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er auch in dessen Casino fast allabendlich in behaglich collegialem
Verkehr mit den Künstlern ein paar Stunden zubrachte. —
Fast gleichzeitig, als Christian Rüben nach Wien berufen
ward, traten in den Höhepunkt ihres künstlerischen Schaffens
Eduard von Engerth und Carl Wurzinger, zwei nebeneinander
gehende Capacitäten der damals jüngeren Künstlergeneration, die
als Staatsstipendisten in Rom studirt und dort auch ihre unzweifel
haft hervorragendsten Bilder gemalt hatten. Der Erstere hatte sich
die Geschichte des unglücklichen Manfred auserkoren. Er wählte
daraus die Episode der Gefangennehmung der Kinder Manfred’s
und gestaltete seinen Stoff durch die Darstellung der lieblichen
ich möchte sagen
Wurzinger wählte den in seinen Folgen so bedeutsamen
Act aus der Regierungsgeschichte Ferdinand II., der aber auch als
ein ebenso bedeutsamer Moment in der Chronik Wiens zu gelten
vermag, die Scene zwischen dem Kaiser und den protestantischen
Ständen. Er fasste den historischen Vorgang mit einer unleugbar
dramatischen Gewalt, vielleicht sogar mit einem
etwas der Wahrheit abträglichen Pathos auf, freilich
damit eine Wirkung erzielend, die er vielleicht sonst
kaum erreicht haben würde. So kennzeichneten
sich schon durch die auseinander gehenden Auf
fassungen die beiden jungen Meister charakteristisch
in ihren Begabungen, doch beide mit gleichem Erfolge,
denn beide Künstler waren vollkommen Herr ihrer
gewählten Stoffe und standen sonach auf der Höhe
der modernen Geschichtsmalerei der damaligen Tage.*)
Eduard Ritter von Engerth hat,
wie nur wenige Künstler
seiner Epoche, nicht nur durch Talent und Fleiss sein künstlerisches
Wirken zu einem fruchtbaren gestaltet, sondern sich auch durch
Thatkraft und Willensenergie vielfach auf anderen Gebieten hervor-
gethan. Zu Pless in Preussisch-Schlesien den 13. Mai 1818 geboren,
in welcher Stadt sein Vater als Maler wirkte, kam er in früher
Jugend nach Oesterreich. Hier wurde er erzogen, hier besuchte er
die Schule. Seine massgebenden Kunststudien machte er an der
k. k. Akademie der bildenden Künste in Wien.*) Tüchtige Lehrer
waren ihm Führich und Kupelwieser, welch’ Letzterer den jungen
Maler bei seinen grösseren Arbeiten als eine werthvolle Hilfskraft bei
zuziehen pflegte, wobei auch Engerth seine erste Bethätigung in
der später von ihm so erfolgreich ausgeübten Frescomalerei fand.
Im Alter von 26 Jahren stehend, erhielt er auf das Bild: »Josefs
Traumdeutung«**) die goldene Staatsmedaille, und im Jahre 1846
wurde ihm die Ehre zu Theil, im Aufträge des Erzherzogs Carl
ein Bild zu malen, welches die Kaiserkrönung Rudolfs von Habsburg
darzustellen hatte. Im folgenden Jahre begab sich
Engerth als kaiserlicher Pensionär nach Italien. Er
verweilte daselbst durch volle sechs Jahre, hatte im
kunstsinnigen Hause Zuccari Zutritt und kam auch
mit dem im Hause Massini wohnenden Meister
Cornelius, der einen auserlesenen Kreis von Künst
lern um sich versammelte, in nahe Beziehung. Von
Haus aus veranlagt, gelangte Engerth durch das
Studium der alten Meister sowohl als der Natur, sowie
durch die allgemeine Bildung, die er sich zu er
werben verstand, bald zu jener Höhe des künstle
rischen Könnens, von welchem schon sein zu dieser
Zeit gemaltes Bild: »Eine Episode aus der Sintfluth«
Zeugniss gibt, und welches sich auch alsbald in dem
in derZeit von 1851 bis 1853 gemalten, bereits oben
genannten Bilde: »Die Gefangennehmung der Kinder Manfred’s durch
die Reiter von Carl von Anjou (22. Februar 1266)« glänzend docu-
mentirte.***) Mit diesem Manfredbilde war auch der Ruf des Künstlers
versöhnend aus.
Kleinen reizvoll und
*) Es ist seither bei uns in Oesterreich, mit Ausnahme
Matejko’s, der mit seinem Bilde: »Der Reichstag zu War
schau 1773« schliesslich über Alle weg den Lorbeer pflückte,
daher auch in Paris 1867 so grossen Erfolg erzielte, leider recht still
auf dem Gebiete der Historienmalerei geworden. Matej ko, welcher
in edler, nationaler Begeisterung für sein Vaterland unentwegt die
Geschichte
SphhiinmreKeiner.'SchluimmTfl du
Buden unsre Seelen Ruh!
ED. v. ENGERTH.
Amor.
in Farben schrieb, womit er überzeugender und
belehrender auf das Volk wirkte, als Hunderte von Büchern es zu leisten im Stande
sind, dürfte wohl als der letzte Historienmaler in Oesterreich betrachtet werden.
Und wahrlich, sieht man sich an Sonn- und Feiertagen die Menge an, welche die
kaiserliche Galerie im kunsthistorischen Hofmuseum besucht und sich vornehmlich
bei den Historien- und Schlachtenbildern der modernen Schule auf hält, so findet man,
dass das Volk instinctiv nach der Geschichte und* besonders nach der eigenen fragt,
und sichtlich gerne vom Bilde erschaute, was der Hochgebildete aus den Büchern zu
lernen vermag. Allein von diesem Gesichtspunkte ausgehend, ist es bedauerlich,
dass bei uns -
mehr existirt.
wenigstens sicher nicht ihnen allein, sondern vor Allem muss die Historien
malerei, sei’s vom Staate, sei’s von Corporationen, oder sei’s von kunstsinnigen
Persönlichkeiten, gepflegt werden, mit einem Worte, zum Malen von umfang
reichen historischen Gemälden gehören sichere Aufträge, denn nur selten ist
der Künstler in den günstigen Lebensverhältnissen, Jahre lang an einem Werke
zu schaffen, um dann erst, wenn er damit fertig ist, einen zufälligen Käufer —
abzuwarten. Dass keine Geschichtsbilder mehr, namentlich aus der so glorreichen
vaterländischen Geschichte, gemalt werden, ist schon oft genug anlässlich der
Ausstellungsberichte in den Zeitungen beklagt worden, und wenn man seit
etlichen Jahren darüber schweigt, so geschah es wohl nur, weil es ja doch nichts
geholfen hat. Wir sehen daher auch auf den Ausstellungen, dass die berufensten
Historienmaler Porträte malen, und die jungen, aufkeimenden Talente in Freilicht
malereien und in allerlei Modeversuchen experimentiren, um unfruchtbar Jugend
und mühevoll Erlerntes in lockeren, ungesunden Darstellungen gleichsam zu
vergeuden. Das aber würde nimmer geschehen, wenn die Mittel zu einer tüchtigen
Führung in dem, was gemalt zu werden verdient, bestünden. Denn ich bin
überzeugt, dass die sich mit kleinlichem Ausstellungskram zersplitternden Künstler
ebenso zu ernsten und umfassenden Arbeiten geneigt und befähigt wären; sahen
wir dies doch so glänzend bei unserem Julius Berger bewahrheitet, der mit der
ersten grossen Aufgabe, die ihm mit der Herstellung des Deckengemäldes im
sogenannten Goldsaale unseres kunsthistorischen Hofmuseums zu Theil wurde,
sofort eine der glänzendsten Leistungen in der Kunst der Gegenwart vollbrachte.
*) Engerth trat im December des Jahres 1837 l n die Akademie ein. Wie
aus den Acten der Lehranstalt ersehen werden konnte, erhielt er daselbst 1840
den Lampi’schen Modellpreis und den Gundelreben Preis, mit welchem letzteren
er auch im folgenden Jahre ausgezeichnet wurde. Nach authentischen Mittheilungen
soll er während seiner Studienzeit jedoch alle damals bestehenden Schülerpreise
erhalten haben. Die ersten Historienbilder, welche er malte, stellen dar: »Haman
und Esther«, »Ladislaus und Akus«; Wie fleissig der junge Künstler war und
wie er sich thatkräftig die Mittel zum Leben und Studium schuf, geht daraus
hervor, dass er jeden Morgen, ehe er zur Kunstschule ging, schon an Land
schaften und kleineren Genrebildern arbeitete, um für deren Erlös die nöthigen
Subsistenzmittel zu beschaffen.
**) Dieses Bild befindet sich im Besitze des Allerhöchsten Kaiserhauses.
***) Nicht blos Engerth mochte sich durch Lord Byron’s dramatisches
Gedicht »Manfred«, das damals die Welt durchlief, angeregt gefühlt haben, seinen
Stoff für ein grösseres Historienbild aus der Geschichte dieses unglücklichen
Helden zu wählen, denn auch Carl Rahl begeisterte sich schon hiefür, indem
er 1838 das Bild: »Carl von Anjou bei der Leiche des in der Schlacht von
Benevento gefallenen Manfred« und 1846 den Empfang Manfred’s in Luceria
malte, welch’ beide Bilder in den Besitz des Allerhöchsten Kaiserhauses gelangten.
Es dürfte aber an dieser Stelle auch nicht ohne Interesse sein, das kritische
Urtheil des Altmeisters Cornelius über das Bild Engerth’s zu vernehmen,
welches gelautet haben soll: »Die Composition sei gut, sie entwickle dramatische
Gewalt und echtes Pathos.« »Die Darstellung wäre ergreifend, aber die Malerei —
schlecht.« »Viel zu viel Naturalistik und Glanz der Farbe schade dem Ernste
und der guten Zeichnung, die unter dem Drucke dieser realistischen Aeusserlich-
keiten nicht zur Geltung kämen.« Der damals ganz kolossale Erfolg, den
seit mehreren Decennien keine Geschichtsmalerei
man kann sagen
Das kann man wahrlich nicht den Malern zum Vorwurf machen,