54
PHILIPP STASTNY - Die „Dämonen’’ Messerschmidt's
Belvedere 2/2003
Abb. 7 (oben) Franz Xaver Messerschmidt, Ein Hipochon-
drist, nach 1770, Gipsabguß, Höhe: 42 cm, Österreichische
Galerie Belvedere, Wien.
Abb. 8 (unten) Detail von Abb. 7.
Voluten der jonisierenden Kapitale und im De
kor der üppigen Fensterrahmungen ebenfalls sti
lisierte Phantasiephysiognomien integriert sind
(Abb. 14).
Hier begegnen wir einer späten Variante aus
dem figürlichen, bauplastischen und architekto
nischen Schaffen Michelangelos.
Die Fensterumrahmungen der oberen Fenster
zone des Mittelrisalites im „Unteren Belvedere"
des Johann Lukas von Hildebrandt in Wien er
geben zusammen mit den Voluten und dem be
reichernden Dekor als formales Resultat grimas-
sierende Gesichter von diversen Fabelwesen mit
weitgeöffneten Mäulern, wobei für diese die
Fensteröffnungen stellvertretend wirken.
Sie erinnern an Vorbilder aus dem Manierismus
(der Übergangsphase von der Spätrenaissance
zum Barock) wie z.B. in den meist mit tierischen
Fratzen versehenen hausartigen Grottenbauten
(z.B. Höllenmaul) des Fürsten Vicino Orsini im
„Parco dei Mostri" in Bomarzo (nördlich von
Rom), wahrscheinlich beeinflußt durch Buonta-
lenti.
Beim barocken „Stadtpalais Neupauer-Breuner"
(1715/16) in der Singerstraße der Wiener In
nenstadt, ist in die Rahmung der Wappenkar
tusche, die das Fenster über dem Portal bekrönt
(Abb. 15), im unteren Rollwerkbereich deutlich
jene physiognomisierende Andeutung gegeben,
die umgeprägt in den Kinnpartien der Charak
terköpfe Messerschmidt's vorkommt.
Am „Stadtpalais Daun-Kinsky" in Wien, das
1713-1716 von Johann Lukas von Hildebrandt
errichtet wurde, finden sich über den Maskaro-
nen der Fensterstürze im Fries der Fenstersohl
bänke des nächsten Geschosses in der Mitte der
bandartigen Voluten kleine Maskaronen ver
steckt.
Um von diesen „möglichen" Fällen die „günsti
gen" im Sinne der Wahrscheinlichkeitsrechnung
zu unterscheiden, und damit auf die Bereiche,
aus denen Messerschmidt seine Anregungen
empfangen haben mag, zu schließen und ein
möglichst verläßliches Resultat zur Festigung der
dargelegten Beobachtungen zu finden, ist eine
Recherche nach den für Franz Xaver Messer
schmidt erreichbaren Quellen nötig.
Es gilt in erster Linie, die zeitlich naheliegenden
Vergleichsmotive als mögliche Anregungsfakto
ren abzu wägen.
Wo die jüngste Messerschmidt-Ausstellung im