Full text: Moderne Meister (Band 3, 1897)

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vom ii. Juni 1879 datirten Aufzeichnungen erfahren wir, dass 
der Vater des Malers Friedrich Joh. Gottheb Lieder eine in der 
preussischen Geschichte bekannte Persönlichkeit gewesen sei, nach 
dem er von Friedrich dem Grossen mit zwei Häusern und 
einem »Mühlenberge« bei Potsdam für seine Verdienste beschenkt 
worden sei, und dass, als der König wegen Verstellung der Aussicht 
die Demolirung der Mühlen befahl, er einen langwierigen Prozess 
geführt habe, den aber der Vater Lieder’s schliesslich gewonnen 
habe. Er war es also, von dem der berühmte Ausspruch herrührt: 
»Es gibt noch Richter in Berlin!« »Hier«, schreibt Herr von D’Elle- 
vaux, »wurde mein Vater«, also in Potsdam, »den 3. Juli 1780 geboren.« 
Ursprünglich sei unser Künstler für das montanistische Fach be 
stimmt gewesen, da er jedoch ein besonderes Talent für die Malerei 
zeigte, schickte ihn sein Vater nach Paris, wo er an der dortigen 
Akademie seine Studien machte und zugleich mit seinem Jugend 
freunde Peter Kr afft, dem nachmaligen Director der Belvedere- 
Gallerie, als Schüler David’s seine Ausbildung für das Historienfach 
erhielt. Nach der französischen Revolution reiste er mit Baron 
Brüdern, einem ihm befreundeten Magnaten, nach Ungarn und 
heiratete daselbst die Tochter des dort begüterten Hofraths Chevalier 
D’ElIevaux de Simon, mit welcher er nach Wien übersiedelte, wo 
er sich alsbald als Porträtmaler einen bedeutenden Ruf erwarb, 
wozu namentlich der Congress Gelegenheit gab, anlässlich dessen 
er die gekrönten Häupter und Gesandten theils in Oel und in Miniatur, 
in vielen Fällen, wie es damals üblich war, in Brillanten gefasst, malte. 
sämmtliche Regiments-Commandanten vertheilt, trug dem Künstler 
10.000 Thaler und den Titel eines königlich preussischen Hof-Malers 
ein. Auf Wunsch der Frau des Künstlers nach Wien zurückgekehrt, 
wo, wie uns Herr von D’Ellevaux erzählt 
Lawrence und Isabey Aufsehen erregten, war es besonders des 
Letzteren Manier, die Lieder gefiel, wobei er sich vorwiegend 
auf das Miniaturfach verlegte. Aus dieser Zeit datiren des Meisters 
Hauptwerke, wozu ihm namentlich der damals allmächtige Staats 
kanzler Fürst Metternich die Wege zu den vielfachen Aufträgen 
ebnete, indem er ihm nicht nur alle bedeutenden Persönlichkeiten 
erade die Werke des 
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in das Atelier schickte, sondern ihn auch zum Congress in Verona, 
sowie auf seine Besitzung Johannisberg mitnahm. Um die damals in 
Paris bereits sehr schwunghaft betriebene Lithographie und die da 
mit verbundene Kunstdruckerei zu studiren, schickte Fürst Metter 
nich den Künstler auf Staatskosten dahin, damit er er sodann diese 
wie uns sein Sohn 
Reproductionsart in Wien einführe.*) Lieder gab 
einen Cyclus lithographischer Porträte, Bildnisse 
von Mitgliedern des Allerhöchsten Kaiserhauses, heraus, sowie er 
eine Ikonographie der berühmtesten Staatsmänner, Gelehrten und 
Künstler publicirte, ähnlich wie später eine solche Jos. Kriehuber**) 
bei Mechetti in Wien erscheinen liess. Im Jahre 1829 heiratete 
Lieder zum zweitenmale, verliess im Zenith seines Schaffens 
weiters berichtet 
Wien und übersiedelte nach Tyrnau, woselbst er sich eine Besitzung 
erworben hatte. Doch auch dort war er als Künstler thätig; ab und 
zu nach Pressburg reisend, malte er eine grosse Anzahl der auf den 
Landtagen versammelten ungarischen Aristokratie. Was die hiebei von 
seinem Sohne angeknüpfte kurze Mittheilung anbelangt, dass sein Vater 
das Theater in Tyrnau gebaut habe, konnten wir uns leider nicht 
ganz klar werden, in welchem Sinne dieser Bau des Theaters durch 
Lieder aufzufassen wäre. Im Jahre 1845 etablirte sich der Künstler 
in Pesth, woselbst er, bis zum letzten Augenblick seines Lebens 
thätig, am 13. März 1859 im 79* Lebensjahre gestorben ist. 1824 
ist er akademischer Rath und Mitglied der k. k. Akademie der 
bildenden Künste geworden. Lieder ist auch Ehrenbürger der 
Städte Pressburg, Tyrnau und Papa gewesen. 
Lieder war, das mag unbestritten bleiben, durchaus ein Maler 
seiner Zeit, aber so wie ihn der schon einmal citirte Kritiker Kert- 
ben}^ (recte Benkert) in seinem, wie Herr von Wurzbach sehr 
treffend bezeichnet, »medisanten Tone« behandelt, ist grundfalsch. 
Man sehe sich die Arbeiten dieses Malers wie so vieler seiner Zeit 
genossen nur recht an, so wird man nicht selten finden, dass sie 
mehr konnten und wussten, als vielleicht jene ihrer Nachkommen, 
von denen sie so gerne verdonnert wurden, ohne dass diese es im 
Grunde besser gemacht hätten. Es ist eben oft nur ein .Anderes, 
aber durchaus nicht Besseres, das über das Vorangegangene, weil 
es vielleicht auch bescheidener aufgetreten ist, den Sieg davontragen 
will. Ein wahrhaft Sehender in der Kunst betrachtet das jeweilig 
sich ihm darstellende Kunstwerk im Geiste seiner Zeit, unter dessen 
zumeist unwiderstehlichem Einflüsse es geschaffen wurde und in 
Im Jahre 1817 hatte er im Aufträge des Königs von Preussen 
Friedrich Wilhelm IIP dessen lebensgrosses Porträt in der Uni 
form des ihm vom Kaiser Franz gewidmeten Husaren-Regimentes 
wie uns Herr von D’Ellevaux berichtet — 
zu malen, welches 
heute noch im weissen Saal des Königsschlosses in Berlin hängen 
soll. Im Jahre 1818 berief ihn der König nach Berlin, wo er, im 
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königlichen Schlosse wohnend, die ganze Familie malte und später 
unter der persönlichen Leitung des Königs das Reglement der Uni- 
formirung und des Exercitiums für alle Chargen der Infanterie und 
Cavallerie der preussischen Armee herausgab. Dieses Werk, in 
Aquatintamanier von Wachsmann gestochen und in Heften an 
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jährigen Urlaub behufs einer künstlerischen Studienreise nach Italien, gelegentlich 
welcher er einen grossen Theil des Mailänder und Florentiner sowie des römischen 
und neapolitanischen Adels porträtirte. Von dieser Reise, über welche er einen 
Bericht über die Kunstdenkmäler und Gallerien Italiens, sowie über das künstlerische 
und gesellschaftliche Leben in diesem Lande verfasst und publicirt hat, zurück 
gekehrt, wäre Lieder gleich seinem Vater ein sehr gesuchter Porträtmaler Wiens 
geworden, hätte ihn nicht vorwiegend sein Beruf als Beamter in Anspruch 
genommen. Er war daher nur theilweise im Stande, den vielfachen an ihn 
gelangenden Aufträgen nachzukommen. In der akademischen Ausstellung in Wien 
1845 sah man von ihm Aquarell- und Miniaturporträte, welche bei der Kritik eine 
wohlwollende Aufnahme fanden. 1866 malte er, wie uns sein Sohn weiters berichtet, 
ein grosses Altarbild für die Stadtpfarrkirche zu Komorn, welches die Taufe Christi 
darstellt, und ein zweites in die Kapelle von Magyarad im Konter Comitate, dar 
stellend die heilige Maria mit dem Jesukinde. Im Jahre 1867 wurde Lieder seitens 
der österreichischen Regierung als Delegirter zur Weltausstellung nach Paris 
gesendet. Nach seiner Rückkehr schrieb er die »Kaleidoskopischen Bilder aus 
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Paris«, die in der Neuen Freien Presse publicirt worden sein sollen. 1873 malte 
er im Laxenburger Schlosse den Schah von Persien und dessen Thronfolger, 1876 
imAuftrage des osmanischen Sultans die Porträte der kaiserlichen und königlichen 
Majestäten. Von ihm befinden sich auch Aquarellporträte in der Albertina. 1870 
in den Ruhestand tretend, wurde ihm der kaiserliche Rathstitel und in Anerkennung 
seiner weiteren Verdienste 1882 der Adel verliehen. Lieder war ausserdem 
Commandeur des kaiserlichen osmanischen Medjidii- und des persischen Sonnen- 
und Löwen-Ordens, ferner Ritter des königlichen Ordens der Krone von Italien 
und des päpstlichen St. Gregor-Ordens. Sein Todesdatum haben wir bereits oben 
mitgetheilt. 
*) »einführe« scheint uns etwas zu viel gesagt zu sein, denn die Lithographie 
hatte hier bereits zu jener Zeit sogar schon sehr bedeutungsvoll Boden gefasst. 
) Herr von D’Ellevaux bezeichnet Jos. Kriehuber, diesen genialsten 
aller Porträt-Lithographen, als einen Schüler seines Vaters, worüber aber meines 
Wissens nirgends Kunde gegeben wird. Auch Carl von Saar, auf den wir weiter 
unten zu sprechen kommen werden, sei ein Schüler Lieder’s gewesen. 
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