. 7) erhalten: er nimmt Elemente der 
späten Sittenbilder vorweg. Daneben entstanden 
heute verschollene Werke wie: Bürgermäd 
chen, Kehrichtsammler, Milchverkäuferin, Brot 
verkäuferin, Fischverkäufer, Milchmädchen, Aus 
ternverkäufer und eine Wasserträgerin 33 . Wäh 
rend diese Arbeit einem Krypto-Genre angehört, 
zeigt ein Skizzenbuch von 1825 noch altertüm 
liche in klassizistischen Umrißlinien gehaltene 
Nachzeichnungen nach Luini, Francia und Cor 
reggio. Sein Verhaftetsein dem Vorbild gegen 
über drückt sich darin aus, daß das Skizzenbuch 
nur eine Naturstudie, einen Blick über die Are 
na von Verona aufweist. Waldmüller sah die 
Werke der Alten, noch nicht die Natur selbst, die 
seine Lehrmeisterin erst werden sollte, und die 
er später umso hymnischer anrief 34 . Auch Josef 
Danhauser und Johann Baptist Reiter erging es 
ähnlich, die das Volkstümliche erst über Italien 
kennenlernten: Danhauser fand das so ersehnte, 
gen Terrain und dem See, der sich die Freiheit 
nach Süden sucht - das „Auslaufen" des Wassers 
in den Fimmel hat Waldmüller sozusagen den 
richtigen Weg gewiesen - ist die Landschaft ein 
menschenleerer Erstling, der Waldmüllers Sinn 
für das Weite in der Beschränktheit zeigt, sich 
pantheistische Tendenzen versagend, weil sie bei 
den Romantikern im Grenzenlosen verflachten 38 . 
Wenige Jahre später sollte das Sizilien-Erlebnis 
diese Erstlinge absichern helfen. Während die 
„Ruine des griechischen Theaters zu Taormina" 
(Abb. 10) die Gardasee-Landschaften fortsetzt 
und sich auf das großartige Panorama des Or 
tes verläßt, ändert sich das wenig später im „Ve 
nustempel bei Girgenti" (Abb. 12), einem Bild 
äußerster Präzision, was den Aufbau betrifft: 
die Oliven in ihrer Duftigkeit leiten zum durch 
sichtigen Gebilde des Gestells aus Säulen, das 
„Natur" geworden ist, wie der Stein denselben 
Honigton angenommen hat, aus dem das Bild 
im Grundakkord gebaut ist 39 . Es weist im übri 
gen auf die großartige „Mödlinger Landschaft" 
von 1848 voraus, in der in das Fleimische um 
gesetzt erscheint, was Waldmüller in Sizilien 
schlichte Leben 1826 in Venedig wie Waldmül- gelernt hat. „Motta bei Taormina" (Abb. 11, um 
ler - man kann geradezu von einer Venedig-Mo- 
1844) und die „Meeresküste in Sizilien" (1845) 
de sprechen, wenn man an Franz Grillparzer weisen die üblichen Charakteristika der Sizilien 
denkt -, Reiter durch Kopien nach Caravaggio 
und Murillo 35 . 
Aber die Natur als Born aller Erfahrung forderte 
ihren Tribut. 19(!) Italienfahrten 36 taten das ihre, 
um Waldmüller zu zeigen, worauf es letztlich an 
kam: auf einen Nenner gebracht, auf die Bewäl 
tigung der jeweiligen Umwelt im Bild. Die ausge 
prägten Formulierungen in den vierziger Jahren 
sind Meisterwerke realistischer Landschaftsma 
lerei, so neben Riva am Gardasee, dem Kloster- 
Bilder auf: die raum umfassende Szene, die Ge 
schlossenheit des Bildkörpers, die goldocker-grü 
ne Farbigkeit (ohne gewollt-schreiende Kontrast 
wirkung des gleichzeitigen Genres) 40 . Das letzte 
Bild jener Serie, der „Concordia-Tempel bei Agri- 
gent" (1849) ist dagegen merkwürdig emotions 
los, so als wäre dieser Rausch verflogen, der die 
ersten Schöpfungen durchströmt. Bezeichnen 
derweise ist der Tempel ganz einfach hineinge 
setzt in die Landschaft und noch dazu übereck, 
gang in Riva, dem Gebirge von Arco bei Riva als wäre er nur mehr notwendiges Requisit, nicht 
(Abb. 8) vor allem „Der Gardasee" (Abb. 9) 37 . Es 
handelt sich bei letzterem im Gegensatz zu den 
anderen Bildern der Reihe um ein Werk der un 
mehr „Stein vom Stein" wie in den frühen Fas 
sungen. 
In dem Jahr, in dem die schönsten Sizilien-Bilder 
belebten Landschaft, fast möchte man sagen entstanden, 1846, erwuchsen auch die wenigen 
protokubistischen Zuschnitts. In dieser ist Wald 
müllers großer Atem spürbar, der zu heimischen 
Formulierungen wie den späten Wienerwald- 
Landschaften mit den weiten Florizonten füh 
ren wird. Mit den langen Schatten, dem steini 
Genre-Bilder mit italienischen Motiven. Das ein 
zige greifbare Bild „Labung an einem Brunnen 
in Taormina" (Abb. 13) ist gestellt, unsicher im 
Figurenaufbau und erinnert an die Phase der iso- 
kephalen Kompositionen nach 1840 („Die Nie-
	        
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