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schüttelnd vorübergehen, oder sie nur oberflächlich betrachten, oder
dieselbe etwa gar ausgeschieden sehen wollen.*)
In der Landschafts- und Thiermalerei ging, wie bereits an
anderer Stelle erwähnt wurde, mit dem Beginne -des XIX. Jahr
hunderts, und zwar gleichzeitig mit der Bewegung an anderen
grossen Culturstätten, eine vollkommen neue Wandlung vor sich.
Das Wiedervertrautwerden mit der Natur zwang die Maler rasch
Irrthümer, Herkömmlichkeiten und Gewohnheiten, in welche nament
lich die Meister der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ge-
rathen waren, abzustreifen. Dem Manierismus folgte, wie es fast zu
allen Zeiten geschehen ist, das Streben nach Wahrheit, und wenn
sich auch anfänglich nur Einzelne aus ihrer akademischen Be
fangenheit herauswagten, so wirkte doch ihr Beispiel allsogleich
mächtig genug. Das Sprich
wort »wie die Alten sungen,
so zwitschern die Jungen«
traf wahrlich nicht mehr zu.
Die Jungen zwitscherten nicht
nur anders, sondern sie fanden
ganz neue Lieder, die freilich
nicht gleich von Allen ver
standen wurden, aber ebenso
rasch in den jüngeren Künstler
kreisen populär geworden sind.
Es ist eine stattliche Reihe
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.•von Namen, mit welchen sich
in der Landschaftsmalerei diese
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neue Richtung inaugurirte. Vor
Allem aber möchte ich einen
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Künstler namhaft machen, der
unbedingt als Erster gelten
mag, welcher seinem Lehrer
Molitor und sonach der aus
gefahrenen Kunstrichtung un
treu wurde, indem er malte,
was seine eigenen Augen sahen
und keinerlei doctrinäre Tra
dition verfolgte. Es ist dies der
Altmeister Franz Seraphicus Stein fei d, dessen populäre Persön
lichkeit noch manchem unserer Zeitgenossen in bester Erinnerung
sein mag. Der Verfasser hatte Gelegenheit, den trefflichen Künstler
und ausgezeichneten Menschen genau zu kennen, denn zuerst war
er sein Schüler und dann noch jahrelang sein Freund, und was ich
nach seinem Tode über ihn geschrieben,**) floss mir aus dem Herzen
und entsprach sicher der Wahrheit.
Es sei mir hier gestattet, eine kleine Episode zu erzählen, die
.den Meister in seinem concilianten Wesen charakterisirt. Als ich mich
eines Tages als junger Anfänger, selbstverständlich in respectvoller
Ferne, im Prater beim Kaiserwasser zur Gruppe seiner Schüler setzte,
) In Kunstsammlungen, die nicht blos zum Genuss gereichen, sondern
auch zur Belehrung dienen sollen, hat jede Zeiterscheinung ihr Recht zu finden,
und welchem Laien dies nicht hehagt, der sehe eben nur dasjenige an, was seinem
subjectiven Geschmack entspricht; dem subjectiven Geschmack darf man aber auf
keinen Fall ein Richterthum in der Kunst zuweisen wollen.
**) Siehe »Zellner’s Blätter für Theater, Musik und bildende Kunst«. Klein-
Folio. Wien, XIV. Jahrgang (1868), Nr. 95, S. 378.
namentlich aus dessen Jugendzeit, lesen will, der findet eine Strenge
und eine Gewissenhaftigkeit, eine Charakteristik und schlichte Wahr
heit, womit man auch in anderer Zeit, unter anderen Kunstanschau
ungen seine volle Freude finden kann. Es ist möglich, dass Freund
Goebel auch auf dem Gebiete der sogenannten grossen Kunst
Glück gemacht haben würde, wären ihm in Jugend und Werdegang
andere Wege gewiesen worden.
.1
Unter den Porträtmalern jener Tage befand sich auch Josef
Bayer, geboren zu Wien im Jahre 1804, gestorben daselbst im Jahre
1831. In den Aufnahmsacten der k. k. Akademie wird angegeben »aus
Wien, geboren 1805«, und zwar wäre derselbe am 15. April 1818
in die Lehranstalt eingetreten und bis inclusive Wintersemester des
Jahres 1826 Schüler derselben gewesen.
Die kaiserliche Gemälde-
Gallerie hat zwei Bilder von
diesem heute sehr wenig ge
kannten und in der Literatur
kaum erwähnten Wiener Maler,
und zwar Nr. 105 des Kata-
loges »Die Flucht nach Aegyp
ten«, bezeichnet in der Mitte
des Unterrandes »Jos. Bayer,
1830«, und Nr. 106 »Bildniss
eines Knaben mit blonden
Locken« (Brustbild), rechts im-
dunklen Grunde bezeichnet • «
»Jos. Bayer, 1829«. Das erst-
genannte Bild wurde auf der
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akademischenKunstausstellüng
vom Jahre 1830 über Aller-
höchste Genehmigung um ;den , . r •
Preis von 30 fl. C.-M., und das . • ,
letztere im Jahre 1832 eben- • , .
falls auf der akademischen
Ausstellung hier um den Be
trag von 180 fl. C.-M. ange-
kauft. Der Künstler ist leider
sehr jung gestorben, was ob
seines in der That bemerkenswerthen Talentes bedauerlich ist.
. • • * «- • '*■ • 1
Namentlich von Interesse ist das kleine Knabenbildniss, dessen
. • *
goldiger Ton und schöne Vortragsweise gerühmt zu werden ver
dient. Wären nicht diese beiden Zeugen seiner künstlerischen Thätig-
keit in der kaiserlichen Gemälde-Gallerie, ich glaube, man würde
von diesem Maler, wie schon von so Vielen dieser Wiener Kunst
epoche der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts, nichts mehr wissen.
Umso wichtiger erscheint es daher dem Verfasser, diejenigen
Wiener Künstler der langen Kaiser Franz und Ferdinandeischen
Friedensepoche, auch wenn ihre Namen weniger gekannt sind, thun-
lichst in der Sammlung der modernen Abtheilung der kaiserlichen
Gemälde-Gallerie zu vertreten, damit den Epigonen klar werde, was
diese stille Zeit an Meistern in der vaterländischen Kunst barg, und
wie diese bis in ihr innerstes Wesen ausgesehen hat. Es ist daher
nachgerade ein Unrecht, das an ihnen begangen wird, wenn manche
vermeintliche Kunstkenner an dieser älteren Wiener Kunst köpf-
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Porträt FRANZ STEINFELD.