Full text: Belvedere - Zeitschrift für bildende Kunst (Heft 1, 2004)

Belvedere 1/2004 ROBERT KEIL - Johannes d. Täufer segnend und Die hl. Katharina vor Kaiser Maxentius 
lische Sphäre selbst wird zwar durch die diffu 
sen Wolken und die dunkle Umrahmung von der 
irdischen Sphäre getrennt, doch weist besonders 
der Engel (Bild der Kirchenväter) wie auch der 
hl. Johannes (Theresienaltar) die gleiche stoffli 
che Behandlung und kräftige, körperliche Struk 
tur auf wie die handelnden Figuren der unteren 
Partie. 
Diesen für die klassizistische und in weiterem 
Sinn für die folgenden Künstlergenerationen 
mehr oder weniger unbewältigbaren Konflikt, 
die transzendente Welt der religiösen Glaubens 
lehre mit der realen Welt plausibel zu verbinden, 
führte 1780 Jacques Louis David exemplarisch in 
dem 1780 ausgeführten Altargemälde „Der hei 
lige Rochus bittet die Jungfrau um Heilung der 
Pestkranken" vor (Abb. 8) 25 . Der extreme Realis 
mus steht hier in krassem Gegensatz zu der Irra 
tionalität des Glaubens an Wunder. Der Pest 
kranke, der Heilige und Maria besitzen alle die 
gleiche stoffliche Plastizität und befinden sich 
mehr oder weniger in einem Handlungsraum, 
obwohl sie sich dem religiösen Verständnis nach 
auf verschiedenen Ebenen befinden. 
Hubert Maurer, der sich von 1772 bis 1776 als 
kaiserlicher Stipendiat unter der Obhut Anton 
von Marons (1733-1808) in Rom aufgehalten 
hatte, konnte während seines Italienaufenthaltes 
noch nicht die radikaleren Lösungsversuche der 
klassizistischen Protagonisten wie Jean Francois 
Peyron (1744-1814) und Jacques Louis David 
kennen. Aber die plastische Stofflichkeit von Ma 
rons oder von Mengs' Bildern, die den dargestell 
ten Figuren - seien es Portraits oder mythologi 
sche Darstellungen - eine sehr stark ausgeprägte 
irdische Präsenz geben, stellt den Künstler gleich 
zeitig vor das Problem, die himmlische Sphäre 
formal und glaubwürdig im Verhältnis zu der ir 
dischen Welt zu lösen. 
Maurer setzte zwar durch die gleiche formale Be 
handlung die verschiedenen Sphären in einen 
gleichwertigen Bezug zueinander, trennte sie je 
doch strikt durch die dunkle Farbgebung der 
Wolken in eine obere und untere Szene. Die 
Verbindung wird nur durch die hinauf weisenden 
Hände hergestellt, da kein unmittelbarer Blick 
kontakt zwischen den auf den unterschiedlichen 
Ebenen agierenden Figuren besteht. Eine ähnli 
che Lösung fand Mengs in dem 1772 angefertig 
ten Ölentwurf einer „Schlüsselübergabe" 26 , auf 
dem Christus mit erhobener Hand als Vermittler 
zwischen den beiden strikt getrennten Sphären 
dargestellt wurde. 
Während seiner Studien bei Mengs und durch 
den Besuch der Ausstellungen, die die französi 
sche Akademie in Rom ab 1777 in ihren Räum 
lichkeiten abgehalten hatte, konnte sich erst Fü 
ger vor Ort über die neuesten künstlerischen 
Strömungen und ihre Anforderung an das Histo 
rienbild informieren und so sicherlich auch das 
Altarbild Davids sehen, da Füger erst 1781 nach 
Neapel abreiste. 
Die Altargemälde von Künstlern wie Johann 
Martin Schmidt (1718-1801) oder Franz Anton 
Maulbertsch (1724-1796), die trotz einer gewis 
sen Beruhigung der Formen und der klarer ge 
gliederten Komposition in den Spätwerken ihre 
hochbarocke Formensprache nicht ablegen 
konnten und wahrscheinlich auch nicht wollten, 
beweisen die Beständigkeit der ikonographischen 
Formeln wie auch der stilistischen Ausdrucks 
möglichkeiten. Selbst Johann Baptist Lampi d. Äl- 
Abb. 8 Jacques Louis David, Der heilige Rochus bittet die 
Jungfrau Maria um Heilung der Pestkranken, 1780, Öl auf 
Holz, 260 x 195 cm, Musee des Beaux-Arts, Marseille. 
tere (Romeno 1751-1830 Wien) wählte in dem 
1825 ausgeführten Bozzetto für den Hauptaltar 
der Pfarrkirche in seinem Geburtsort Romeno (im 
heutigen Südtirol) mit der „Himmelfahrt Mariä", 
den sein Sohn ins große Format übertrug, eine 
traditionelle Ikonographie mit stilistischen Anlei- 
23 - Der signierte und 
1798 datierte Karton 
und ein weiterer Ent 
wurf zu der linken Fi 
gurengruppe befinden 
sich in der Albertina, 
Wien, Inv. Nr. 5263 
und 14671. 
24 - Gemäldegalerie 
der Akademie der bil 
denden Künste, Wien, 
Öl/Leinwand, 194 x 
139 cm, Inv, 1493; 
Bettina Hagen, Antike 
in Wien, Die Akademie 
und der Klassizismus 
um 1800, Mainz 2002, 
Kat. Nr. 13, S. 95. 
25 - Marseille, Musee 
des Beaux-Arts, Inv. 
Nr. 14159. 
26 - Ausst. Kat Mengs 
- Die Erfindung des 
Klassizismus, Hrsg. 
Steffi Roettgen, Kat. 
Nr. 32.
	        
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