Full text: Belvedere - Zeitschrift für bildende Kunst (Heft 2, 2005)

Belvedere 2/2005 
PETER STEPHAN - Wiener Belvedere und Würzburger Residenz 
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wohnliches Verhältnis, indem er in der Mitte 
Doppelstützen, außen einfache verwendet; da 
durch verliert sein Bau gerade dort scheinbar an 
Stabilität, wo sie am meisten benötigt ist, an der 
Ecke." Am Würzburger .Kaisersaalpavillon' sah 
Eckert diesen Fehler korrigiert: „Neumann hat 
das normale Verhältnis durch Einfügen von Dop 
pelstützen außen und einfachen innen wieder 
hergestellt. Durch die Zurückhaltung in der Glie 
derung der Flügelbauten und durch Bereicherung 
des Mittelteils mit dem Giebel sowie durch die 
glänzende Überleitung beim Zusammenschluß 
der einzelnen Bauteile weiß er die Dominante so 
glücklich zur gesteigerten Wirkung zu bringen 
und hat so eine Vollkommenheit erreicht, die 
dem Hildebrandtschen Bau versagt blieb." 2 
Dem Eindruck, die Würzburger Gartenfront sei 
die verbesserte Variante des Belvedere, trat Hans 
Rose 1922 in seinem epochalen Buch über den 
.Spätbarock' entgegen. Sein Hauptkriterium war 
das Verhältnis der einzelnen Bauteile zueinander. 
Entsprechend gelangte er mit Blick auf Würzburg 
zu dem Schluß: „Auf der Gartenseite beschränkt 
sich das Crescendo auf die fünf Mitteljoche und 
klingt in einer Attika aus, die unmittelbar vom 
Wiener Belvedere entlehnt ist. Die Steigerung 
wirkt aber nicht frisch, wie am Belvedere, son 
dern übertrieben. Neumanns Feinheit zeigt sich 
nur da, wo er die Nuance klein wählt." 3 
Eckerts Kritik an der Pilasterdisposition fand bei 
Rose keine Entgegnung. Unerwidert blieb sie 
auch in der zweibändigen Monographie über die 
Würzburger Residenz, die Richard Sedlmaier und 
Rudolf Pfister 1923 vorlegten. Zwar lehnte Sedl 
maier Eckerts Zuschreibung des Kaisersaalpavil 
lons, an dem er überwiegend „Hildebrandtsche" 
Elemente erkannte, ab, doch impliziert seine Be 
merkung, zwischen beiden Bauten liege „ein 
zeitlich großer Abstand und ein gutes Stück Ent 
wicklung" 4 , daß auch er das Obere Belvedere für 
unvollkommen hielt. 
1947 äußerte sich Ottmar Kerber über das Schloß 
des Prinzen Eugen. 5 Dieser sah besonders in der 
Flächigkeit der Gartenfront ein herausragendes 
Charakteristikum Hildebrandtscher Architektur. 
An dieser „in der Breite des Gartens sich dehnen 
den Fläche" habe Hildebrandt alles Körperliche 
unterdrückt. 6 Einen zweiten Faktor erkannte Ker 
ber in der durchlaufenden Senkrechten der Glie 
derung, die selbst das horizontale Gebälk nicht 
unterbrechen könne. Besonders faßbar werde die 
„Eigenart und bindende Kraft dieser Senkrech 
ten" am Mittelpavillon, wo sie „von den gekup 
pelten Säulen zwischen den Eingängen über die 
gekuppelten Pilaster zwischen den hohen und 
ovalen Fenstern bis zu den Postamenten mit den 
dekorativen Skulpturen vor dem Dach reichen". 7 
Um seine Sichtweise zu untermauern, zog auch 
Kerber den Würzburger Kaisersaalpavillon, den 
er wie Eckert und Rose Neumann zuschrieb, zum 
Abb. 1 Oberes Belvedere in Wien, 1722-24, Gartenfront. 
Abb. 2 (Seiten 70, 71) Würzburger Residenz, 1720-44, Gartenfront. 
2 - Georg Eckert, Bal 
thasar Neumann und 
die Würzburger Resi 
denzpläne, Straßburg 
1917, S. 148. 
3 - Hans Rose, Spätba 
rock, München 1922, 
S. 134. 
4 - Richard Sedlmaier 
und Rudolf Pfister, Die 
fürstbischöfliche Resi 
denz zu Würzburg, 2 
Bde., Würzburg 1923, 
Bd. I, S. 175, Anm. 176. 
5 - Ottmar Kerber, Von 
Bramante zu Lucas von 
Hildebrandt, Stuttgart 
1947, S. 124-135. 
6 - Ebenda, S. 131-133. 
7 - Ebenda, S. 131-133.
	        
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