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wölken umzogener Abendhimmel. Das war die Landschaft.
Sarg, getragen von Bauern in ihren ehrbar langen blauen Sonntags
röcken, umgeben von Collegen des Verblichenen, welche vom Abend
wind verlöschte Kerzen trugen, gefolgt von den meisten der be
deutendsten Künstler der Residenz, von den bekanntesten Kunst
freunden derselben: das war die stille Staffage. Es war Ignaz
Raffalt, dem seine Freunde die letzte Ehre erwiesen. Welchem
Künstler und Kunstfreunde der Monarchie ist der Name und sind
die ihn tragenden Werke unbekannt? Mit Raffalt starb eine der
dabei ein Damm, auf dem geistliche Novizen in ihren im Winde
flatternden Kleidern spazieren gehen, daneben die Wasserpfützen,
welche die Luft abspiegeln, darüber ein fast glatter grauer Himmel
oder aber auch einmal eine feine, tiefer eingesetzte Abendstimmung,
das sind die Motive, mit welchen sich Raffalt gleich den alten
Holländern befasst und begnügt hat. Gleich diesen aber verstand er
den Luftton wiederzugeben, die Localfarben der Gegenstände je nach
ihrer Entfernung abzutonen, kurz er deutet schon deutlich auf jene
sogenannten Valeurs in der Landschaftsmalerei hin, welche bald
darauf, namentlich bei einigen der hervorragendsten französischen
Landschaftsmaler eine so hohe Bedeutung gewannen.
Raffalt war bis in seine letzten Tage künstlerisch thätig und
erfreute sich auch der kräftigsten Gesundheit, bis er eines Tages,
es war etwa im
Beginne des Mo
natsjuni des Jah
res 1857 bei sei
nem Freunde,
dem Fleischhauer
Wimmer, wäh-
rend des Mittag
essens unwohl
wurde; ein leich
ter Schlaganfall
hatte ihn getrof
fen. Wie uns sein
Sohn Joseph
Raffalt hierüber
berichtete, soll
sich ein solcher
nach etwa vier
Wochen, und
zwar während er
beim Barbier war,
wiederholthaben.
Nun suchte der
Meister in der
würzigen erfri
schenden Waldluft von Hainbach bei Hadersdorf-Mariabrunn,
woselbst sein intimer Freund Herr von Im red i über Sommer
domicilirte, Erholung zu finden, jedoch leider vergebens, nach acht
Tagen wurde er hier zum dritten Male vom Schlage gerührt, und
zwar um 7 Uhr Morgens am 6. Juli 1857, welchem Anfalle der
Künstler erlag.
Es ist uns zufällig ein Artikel des »Fremdenblatt« über Ignaz
Raffalt’s Ableben in die Hand gekommen, den wir der Wärme
und des richtigen Urtheiles wegen, womit derselbe verfasst ist, hier
zum Schlüsse reproduciren wollen. Derselbe ist mit einem Dreieck (A)
gezeichnet und lautet: »Vorgestern, am 7. d. M., bewegte sich in
der Abendstunde durch die reizende Landschaft zwischen Hainbach
und Mariabrunn, feierlich und schweigend wie die stille Natur ringsum,
ein kleiner Leichenzug. Ueppiges Walddunkel, grüner Sammt der
Wiesen, goldene Saaten, zwischen Gebüschen versteckt Hütten und
freundliche Bauernhäuser, darüber ein heller, leicht von Regen
Ein
Specialitäten der Wiener Schule, ein fühlender, denkender, und man
der Stimmungslandschaft
kann sagen, in seinem Fache
deutender Künstler. Seine angeborene feine Empfindung für die Reize
der Natur, sein glücklicher, klarer und reiner Farbensinn, seine
be-
Kenntniss der al
ten Meister und
ihrer Werke, sein
Prüfen und Be
nützen neuerer
Fortschritte, er
heben viele sei
ner Werke zu
den Besten, das
die Kunst in
Oesterreich gelei
stet und zu Con-
currenten man
ches berühmten
ausländischen
Namens gemacht
hat. Raffalt war
ein freundlicher,
kluger und be-
scheidenerMann;
Künstler und
Kunstfreunde
verlieren an ihm
einen liebgewor
denen Freund,
dessen Rath und Urtheil in Kunstsachen mit Recht geachtet wurde.«
»Wie er gelebt und gewirkt, still, mit Bequemlichkeit fleissig,
ruhig und freundlich, so war sein frühes Ende, so sein letzter Weg
auf der Erde, mitten in der ruhigen, schönen, stillen Natur, die er
liebte und meisterlich wiederzugeben verstand. Hoch über seinem
Sarg und seinem ehrenvollen, reichen Geleite zogen die grauen
Regenwolken, die silbernen Luftphantome, die wir so reizend in
seinen Bildern finden, abwechselnd am blauen Aether vorüber —
und sein letzter Gang war sein Bild
schaft.«
IGNAZ RAFFALT. Abendlandschaft.
eine Raffalt’sche Land-
Auf dem Wege zwischen Hadersdorf und Mariabrunn ruhte
Ein kleiner Chor sang ein
der Zug unter mächtigen Linden aus.
Lied und geleitete die entseelte Hülle in die Kirche zu Mariabrunn.
An der Friedhofsmauer dieses Ortes, gewendet nach den Bergen
und Wäldern seines Heimatslandes, befindet sich das Grab des
Meisters.«