Full text: Moderne Meister (Band 3, 1897)

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rüft man sorgfältig die Wege, welche von den oben 
eingehender geschilderten oder auch nur flüchtig 
erwähnten Meistern in der Ausübung ihrer Kunst 
eingeschlagen wurden, so nehmen wir bereits wahr, 
dass man in schlichtererWeise als bisher bestrebt war, die gestellten 
Aufgaben zu erfassen und zu gestalten, dass man begann, neben der 
Darstellung von Allegorien, sowie mythischer und antiker Gegen 
stände, auch historische Ereignisse 
heranzuziehen und mit diesen aber 
auch deutlich die Intentionen her 
vortraten, sich der Wahrheit der 
Darstellung und somit der Natur 
zu nähern, um endlich wieder nach 
langer Abirrung in ihr die erste und 
massgebendste Lehrerin zu erblicken. 
Die Glanzperiode der k. k. 
Akademie der bildenden Künste war 
mit dem Wechsel des Jahrhunderts 
so gut wie vorüber; die Zeit und 
ihre Vorwärtsbewegung erheischten 
ein freieres Gebahren im Unterrichts 
wesen in dem Sinne, als mit den viel 
fach zur Schablone gewordenen Tra 
ditionen gebrochen werden musste, 
was freilich auch eine Periode der 
Kämpfe mit sich brachte. Sowie sich 
aber diese Bewegung in allen Cultur- 
staaten vollzog, so musste man trotz 
allen Widerstandes auch hier natur- 
gemäss endlich einer neuen Zeit und 
ihren Forderungen Folge leisten. 
Die im Jahre 1877 anlässlich der Eröffnung des neuen Aka 
demiegebäudes am Schillerplatze erschienene Festschrift: »Geschichte 
der k. k. Akademie der bildenden Künste«, verfasst von Dr. Carl 
von Lützow, gedenkt in dem Abschnitte »Am Wendepunkt des Jahr 
hunderts« der Bewegung und des Conflictes an dieser Kunstschule. 
Die damaligen Schülerlisten zeigen eine lange Reihe wohlbekannter 
Namen, darunter Daffinger, Fetter, C. Russ, J. Kriehuber, 
F. Waldmüller, Peter Fendi, L‘ Kupelwieser, Jos. Binder, Leop. 
Schulz u. A. Von Kunstjüngern aus dem Auslande lesen wir die 
Namen Franz Pforr, Job. Friedr. Overbeck, Jos. Wintergerst, 
Philipp Veit, »die jugendlichen Apostel der neu-deutschen Kunst, die 
Vertreter der Zukunftsideen jener Tage, welche bald mit den herr 
schenden Akademikern in Conflict kamen.« 
»In den Briefen Eberhard Wächter’s an den Freiherrn von 
Uexküll,« wird weiters in der oben genannten Festschrift berichtet, 
»kommt die Unzufriedenheit mit der herrschenden Richtung, welche 
in den Kreisen der jüngeren Künstler sich zu regen begann, zu 
energischem Ausdruck.« Friedrich Overbeck, der im März 1806 
von seiner Heimat Lübeck nach Wien kam,*) schreibt an Kestner 
(24. März 1810): »Ersparen Sie es mir, es Ihnen ausführlich zu 
schildern, wie die ersten Jahre meines Hierseins verstrichen, wie 
ich unter Menschen, die ich weder achten noch lieben konnte, in 
dumpfer Betäubung fortvegetirte, und was ich für ein Alltagsmensch 
ward auf dieser Schul-ähnlichen 
Akademie; wie jedes edlere Gefühl, 
jeder bessere Gedanke unterdrückt 
und zurückgescheucht wurde, und 
wie ich nahe daran war, für Kunst 
und Menschheit verloren zu gehen, 
wenn nicht zur rechten Zeit sich 
noch ein Freund, ein edler Mensch 
gefunden hätte, der den letzten 
ersterbenden Funken wieder anfachte 
und nach und nach mich wieder zu 
mir selbst zurückgeführt.«**) Dieser 
Herzenserguss O v e r b e c k’s an seinen 
Freund schildert so recht drastisch 
das damals bestehende Verhältniss 
zwischen der Akademie und ihrer 
Lehrübung und den sich bahn 
brechenden neuen Bestrebungen. 
Wie bekannt, verliessen Overbeck 
und seine Gesinnungsgenossen die 
Lehranstalt, indem sie aus derselben 
verwiesen wurden.***) 
Mit Overbeck gingen noch 
einige junge Künstler, welche, so 
wie er, in Wien für Reinheit und Adel des Stils, für energische 
Auffassung des Lebens eintraten, nach Rom, um daselbst einen 
-5*. -f • 
J. F. OVERBECK. Christus fällt unter der Last des Kreuzes. 
*) Johann Friedrich Overbeck (geb. zu Lübeck den 3. Juli 1789, gest. 
zu Rom den 12. November 1869) ist nach den Aufnahmslisten der k. k. Akademie 
der bildenden Künste in Wien am 22. April 1806 in die Antikenschule eingetreten 
und kommt im Wintersemester 1811/12 noch als Schüler vor. Die von ihm in 
der Aquarellen- und Handzeichnungs-Sammlung des kunsthistorischen Hofmuseums 
aufgestellten 14 Blatt »Stationen«, Sepiazeichnungen auf grauem Grunde, wurden 
im Jahre 1890 von Sr. Majestät für die kaiserlichen Sammlungen erworben. 
**) Dieser Freund war der schon 1812, also frühzeitig, in Rom verstorbene 
hochbegabte Franz Pforr, Sohn des Thiermalers Johann Geprg Pforr (1745, 
j 1798) zu Frankfurt a. M. 
***) Professor Fischerachtete die Bestrebungen der jungen Leute, die 
angeregt durch Eberhard Wächter, den Kämpfer gegen Ziererei und Schwulst in 
der Kunst, sich gegen den akademischen Schlendrian stellten, um durch Tiefe des 
Gemüthslebens, Frömmigkeit des Herzens, mit aller Aufopferung und im Gefühle 
eigener Freiheit auf dem Wege der Wahrheit und Natur zu den höchsten Zielen 
der Kunst zu gelangen. Deshalb veranstalteten die jungen Männer dem ihnen mit 
Verständniss entgegenkommenden, freier denkenden Professor ein Fest, das von 
der akademischen Behörde jedoch übelst aufgenommen wurde und den jungen 
Stürmern gegen den herkömmlichen akademischen Bestand die Ausweisung eintrug.
	        
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