AGOSTINO CARRACCI.
Geboren: 1557, am 16. August im Dome zu Bologna getauft; gestorben: Parma, 22. März 1602.
DER HEILIGE FRANZ VON ASSISI.
GOSTINO Carracci, der älteste unter den Malern dieses Namens in Bologna, war auch
der Begründer eines neuen Systems des Kunststudiums, dem sich alle anderen aus
der Familie der Carracci anschlossen.
Agostino war übrigens der unterrichtetste unter seinen jüngeren Verwandten. Er verkehrte
viel mit Gelehrten und schrieb und dichtete selbst. Seine Kunstschule übte und verfolgte den
Eklekticismus, und er dichtete zu ihrem Lobe und zur Darnachachtung folgende Verse:
J ö O
»Chi farsi un bon pittor cerca, e desia,
II disegno di Roma habbia alla mano,
La mossa coli’ ombrar Veneziano,
E il degno colorir die Lombardia.
Di Michel Angiol la terribil via,
II vero natural di Tiziano,
Del Correggio lo Stil puro, e sovrano,
E di un Rafael la giusta simetria.
Del Tibaldi il decoro, e il Fondamento
Del dotto Primaticcio l’inventare
E un pd di gratia del Parmigianino.«
Alle diese Eigenschaften, die Agostino hier anrühmt und zum Studium empfiehlt, be
wältigte er zwar in seinen Arbeiten natürlich nicht, aber sein Talent war bedeutend genug, um
aus allem diesen doch seine Eigenart zu retten. Er dachte gross und componirte gut. Wie er
*
den gegebenen Ausdruck der Leidenschaft bei seinen Figuren bewältigte, zeigt sehr gut das Bild
in der kaiserlichen Galerie, welches hier in Reproduction vorliegt.
Der heilige Franz von Assisi kniet in einer Grotte und sieht entzückt zu der Erscheinung
des Kreuzes in einer Glorie empor. Er hebt die mit den Nägeln durchbohrten Hände gegen den
Himmel. Im Mittelgrund schläft ein Ordensbruder an einen Felsen gelehnt.
Es ist ein Hauptwerk des Meisters von grosser Innigkeit des Ausdruckes.
Das Bild ist auf Leinwand gemalt, hoch 20S Cm, breit 139 Cm.
Es stammtaus dem Schlosse Ambras in Tirol; Inventar (um 1719) Nr. 111. Im Jahre 1731
ist es mit anderen Bildern in die Galerie in der Stallburg nach Wien gebracht worden.
O ö
Reproductionen: Stich von Langer, hoch 13-6 Cm., breit 10 Cm. (Sigm. von Pergers
Galeriewerk.) — Radirung und Grabstichlschnitt von A. Rordorf, hoch 16* 1 Cm., breit 107 Cm.
(Kunstschätze Wiens von A. Ritter von Perger). — Radirung von Reveil (in Umrissen), hoch io*8 Cm.
breit 7*8 Cm. — Duchesne laine: Mussee de peinture et sculpture, Vol. VI, No. 241. —
Radirung von W. Unger, hoch 317 Cm., breit 22 Cm. (k. k. Gemäldegalerie).