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öffentlichten Denkschrift die Gründung einer staatlichen Modernen Galerie an,
deren Aufgabe es nicht sein dürfe, »eine gewissenhaft angelegte Beispielsammlung
zu einem österreichischen Künstlerlexikon zu sein«. Sie betont, »daß es darauf
Werke der Kunst unserer Taee zu erwerben
Weise
die Spur ihres Geistes der Gesamtentwicklung eingeprägt
haben. Die Moderne Galerie aber gehöre der Gegenwart und Zukunft, nicht der
Vergangenheit; sie bedarf, soll sie einen Sinn haben, rascher Erwerbung von Haupt*
werken jener Meister, welche die Kunst des heutigen Europa bedeuten«. Aus
Vereinsmitteln widmet die »Secession« für die zu gründende Moderne Galerie
Werke
1903
Wien
und ausländischen Kunst des 19. Jahrhunderts und der Gegenwart, unmittelbar
veranlaßt durch die Widmung und Erwerbung der beiden großen Gemälde Max
Klingers »Das Urteil des Paris« und »Christus im Olymp«, für deren Unterbringung
der Raumgröße entsprechend das Untere Belvedere bestimmt wird. Mit Wid*
mungen der »Secession«, staatlichen Ankäufen und Leihgaben aus den Städtischen
Sammlungen in Wien und aus dem musealen Besitz des Landes Niederösterreich
werden die Bestände der Modernen Galerie gebildet, deren Vermehrung durch
Ankäufe auf Ausstellungen einer Kommission anvertraut wird. Diese Bestände
sollen, räumlich und verwaltungstechnisch getrennt, eine ideale Ergänzung der
modernen Abteilung der kaiserlichen Gemäldegalerie bilden. Ein Leiter wird
nicht ernannt.
1906
Die Deutsche Jahrhundertausstellung in Berlin, aus deutschem und österrei*
chischem Material auf das sorgfältigste vorbereitet, gibt zum ersten Male eine
umfassend klare Vorstellung von den schöpferischen Kräften in der Malerei Deutsch*
lands und Österreichs im 19. Jahrhundert. Sie gibt damit auch ein ideales Museal*
Programm für die österreichische Kunst des 19. Jahrhunderts und steht in auf*
fälligem Gegensatz zum gleichzeitig erschienenen letzten Führer durch die moderne
Abteilung der kaiserlichen Gemäldegalerie, der, von unwesentlichen lokalen Er*
scheinungen überfüllt, von der gesamten übrigen deutschen Kunst nur ein durch
Widmung in die Sammlung gelangtes Werk verzeichnet.
1909
Mit der Berufung Friedrich Dörnhöffers zum Direktor der Modernen Galerie
(1909—1914) beginnt ein organischer Aufbau der Sammlung von Grund auf.
Die dem mehr kulturgeschichtlichen Charakter der Sammlungen der Stadt Wien
und des Landes Niederösterreich entsprechenden Leihgaben sind zurückgestellt.
Deutlich wird die Notwendigkeit erkannt, außer der Erwerbung hervorragender
internationaler Kunstwerke der Gegenwart, auch die nirgends vorhandene museale
Grundlage für die wesentliche Darstellung der österreichischen Kunst von der
gotischen Zeit an zu schaffen. Dieses großzügige Programm hat auch die spätere
Umbenennung der Modernen Galerie in eine österreichische Staatsgalerie zur
Folge.
1911
Auf der Internationalen Kunstausstellung in Rom kann ein Teil von Dörn*
höffers Programm für kurze Zeit von ihm veranschaulicht werden: die öster*