Full text: Belvedere - Zeitschrift für bildende Kunst (Sonderheft 1, 1997)

98 
MARTINA SITT - Waldmüllers 'Bauernkinder'... 
u 
Belvedere Sonderheft 
14 - Ebenda, 5. 3. 
15 - A. Rosenberg, Aus 
der Düsseldorfer Maler 
schule, Studien und 
Skizzen, Leipzig 1889, 
S. 21. 
16 - Zitiert nach dem 
im Ausstellungskatalog 
der Sammlung Georg 
Schäfer, Schweinfurt, 
1978/79, Katalog W. 
Schadendorf, abge 
druckten Text in der 
dortigen Rechtschrei 
bung, S. 22. 
17 - 1859 hatte Bende- 
mann die Stelle Scha- 
dows übernommen. 
Retrospektiv hierzu kri 
tische aber auch positive 
Bemerkungen zu Ben- 
demann als Garant von 
Kontinuität von J.B. 
Athinson, Düsseldorf: 
Its old School and its 
new Academy, in: The 
Art Journal, Nr. 253, 
New York, Juni 1880, 
S. 97-100, hier 98. 
18 - Siehe auch Rosen 
berg, wie Anm. 15, hier 
S. 25. Der Bestandska 
talog von 1995 weist 
das Gemälde nicht 
mehr auf. 
daß man erst gegenwärtig von einer Düsseldor 
fer Schule von Bedeutung sprechen kann, wo 
sich die Parteien gesondert haben." 14 1861 war 
„die Düsseldorfer Malerschule" nach wie vor 
eine Institution, in der der „Geist der Zeit schließ 
lich mächtiger als Geist der Schule" geworden 
war. 15 Dabei war ihr seit Mitte der fünfziger 
Jahre in manchen Bereichen etwas die Luft aus 
gegangen, es mangelte gerade etwas an dem 
neuen Wind, den Waldmüller 1857 in seiner 
Schrift „Andeutungen zur Belebung der vater 
ländischen bildenden Kunst" für seine Wiener 
Akademie gefordert hatte. „Das die Kunst in 
ihrem gegenwärtigen Zustande ihre Bestimmung 
nicht erfüllt, und nicht erfüllen kann, dürfte 
wohl kaum geläugnet werden. (...) Der Kunst 
unterricht bedarf einer Freiheit und Unabhän 
gigkeit, welche mit den, dem Staatsorganismus 
unentbehrlichen, bureaukratischen Formen 
durchaus unvereinbar ist." 16 Unter dem Direkto 
rat von Eduard von Bendemann, einem „glück 
lichen Kompromiss von starken Differenzen", 
waren um 1860 kaum führende Maler in Düs 
seldorf ansässig geworden. 17 Die wichtigen 
Landschafter C. F. Lessing und J. W. Schirmer 
hatten in Karlsruhe eine neue Heimat gefunden, 
und erst 1863 sollte Oswald Achenbach (1827- 
1905) nach einiger Überredung diese von 
Schirmer so glanzvoll begründete und von dem 
Norweger Hans Gude fortgesetzte Landschafts 
tradition als Professor übernehmen. Die im Be 
reich der Genremalerei einst führenden Größen 
wie Johann Peter Hasenclever (1810-1853), 
Peter Schwingen (1813-1863) und Henry Ritter 
(1816-1853) waren ergraut oder verstorben 
und auf der 1861er Ausstellung bis auf Adolph 
Schroedter (1805-1875) mit seinem kleinforma 
tigen „Falstaff und sein Page" nicht vertreten. 
Der nach zahlreichen internationalen Erfolgen 
im Bereich des Genres berühmte Ludwig Knaus 
(1829-1910) war noch in Wiesbaden, wechselte 
erst 1866 nach Düsseldorf und war hier mit Por- 
traits sowie mit zwei Darstellungen von Karten 
spielern (davon Nr. 250 heute Kunstmuseum 
Düsseldorf) vertreten. Ihm folgte aus Schwaben 
der erfolgreiche Genremaler Theodor Schüz 
(1830-1900) an den Rhein. Der „Volksleben 
maler" Rudolf Jordan (1810-1887), der bereits 
1834 mit seinem „Heiratsantrag auf Helgoland" 
(Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, 
Berlin) Erfolge erzielte, trat 1861 mit „Erster 
Besuch am Morgen nach der Hochzeit auf der 
Insel Marken" in Erscheinung, das unverzüglich 
vom Leipziger Museum gekauft wurde. 18 Einzig 
der Schweizer Benjamin Vautier (1829-1898), 
in Köln mit 3 Werken präsent, war seit 1857 im 
Umkreis der Düsseldorfer Akademie als weithin 
bekannter Privatlehrer tätig. Von den übrigen 
um 1860 in Düsseldorf ansässigen Genremalern 
kennt man etwa Johann Peter Hiddemann 
(1829-1892), der auf den Weltausstellungen 
1873 in Wien und 1876 in Philadelphia Erfolge 
erzielte. Von ihm zeigte der Galerist Eduard 
Schulte im Januar 1861 in Düsseldorf „Eine Dorf 
schule", ein Motiv, so die Düsseldorfer Zeitung, 
daß zwar nicht gerade neu sei, „aber Composi- 
tion sowohl wie Ausführung und die durchaus 
charakteristische Ausführung war eine so vor 
treffliche, daß dasselbe sich kühn den besten 
Bildern dieser Art an die Seite stellen kann. Dieses 
Bild gab uns den besten Beweis, wie der wirklich 
talentvolle und fleißige Künstler nicht immer 
nach neuen Ideen zu suchen braucht, um etwas 
Schönes zu schaffen". Waldmüller hatte 1856 
trotz einer Einladung doch nicht in Philadelphia 
ausgestellt, war aber dort dennoch 1861 in der, 
mit mehrern hundert Werken sehr umfangrei 
chen Sammlung von Earl W. D. Harrison mit dem 
ebenfalls beliebt unvergänglichen Motiv „Mother 
and Children" vertreten (Abb. 4). Parallel zu der 
Kölner Ausstellung war gerade im Düsseldorfer 
Kunstverein der Schwerpunkt auf die Mutter- 
Kind Thematik gelegt worden. Man habe es 
schon besser behandelt gesehen, meldete hierzu 
jedoch die Düsseldorfer Zeitung vom 6. August 
1861: „Der Vorwurf trifft fast alle Genrebilder 
der Ausstellung, daß der Gedankengehalt, die 
Ideenfülle der behandelten Gegenstände nicht 
vollständig genug ausgedeutet, aber doch nicht 
deutlich genug ausgeprägt worden ist". 
Von einem Mangel an Ideen war hier die Rede, 
der soeben in der Düsseldorfer Genremalerei 
Einzug gehalten habe. Dagegen konnte die 
Kölner Ausstellung mit dem Rückblick auf die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.