Full text: 120 der hervorragendsten Gemälde alter Meister [Altdorfer - Murillo] (Band 1, 1892)

AGOSTINO CARRACCI. 
Geboren: 1557, am 16. August im Dome zu Bologna getauft; gestorben: Parma, 22. März 1602. 
DER HEILIGE FRANZ VON ASSISI. 
GOSTINO Carracci, der älteste unter den Malern dieses Namens in Bologna, war auch 
der Begründer eines neuen Systems des Kunststudiums, dem sich alle anderen aus 
der Familie der Carracci anschlossen. 
Agostino war übrigens der unterrichtetste unter seinen jüngeren Verwandten. Er verkehrte 
viel mit Gelehrten und schrieb und dichtete selbst. Seine Kunstschule übte und verfolgte den 
Eklekticismus, und er dichtete zu ihrem Lobe und zur Darnachachtung folgende Verse: 
J ö O 
»Chi farsi un bon pittor cerca, e desia, 
II disegno di Roma habbia alla mano, 
La mossa coli’ ombrar Veneziano, 
E il degno colorir die Lombardia. 
Di Michel Angiol la terribil via, 
II vero natural di Tiziano, 
Del Correggio lo Stil puro, e sovrano, 
E di un Rafael la giusta simetria. 
Del Tibaldi il decoro, e il Fondamento 
Del dotto Primaticcio l’inventare 
E un pd di gratia del Parmigianino.« 
Alle diese Eigenschaften, die Agostino hier anrühmt und zum Studium empfiehlt, be 
wältigte er zwar in seinen Arbeiten natürlich nicht, aber sein Talent war bedeutend genug, um 
aus allem diesen doch seine Eigenart zu retten. Er dachte gross und componirte gut. Wie er 
* 
den gegebenen Ausdruck der Leidenschaft bei seinen Figuren bewältigte, zeigt sehr gut das Bild 
in der kaiserlichen Galerie, welches hier in Reproduction vorliegt. 
Der heilige Franz von Assisi kniet in einer Grotte und sieht entzückt zu der Erscheinung 
des Kreuzes in einer Glorie empor. Er hebt die mit den Nägeln durchbohrten Hände gegen den 
Himmel. Im Mittelgrund schläft ein Ordensbruder an einen Felsen gelehnt. 
Es ist ein Hauptwerk des Meisters von grosser Innigkeit des Ausdruckes. 
Das Bild ist auf Leinwand gemalt, hoch 20S Cm, breit 139 Cm. 
Es stammtaus dem Schlosse Ambras in Tirol; Inventar (um 1719) Nr. 111. Im Jahre 1731 
ist es mit anderen Bildern in die Galerie in der Stallburg nach Wien gebracht worden. 
O ö 
Reproductionen: Stich von Langer, hoch 13-6 Cm., breit 10 Cm. (Sigm. von Pergers 
Galeriewerk.) — Radirung und Grabstichlschnitt von A. Rordorf, hoch 16* 1 Cm., breit 107 Cm. 
(Kunstschätze Wiens von A. Ritter von Perger). — Radirung von Reveil (in Umrissen), hoch io*8 Cm. 
breit 7*8 Cm. — Duchesne laine: Mussee de peinture et sculpture, Vol. VI, No. 241. — 
Radirung von W. Unger, hoch 317 Cm., breit 22 Cm. (k. k. Gemäldegalerie).
	        
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