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auf die vaterländische Kunstentwicklung genommen, so lässt sich
im 19. Jahrhundert fast das Gegentheil behaupten, denn statt dass
Künstler einwanderten, griff namentlich unter den Malern die Aus
wanderungslust um sich, wozu, wie oben bereits angedeutet wurde,
theils die Unterrichtsverhält
nisse, theils der fast gänzliche
Mangel eines
sagen
überhaupt die Ursachen ab-
gaben. So ergriff auch Eduard
Jacob Steinle, ein Wiener
von Geburt, den Wanderstab,
um im damals sogenannten
»Reiche« die künstlerische Be-
thätigung zu finden, zu der er
in seiner Vaterstadt nicht ge
langen konnte. Auch er stu-
dirte anfänglich an der Wiener
Akademie*) und sah noch in
Füger sein Ideal. In der
strammen Zucht Maure r’s
lernte er tüchtig das sogenannte
Handwerk in der Kunst, auf
das heute eigentlich viel zu
wenig Gewicht gelegt wird. Denn wer in seiner Jugend nicht tüchtig
gelernt hat, der wird nie mit der nothwendigen Sicherheit denjenigen
Weg betreten können, der ihm in der Kunst doch erst bei der vollen
Reife seines Entwicklungsganges vollständig klar zu werden vermag.
Unter der Leitung Kupelwieser’s
fand sodann S tei nie schon gewissermassen
die Vorbereitung zu seinem künftigen Wege;
denn dieser hatte während seines Aufenthaltes
in Italien die Fäden der alten Kunst wieder
aufgenommen und sich von der bisher ge
pflogenen akademischen Weise gänzlich
losgesagt. Doch erst in Italien, wohin ihn sein
Vater, welcher, eingewandert aus Schwaben,
als geschickter Graveur in Wien einen
Namen hatte, im Jahre 1828 schickte, trat
Steinle ganz und gar unter den Einfluss der
strengen Richtung. In Rom von Overbeck
und Veith liebevoll aufgenommen, studirte
nun der junge Künstler in dem Bewusst
sein, wie viel er noch zu lernen habe, mit
wahrhaft rastlosem Eifer. 1829 folgte er
Overbeck nach Assisi, wobei er Umbrien
und Orvieto kennen lernte. Im Herbste nach
dafür aber entbehrt ihn noch die Handzeichnungssammlung des
kunsthistorischen Hofmuseums, woselbst bis jetzt nur zwei Madonnen-
Die vier Oelgemälde in
Zeichnungen Aufnahme gefunden haben,
der Galerie stellen dar: »Die Einwohner von Jerusalem sehen kurz
vor der Eroberung der Stadt
durch Antiochus IV. von Syrien
(Epiphanes) in feurigen Wolken
die Erscheinung einer Reiter
schlacht«, »Jacob undRahel«,
der kaiserlichen Galerie ge
widmet von Anton Ritter von
Ölzelt-Newin, »Jehovahschreibt
dem Moses die zehn Gebote
auf die steinernen Tafeln«, und
endlich das unendlich reizvolle
Bild »Der Gang Mariens über
das Gebirge«.
ich möchte
activen Kunstlebens
Führich istzuKratzau
in Böhmen den 9. Februar 1800
geboren, studirte in Prag und
Dresden und ging im Jahre 1826
über Wien nach Italien. Dort
arbeitete er in Rom mit Over
beck, Koch, Veith u. A. in
der Villa Massimi, sodann kehrte er 1829/30 nach Prag zurück. Wie
bereits oben bemerkt, wurde er 1834 als II. Custos der akademischen
Gemäldegalerie (gräfl. Lamberg’sche Sammlung) nach Wien berufen,
1842 zum Professor der Akademie ernannt und 1861 in den öster
reichischen Ritterstand erhoben, um endlich
1872 in den Ruhestand zu treten. Er starb
den 13. März 1876. Die grosse Anerkennung,
welche ihm von aller Welt, sowohl im In-
als im Auslande zutheil wurde, der tiefe,
nachhaltige Eindruck, welcher mit der im
Februar 1875 veranstalteten Führich-Aus
stellung erzielt wurde, legen das volle Zeug-
niss ab von der grossen Bedeutung und Volks
tümlichkeit dieses österreichischen Meisters.
Führich hat zwar zahlreiche Schüler ge
bildet, aber keiner erreichte ihn in seiner
Sphäre oder ist ihm an Bedeutung nur nahe
gekommen, woran aber weder er, noch seine
Schüler die Schuld tragen mochten, sondern
die Zeit und ihre Forderungen, welche den
Tendenzen Führich’s in ihrer Uebertragung
auf ein Epigonenthum nicht entgegen
gekommen sind. Die Meisten verblichen
daher gleichsam in stiller, einseitiger Ge-
legenheitsthätigkeit oder aber sie sahen sich gezwungen, andere
Pfade zu betreten, als die, welche ihnen von ihrem Meister gewiesen
werden konnten.
JOSEF Ritter von FÜHRICH. Jehova gibt Moses die zehn Gebote.
E. J. v. STEINLE. Selbstporträt,
Rom zurückgekehrt, zeichnete er einen Carton
für die Kirche Trinita de’ Monti, woselbst er in einer Capelle zwei
Fresken auszuführen hatte.
Der Tod seines Vaters rief ihn jedoch
inmitten der Arbeit nach Wien zurück, woselbst er die Angelegenheit
Hatte das Ein wandern von fremden Künstlern namentlich
im 17., sowie auch im vorigen Jahrhundert, besonders in der Glanz
periode der österreichischen Barocke, einen sehr wesentlichen Einfluss
*) Wir sehen Eduard Steinle am 12. April 1823 als Schüler der
Historienzeichnungsschule aufgenommen und ist derselbe im Wintersemester
1826/27 noch in den Schülerlisten der Akademie zu finden.