Full text: Moderne Galerie in der Orangerie des Belvedere

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D ie Werke, in denen der Künstler das natürliche geistige Gefüge der Gegen* 
wart auf seine besondere Art zu formen vermag, in wechselnder Gruppierung 
zu zeigen und zu erproben, ist die Aufgabe einer Modernen Galerie. Erst die 
historische Distanz hebt das Wesentliche über alle Wünsche, Hoffnungen, Miß* 
Verständnisse und Vorurteile der Zeit hinaus und ordnet die Auslese auch museal 
der Sphäre der allgegenwärtigen älteren Kunst ein. So reifen die Früchte. Die lebende 
Generation aber hat das Vorrecht, daß ihr das Empordrängen und Blühen aus 
fruchtbarem alten Boden sichtbar werde. 
Die Aufklärungszeit zerstörte den göttlichen Schein ewiger Wertung und schuf 
dem Künstler den tragischen Konflikt mit einer übermächtigen Vergangenheit. Museen 
wurden öffentlich zugänglich, zahlreich entstanden Akademien, die erhabensten 
Kunstwerke wurden Beispiel und Vorbilder. Ein nachfolgendes technisches Zeit* 
alter glaubte über sie hinaus zu gelangen. Als »Moderne« geriet der große Zeit* 
raum von eineinhalb Jahrhunderten für die neue soziale Schichtung der Nationen 
mit der früheren Vergangenheit in gegensätzliche Wertung, die doch nur als natio* 
nale Differenzierung einer großen einheitlichen Entwicklung deutbar ist. Die Lösung 
aus tragischem Konflikt zu moderner Anschauung erkämpft sich immer wieder die 
lebende Generation. 
Die Wandlung des Begriffes einer Modernen Galerie belegen die folgenden 
historischen Daten. 
1781 
Eröffnung der auf Befehl Kaiser Josef II. von Christian von Mechel durch* 
geführten Neuaufstellung der aus der Stallburg übersiedelten Kaiserlich Königlichen 
Bilder*Gallerie im Belvedere zu Wien. Die in der Stallburg einer dekorativen 
Gesamtwirkung untergeordneten Kunstwerke werden in der nunmehr allgemein 
zugänglichen Aufstellung im Belvedere systematisch nach Schulen gereiht. Der 
»Teutschen Schule« werden »einige Proben der Neueren, die auf Beyfall und 
Verdienst Anspruch oder dem Vaterland Ehre machen«, angeschlossen. 
1837 
Die »vollendete gänzliche Herstellung und Einrichtung der k. k. Gemälde* 
Gallerie« durch Albrecht Krafft und der von ihm verfaßte Katalog vereinigen zum 
ersten Male die Werke »neuerer vaterländischer Künstler« zu einer besonderen 
Abteilung: Moderne Schule. Sie umfaßt Werke der Malerei und Plastik, die im 
wesentlichen nach 1780, dem Zeitpunkt der Übersiedlung der Galerie aus der Stall* 
bürg in das Belvedere, entstanden waren. 
1891 
Eröffnung der aus dem Belvedere in das Kunsthistorische Hofmuseum über* 
siedelten Gemäldegalerie. Die Abteilung: Moderne Meister, die, mit dem Ausgange 
des 18. Jahrhunderts beginnend, schon einen Zeitraum von über 100 Jahren zu 
veranschaulichen hatte, bleibt — neben den kostbarsten Werken von internationaler 
Herkunft und Bedeutung in den anderen Gruppen der Gemäldegalerie — auf das 
Lokale beschränkt. Ihre große räumliche Ausdehnung erwächst aus zahlreichen auf 
Bestellung gemalten Repräsentationsbildern und denkwürdigen Themen, vielen Doku* 
menten der Wiener Schule und einer großen Sammlung von Aquarellen und Veduten. 
1901 
Die Vereinigung Bildender Künstler Österreichs »Secession« regt in einer an 
das k. k. Unterrichtsministerium gerichteten, in der Zeitschrift »Ver Sacrum« ver*
	        
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