19
menschlichen Beziehungen haben ihm jederzeit die Herzen erschlossen
und seine Darstellungen werden einst das richtige Charakteristicum
einer Zeit sein, in der Geist und Gemüthstiefe höher galten, als
prunkende Aeusserlichkeit, in der die wirkliche Humanität das erste
Wort sprach und die reine Herzensgesinnung noch ihre volle
Geltung hatte.
modernsten Kunst, zu holten haben werden, liegt unserer Meinung
nach noch ganz und gar im dunklen Schoosse der Zukunft, also
der Entwicklung, auch wenn die neuesten Propheten derselben über
Bestand und Tragweite dieser Kunst schon vollkommen im Klaren
sein wollen.
Die Weltbewegung, welche das Jahr 1848 hervorgerufen hatte,
ist selbstverständlich auch nicht ohne sehr bedeutsamen Einfluss
auf die Entwicklung der Kunst in Österreich und speciell in Wien
geblieben. In dieser reformatorischen Zeit trat die alt und mürbe ge
wordene Akademie der bildenden Künste gänzlich aus ihren Fugen,
um jedoch rasch nachher in neuen zeitgemässen Institutionen und
Reformen ihr Wirken zu kräftigen und mit den Anschauungen und
Forderungen der unerbittlich vorwärtsschreitenden Zeit in Ein
klang zu bringen. Es hat sich daher mit der im Jahre 1852 voll
zogenen Reorganisation der k. k. Akademie der bildenden Künste
ein ganz neues Bild der vaterländischen Kunst aufgerollt.
Hat die kaiserliche Galerie auch kein Oelbild von Schwind
aufzuweisen,*) so ziert unsere Sammlung der Aquarelle und Hand
zeichnungen doch eine seiner grossartigsten Schöpfungen, man
kann wohl sagen: sein »Schwanengesang«, der Bilder-Cyclus »Die
schöne Melusine«, welcher mit Recht als die Verherrlichung der
ehelichen Liebe und des deutschen Familienlebens bezeichnet
wird.**) Aber noch ein zweites, bisher wenig bekanntes Werk weist
die Handzeichnungssammlung auf, nämlich einen Carton »Diana
mit ihren Gefährtinnen auf der Jagd«, welchen der Meister zu einem
1867 für das Palais des Baron Stieglitz in Petersburg angefertigten
Chemineebilde gezeichnet
hat und der für die kaiser
liche Sammlung durch den
königlichen Hofglasmaler in
München, Herrn Carl de
Bouche im Jahre 1889 ge
widmet worden ist.
Betrachten wir nun
diese drei grossen österrei
chischen Künstler Führich,
Steinle und Schwind, so
stehen sie in unserer vater
ländischen Kunstgeschichte
wie Monolithe da; Jeder,
der dieser Meister Werke
sieht und würdigt, muss sie
bewundern, auch wenn wir
heute schon in einer Zeit der
Kunstausübung leben, deren
Begriffe und Anschauungen
den damaligen geradezu diametral gegenüber stehen. Von den
Wegen, die jetzt, am Ende des Jahrhunderts, eingeschlagen werden,
hat sich wohl Keiner von den Dreien je was träumen lassen.
Sie sollen uns zu einer ganz neuen Welt der Anschauungen
führen; bis jetzt vermögen wir die Ziele kaum zu ahnen. Was wir
von dieser Wendung der Dinge in der jüngsten Zeit, also in der
Christian Rüben
war, empfohlen von seinem
Freunde und Gönner dem
Grafen Franz Thun, von
Prag nach Wien berufen
worden, um das Directorat
der Akademie zu über
nehmen. Von besonderer
Wichtigkeit für die fernere
Entwicklung waren aber die
mit dieser Reorganisation
erfolgten Berufungen einiger
hervorragender österreichi
scher Künstler. Denn vor
Allem galt es die Monu
mental-und Historienmalerei
auf eine Höhe zu bringen,
wie sich diese in anderen
Kunststädten bereits dar-
gethan hatte. Schon 1851
wurden daher die Historien- und Kirchenmaler Carl Bl aas und
Carl Mayer hiefür ausersehen, diesen folgten sodann 1856 Carl
Wurzinger, 1863 Carl Rahl und endlich 1865 Eduard von
Engerth. So sammelte sich in Wien mit den von früher her noch
activ wirkenden Meistern ein Contingent von Künstlern, unter denen
nicht nur hochbedeutende kirchliche, sondern auch hervorragende
Historienmaler waren, die sich in der Welt umgesehen und auch
an Wissen und Können was Rechtes heimgebracht hatten.-;)
CH. RÜBEN. Die Schlacht hei Lipan.
*) vSeine hervorragendsten Werke dieser Art sind in der gräflich
Schack’schen Galerie und in anderen Privat- und öffentlichen Sammlungen zu
linden.
*) Zu den Hauptthaten der reorganisirten Akademie und ihrer aus
übenden Künstler gehört wohl die Ausmalung der von Johann Georg Müller
erbauten und durch van der Nüll zu Ende geführten Altlerchenfelderkirche
durch Meister Führich und seine Genossen. Es waren an dem grossartigen
Werke, zu dem Führich die Herstellung des Bilder-Cyclus erdacht und wofür
er die Cartons zum Sanctuarium und Presbyterium selbst gezeichnet hatte, thätig:
Ed. von Engerth, Franz Dobiaschofsky, Jos. Binder, Carl von Blaas,
Leop. Kupelwieser, Carl Mayer, Josef Schön mann und Leopold Schulz.
Das zweite, kaum minder grossartige, monumentale Werk, das von van der
Nüll und Siccardsburg erbaute kaiserliche Opernhaus, erhielt ebenso fast
durchgehends seinen bildlichen Schmuck durch die Professoren der Akademie
und ihre begabtesten Schüler. Der Thätigkeit Sch wi n d's an diesem monumentalen
Werke ist bereits oben gedacht worden.
) Der Ankauf dieses letzten grossen, nach Vollendung seiner Male
reien in der Hofoper von Schwind unternommenen Werkes, erfolgte erst nach
dem Tode des Künstlers, im Jahre 1874, und zwar befand sich dasselbe in dem
gemeinsamen Besitze der Herren Paul Neff, Buchhändler in Stuttgart, als Haupt-
eigenthümer, und Heinrich Lotter, als Theilhaber, von welchen die Erwerbung
durch den damaligen Oberstkämmerer Excellenz Grafen von Crenneville mit
hiezu eingeholter »Allerhöchster Bewilligung« erfolgt ist. Die Besichtigung und
Prüfung auf die Echtheit des Schwind'schen Cyklus geschah im k. k. Belvedere
am 16. Juli 1874 durch die aus den Professoren Carl von Blaas, Christian
Griepenkerl, dem Director Ed. von Engerth und den Custoden W. A. Rieder
und Franz Eybl gebildete Beurtheilungs-Commission, wonach die Auszahlung
mit dem Betrage von 20.000 Thlrn. pr. C. erfolgte.
*1“