dem isoliert, verstärkt seine Argumente durch
die rhetorische Geste. Zu seinem erhöht stehen
den Widerpart, der Gamaliel intensiv beobachtet,
besteht kein direkter Blickkontakt, aber dennoch
eine intensive, durch Gestik und Mimik ausge
drückte Beziehung.
Die 7. Illustration „Vor Pilatus"’ 9 zeigt Christus
mit aufwärts gerichteten Blick im Zentrum des
Geschehens. Seine statische und in sich ruhende
Körperhaltung und seine Physiognomik stehen in
starkem Kontrast zu den gestikulierenden Zu
schauern (Abb. 7). Im Vergleich zu dem im Pri
vatbesitz befindlichen Ölentwurf (siehe Abb. 6)
zeigt sich Fügers genialer, ganz bewußt vorge
nommener Einsatz von unterschiedlichen Aus
drucksmöglichkeiten der Körpersprache. Sowohl
Christus als auch Katharina drücken in der ge
gen den Himmel gerichteten Kopfhaltung die
Distanz zu allem Irdischen und der Hingabe in ihr
zukünftiges Schicksal aus, das von keinem Men
schen mehr beeinflußt werden kann. Doch wäh
rend die Körpersprache Christi bereits Resignati
on (die herabhängende Schulterpartie, der voll
kommen ruhende Körper, die vor dem Körper
gelegten Hände) ausstrahlt, befindet sich die hei
lige Katharina noch im Stadium der Argumenta
tion, ausgedrückt im Standmotiv (das linke Knie
ist etwas abgewinkelt) und den auf die Schrift
weisenden Armen mit den offenen Handflächen.
Füger vereinigte in der Darstellung der Körper
sprache die Mimik im physiognomischen Aus
druck des Gesichts mit der dazupassenden Be
wegung. Hierin unterscheidet er sich von den
zeitgenössischen Studien zur Physiognomielehre
und dessen wichtigstem Vertreter Johann Caspar
Lavater (1741 -1801), der in seinem Werk „ Phy-
siognomische Fragmente" - aus heutiger Sicht —
pseudowissenschaftliche Analogien aus dem
physiognomischen Ausdruck zum Charakter des
Menschen herstellte. 20 Vielmehr interessierte Fü
ger die Übereinstimmung von Mimik und Ges
tik als Ganzheit, um so einen „ganzheitlichen
emotionalen Eindruck" auf den Betrachter zu
übertragen. Somit unterscheidet er sich von Le-
Bruns Methode („Conference sur l'expression
generale et particuliere", 1688), die das Gesicht
eis wichtigsten Ausdrucksträger von Gefühlen
ansieht. Jede einzelne Figur Fügers wird in ihrer
gesamten Konstruktion Bedeutungsträger und
erhält damit eine individuelle physiognomische
Charakterisierung. Die Stellung der Figuren und
ihre pantomimischen Gesten entsprechen der
Deklamation im gesprochenen Drama. Der Ver
gleich zum Drama und seiner szenischen Auffüh-
Abb. 6 Heinrich Friedrich Füger, Die heilige Katharina vor
Kaiser Maxentius, 1805, Öl auf Leinwand, 110 x 55 cm,
Privatbesitz.
Abb. 5 (linke Seite) Heinrich Friedrich Füger, Die heilige
Katharina vor Kaiser Maxentius, 1805, Öl auf Leinwand,
108 x 55 cm, Akademie der bildenden Künste, Wien.
Belvedere 1/2004 ROBERT KEIL - Johannes d. Täufer segnend und Die hl. Katharina vor Kaiser Maxentius