GIACOMO PALMA genannt IL VECCHIO.
Geboren: Serina bei Bergamo um 1480; gestorben: Venedig, angeblich 48 Jahre alt, 1528.
LUCRETIA.
ie kaiserliche Gemälde-Galerie besitzt sieben Bilder von Palma, die junge Frauen vor-
I stellen; es war eine Vorliebe des Meisters, Frauenschönheit im Bilde zu fixiren. Er that
j dies in den meisten Fällen unbefangen, ohne der Freude an diesen Darstellungen irgend
einen Vorwand zu unterschieben, und gab diesen Modellen und Studien selten bestimmte Namen.
Weder Judith noch Agnes, weder Kleopatra noch Ruth sollten diese Bilder vorstellen, sondern
einfach schöne Frauen in schöner Gewandung. Bei dem Bilde, welches hier beschrieben werden
soll, machte er eine Ausnahme, und nannte die schöne Frau, die, fast nur mit einem Hemde
bekleidet, den Dolch so resolut handhabt, »Lucretia«. Um dies noch glaubwürdiger zu machen, als
es durch den Dolch allein geschieht, brachte er auf dem Bilde auch noch einen Mann an. Dieser ist
für die malerische Wirkung vortrefflich angeordnet, aber es entsteht die P'rage: wer ist der Mann?
O O ' o
Für den Vater ist er zu jugendlich, für ihren Gatten Collatinus zu gleichgiltig; und so mag wohl
Sextus Tarquinius gemeint sein, obwohl auch dieser sich leidenschaftlicher geberdet haben mochte.
Lucretia selbst ist reizend. Der nach aufwärts gerichtete Blick und das herabgesunkene
o «r>
Hemd kleiden sie anziehend, aber der Ausdruck des schönen Gesichtes könnte ebensogut eine
erlebte FVeude auszudrücken haben, für die sie mit dem Blick zum Himmel dankt. Vom
malerischen Standpunkte aus ist das Bild ein vollendetes Meisterwerk, wenn auch der rechte Arm
in der Verkürzung zu klein geworden ist. Es gehört jedenfalls zu den schönsten, von Palmas so
berühmten P'rauenköpfen.
Das Bild ist auf Holz gemalt; 84 Cm. hoch, 68 Cm. breit.
Es stammt aus der Sammlung Karls I. von England. Vertue’s Katalog, S. 107, Nr. 15:
Done by Titian. Above the door a Lucretia, having a dagger in her right-hand., and a man's
face behind being Tarquin, in a gilded frame, half a Figure so big as the life, done upon a board.
Bei der Versteigerung der Sammlung kaufte es Erzherzog Leopold Wilhelm.
Bei Karl I. war das Bild dem Tizian zugeschrieben und blieb unter dieser Bezeichnung auch in
Brüssel. Erst in neuerer Zeit erkannte man, dass es ein Bild von Palma sei.
Schwache Copien derselben befinden sich in Hampton-Court und in den Uffizien in Florenz.
Im ersteren wird das Bild dem Paris Bordone, in letzterem dem Varotari zugeschrieben.
Es ist gestochen von Prenner, 21*1 Cm. hoch, 16.5 Cm. breit (Prenners Theatr. artis pict.).
— Radirung: 4 Cm. hoch, 2*8 Cm. breit (Stampart und Prenner), beide Male als Tizian.
2 fl. 7
2 fl. 2.