Full text: Moderne Meister (Band 3, 1897)

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er auch in dessen Casino fast allabendlich in behaglich collegialem 
Verkehr mit den Künstlern ein paar Stunden zubrachte. — 
Fast gleichzeitig, als Christian Rüben nach Wien berufen 
ward, traten in den Höhepunkt ihres künstlerischen Schaffens 
Eduard von Engerth und Carl Wurzinger, zwei nebeneinander 
gehende Capacitäten der damals jüngeren Künstlergeneration, die 
als Staatsstipendisten in Rom studirt und dort auch ihre unzweifel 
haft hervorragendsten Bilder gemalt hatten. Der Erstere hatte sich 
die Geschichte des unglücklichen Manfred auserkoren. Er wählte 
daraus die Episode der Gefangennehmung der Kinder Manfred’s 
und gestaltete seinen Stoff durch die Darstellung der lieblichen 
ich möchte sagen 
Wurzinger wählte den in seinen Folgen so bedeutsamen 
Act aus der Regierungsgeschichte Ferdinand II., der aber auch als 
ein ebenso bedeutsamer Moment in der Chronik Wiens zu gelten 
vermag, die Scene zwischen dem Kaiser und den protestantischen 
Ständen. Er fasste den historischen Vorgang mit einer unleugbar 
dramatischen Gewalt, vielleicht sogar mit einem 
etwas der Wahrheit abträglichen Pathos auf, freilich 
damit eine Wirkung erzielend, die er vielleicht sonst 
kaum erreicht haben würde. So kennzeichneten 
sich schon durch die auseinander gehenden Auf 
fassungen die beiden jungen Meister charakteristisch 
in ihren Begabungen, doch beide mit gleichem Erfolge, 
denn beide Künstler waren vollkommen Herr ihrer 
gewählten Stoffe und standen sonach auf der Höhe 
der modernen Geschichtsmalerei der damaligen Tage.*) 
Eduard Ritter von Engerth hat, 
wie nur wenige Künstler 
seiner Epoche, nicht nur durch Talent und Fleiss sein künstlerisches 
Wirken zu einem fruchtbaren gestaltet, sondern sich auch durch 
Thatkraft und Willensenergie vielfach auf anderen Gebieten hervor- 
gethan. Zu Pless in Preussisch-Schlesien den 13. Mai 1818 geboren, 
in welcher Stadt sein Vater als Maler wirkte, kam er in früher 
Jugend nach Oesterreich. Hier wurde er erzogen, hier besuchte er 
die Schule. Seine massgebenden Kunststudien machte er an der 
k. k. Akademie der bildenden Künste in Wien.*) Tüchtige Lehrer 
waren ihm Führich und Kupelwieser, welch’ Letzterer den jungen 
Maler bei seinen grösseren Arbeiten als eine werthvolle Hilfskraft bei 
zuziehen pflegte, wobei auch Engerth seine erste Bethätigung in 
der später von ihm so erfolgreich ausgeübten Frescomalerei fand. 
Im Alter von 26 Jahren stehend, erhielt er auf das Bild: »Josefs 
Traumdeutung«**) die goldene Staatsmedaille, und im Jahre 1846 
wurde ihm die Ehre zu Theil, im Aufträge des Erzherzogs Carl 
ein Bild zu malen, welches die Kaiserkrönung Rudolfs von Habsburg 
darzustellen hatte. Im folgenden Jahre begab sich 
Engerth als kaiserlicher Pensionär nach Italien. Er 
verweilte daselbst durch volle sechs Jahre, hatte im 
kunstsinnigen Hause Zuccari Zutritt und kam auch 
mit dem im Hause Massini wohnenden Meister 
Cornelius, der einen auserlesenen Kreis von Künst 
lern um sich versammelte, in nahe Beziehung. Von 
Haus aus veranlagt, gelangte Engerth durch das 
Studium der alten Meister sowohl als der Natur, sowie 
durch die allgemeine Bildung, die er sich zu er 
werben verstand, bald zu jener Höhe des künstle 
rischen Könnens, von welchem schon sein zu dieser 
Zeit gemaltes Bild: »Eine Episode aus der Sintfluth« 
Zeugniss gibt, und welches sich auch alsbald in dem 
in derZeit von 1851 bis 1853 gemalten, bereits oben 
genannten Bilde: »Die Gefangennehmung der Kinder Manfred’s durch 
die Reiter von Carl von Anjou (22. Februar 1266)« glänzend docu- 
mentirte.***) Mit diesem Manfredbilde war auch der Ruf des Künstlers 
versöhnend aus. 
Kleinen reizvoll und 
*) Es ist seither bei uns in Oesterreich, mit Ausnahme 
Matejko’s, der mit seinem Bilde: »Der Reichstag zu War 
schau 1773« schliesslich über Alle weg den Lorbeer pflückte, 
daher auch in Paris 1867 so grossen Erfolg erzielte, leider recht still 
auf dem Gebiete der Historienmalerei geworden. Matej ko, welcher 
in edler, nationaler Begeisterung für sein Vaterland unentwegt die 
Geschichte 
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Buden unsre Seelen Ruh! 
ED. v. ENGERTH. 
Amor. 
in Farben schrieb, womit er überzeugender und 
belehrender auf das Volk wirkte, als Hunderte von Büchern es zu leisten im Stande 
sind, dürfte wohl als der letzte Historienmaler in Oesterreich betrachtet werden. 
Und wahrlich, sieht man sich an Sonn- und Feiertagen die Menge an, welche die 
kaiserliche Galerie im kunsthistorischen Hofmuseum besucht und sich vornehmlich 
bei den Historien- und Schlachtenbildern der modernen Schule auf hält, so findet man, 
dass das Volk instinctiv nach der Geschichte und* besonders nach der eigenen fragt, 
und sichtlich gerne vom Bilde erschaute, was der Hochgebildete aus den Büchern zu 
lernen vermag. Allein von diesem Gesichtspunkte ausgehend, ist es bedauerlich, 
dass bei uns - 
mehr existirt. 
wenigstens sicher nicht ihnen allein, sondern vor Allem muss die Historien 
malerei, sei’s vom Staate, sei’s von Corporationen, oder sei’s von kunstsinnigen 
Persönlichkeiten, gepflegt werden, mit einem Worte, zum Malen von umfang 
reichen historischen Gemälden gehören sichere Aufträge, denn nur selten ist 
der Künstler in den günstigen Lebensverhältnissen, Jahre lang an einem Werke 
zu schaffen, um dann erst, wenn er damit fertig ist, einen zufälligen Käufer — 
abzuwarten. Dass keine Geschichtsbilder mehr, namentlich aus der so glorreichen 
vaterländischen Geschichte, gemalt werden, ist schon oft genug anlässlich der 
Ausstellungsberichte in den Zeitungen beklagt worden, und wenn man seit 
etlichen Jahren darüber schweigt, so geschah es wohl nur, weil es ja doch nichts 
geholfen hat. Wir sehen daher auch auf den Ausstellungen, dass die berufensten 
Historienmaler Porträte malen, und die jungen, aufkeimenden Talente in Freilicht 
malereien und in allerlei Modeversuchen experimentiren, um unfruchtbar Jugend 
und mühevoll Erlerntes in lockeren, ungesunden Darstellungen gleichsam zu 
vergeuden. Das aber würde nimmer geschehen, wenn die Mittel zu einer tüchtigen 
Führung in dem, was gemalt zu werden verdient, bestünden. Denn ich bin 
überzeugt, dass die sich mit kleinlichem Ausstellungskram zersplitternden Künstler 
ebenso zu ernsten und umfassenden Arbeiten geneigt und befähigt wären; sahen 
wir dies doch so glänzend bei unserem Julius Berger bewahrheitet, der mit der 
ersten grossen Aufgabe, die ihm mit der Herstellung des Deckengemäldes im 
sogenannten Goldsaale unseres kunsthistorischen Hofmuseums zu Theil wurde, 
sofort eine der glänzendsten Leistungen in der Kunst der Gegenwart vollbrachte. 
*) Engerth trat im December des Jahres 1837 l n die Akademie ein. Wie 
aus den Acten der Lehranstalt ersehen werden konnte, erhielt er daselbst 1840 
den Lampi’schen Modellpreis und den Gundelreben Preis, mit welchem letzteren 
er auch im folgenden Jahre ausgezeichnet wurde. Nach authentischen Mittheilungen 
soll er während seiner Studienzeit jedoch alle damals bestehenden Schülerpreise 
erhalten haben. Die ersten Historienbilder, welche er malte, stellen dar: »Haman 
und Esther«, »Ladislaus und Akus«; Wie fleissig der junge Künstler war und 
wie er sich thatkräftig die Mittel zum Leben und Studium schuf, geht daraus 
hervor, dass er jeden Morgen, ehe er zur Kunstschule ging, schon an Land 
schaften und kleineren Genrebildern arbeitete, um für deren Erlös die nöthigen 
Subsistenzmittel zu beschaffen. 
**) Dieses Bild befindet sich im Besitze des Allerhöchsten Kaiserhauses. 
***) Nicht blos Engerth mochte sich durch Lord Byron’s dramatisches 
Gedicht »Manfred«, das damals die Welt durchlief, angeregt gefühlt haben, seinen 
Stoff für ein grösseres Historienbild aus der Geschichte dieses unglücklichen 
Helden zu wählen, denn auch Carl Rahl begeisterte sich schon hiefür, indem 
er 1838 das Bild: »Carl von Anjou bei der Leiche des in der Schlacht von 
Benevento gefallenen Manfred« und 1846 den Empfang Manfred’s in Luceria 
malte, welch’ beide Bilder in den Besitz des Allerhöchsten Kaiserhauses gelangten. 
Es dürfte aber an dieser Stelle auch nicht ohne Interesse sein, das kritische 
Urtheil des Altmeisters Cornelius über das Bild Engerth’s zu vernehmen, 
welches gelautet haben soll: »Die Composition sei gut, sie entwickle dramatische 
Gewalt und echtes Pathos.« »Die Darstellung wäre ergreifend, aber die Malerei — 
schlecht.« »Viel zu viel Naturalistik und Glanz der Farbe schade dem Ernste 
und der guten Zeichnung, die unter dem Drucke dieser realistischen Aeusserlich- 
keiten nicht zur Geltung kämen.« Der damals ganz kolossale Erfolg, den 
seit mehreren Decennien keine Geschichtsmalerei 
man kann sagen 
Das kann man wahrlich nicht den Malern zum Vorwurf machen,
	        
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