Die Genre- und Schlachtenmalerei nahm ebenso ihre ganz
neuen Wege, sie baute, wo es nur möglich war, auf Wahrheit und
Wissen auf. Fach um Fach nahm diese neuen Anschauungen zueigen
und es dauerte kaum vier Decennien, so war eine neue Kunst
erstanden, ganz anders geartet und doch ebenso ästhetisch berechtigt
und überzeugend, wie es die wahre Kunst aller Zeiten gewesen ist.
Wir, die wir nun so nahe dem Ende unseres Jahrhunderts
stehen, blicken freilich auf die Zeit der eben dargethanen Kunst
bewegung wie auf längst antiquirte Dinge zurück, und Manches aus
der Zeit der Kindheit unseres Jahrhunderts belächeln wir heute, ja
aus den Galerien,
So wie heute, da man bestrebt ist, in der Kunst der
Natur möglichst nahe zu kommen und, nebenbei bemerkt, homogen
der drängenden Bewegung unserer Zeit, in dem Bestreben nach
Wahrheit wohl hie und da auf Kosten der Schönheit zu weit geht
und gleichsam von einem Extrem ins andere fällt, so war es auch
damals vor Allem das Naturgefühl, das die künstlerischen Bestrebungen
intuitiv in neue Bahnen lenkte, auf denen es gelang, des Her
kömmlichen los zu werden, um im Zusammenfliessen von Wahrheit
und künstlerischer Empfindung der Zeit, in der man lebte, bildgerecht
Man darf sagen, dass mit Friedrich Heinrich Füger
und den ihn umgebenden Meistern die letzten herüberschimmernden
Lichter am Kunsthimmel des 18. Jahrhunderts erloschen sind. Die
einst sich so gewaltig geberdenden Akademiker waren in ein weich
liches Wesen versunken, sie entnervten ihre Kunst in dem zu weit
gehenden Bestreben nach idealer Schönheit, sie verloren das Gefühl
für Wahrheit und Natur und in den ihnen nachfolgenden jungen,
emporkeimenden Talenten ent
wickelten sich neue Triebe,
welche die akademischen Fes
seln durchbrachen, um frei vom
Banne zünftigen Geistes ihrer
Kunstausübung zu folgen. So
wich allmählich Einer um den
Andern von dem falschen Pfade
einer nur eingebildeten Tugend
ab und wandte sein Antlitz dem
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zu werden.
wir entfernen es
um es in Depots, in diese Unterwelt der Bilder, auf ewig einzu
kerkern. Doch es bleibt ein tröstliches Gefühl für diese Verbannten
in uns und dieses besteht in der Ueberzeugung, das auch sie ihre
Schuldigkeit gethan haben und wären sie auch nichts weiter gewesen,
als die geschlechtslosen Arbeitsbienen, welche den Honigkorb zu
füllen geholfen hatten.
Mit der zweiten Hälfte
unseres Jahrhunderts haben
sich freilich rasch genug neue
Wendungen auf dem Gebiete
der Kunst dargethan. Die durch
mehr als 30 Jahre waltende
politische Ruhe wich einer
mächtig bewegten Zeit. Immer
reifer wurden die Anschau
ungen, geklärter gestalteten sich
die geistigen Intentionen und
stets vertiefter traten die Ge-
vielleicht recht undankbar
schöpferischen Geiste der Natur
zu, unbeengt und frei hinaus
blickend in die weite Welt,
wie sie Gott so ganz anders
geschaffen hat.
müthsaffectionen hervor, von
denen ein Kunstwerk erfüllt
sein sollte. Schüchternheit und
ängstliches Gebahren wichen
der freien Entwickelung von
Stoff und Gedanken; das Ideale neigte immer mehr zur Wahrheit
und die höchste Bravour in der Technik modernen Sinnes paarte
sich mit nicht selten philosophischer Vertiefung,
aber auch das Gewöhnliche nicht mehr. Ein Neues drängt das
andere, es entsteht ein Suchen und Haschen um den Preis dra
stischer Wirkung, flieht aber auch oft genug die Schönheit, und ab
und zu stehen wir schier betroffen vor Schöpfungen, mit welchen
eine Kunstbewegung heraufbeschworen erscheint, die, um in lockerem
Kunstgefüge nur Seltsames zu schaffen, in ihren Motiven sogar das
Niedrige, ja selbst Gemeine nicht scheut. Es ist der rüde Naturalismus
in seine Rechte getreten und die Göttin der ewigen Schönheit verhüllt
ihr Antlitz.*) Noch ist die Zeit des objectiven Urtheils nicht gekommen.
Die Bewegung that
sich zugleich auf allen Kunst
gebieten kund. Die kirchliche
Malerei suchte in der vornehmen Renaissance wieder ihre Vorbilder,
indem sie den Classicismus abwarf und unter dem Einflüsse eines
gewissermassen elegischen Geistes und schlichter Naturanschauung
die Wahrheit der Darstellung mit religiöser Vertiefung zu verbinden
sich bestrebte. So erhob sich die junge Künstlergeneration der
Nazarener, Meister Overbeck an der Spitze, welche in festgeschlossener
Phalanx den Kampf gegen die Anhänger des Classicismus aufnahm,
und so standen auf dem Gebiete der weltlichen und profanen Kunst
die Männer der Reihe nach auf, um als Vorkämpfer für die nach-
herigen Überzeugungen des 19. Jahrhunderts die I ? undamente zu
schaffen. Auf dem Gebiete der Historienmalerei, welche bislang nur
auf dem Kothurne antikisirenden und allegorisirenden Geistes stand,
suchte man der historischen Wahrheit gerecht zu werden, zuerst
wohl nur in heute recht kindlich erscheinenden Anfängen, aber bald
traten Meister auf, die das Studium der Geschichte ernst nahmen,
die sich nach den richtigen Behelfen umzusehen verstanden, und
sonach die Schöpfer einer Kunst wurden, von welcher die Alten
nichts wussten und auf deren gesunder Basis, wenn auch bei weit
höherer Entwickelung, wir heute noch stehen und vorwärts schaffen.
F. H. FÜGER. Die heil. Magdalena.
Allmählich wirkt
) Wir sehen es als eine erfreuliche Thatsache an, dass nicht nur die
hier schaffenden, sondern die Meisten im Auslande lebenden österreichischen
Künstler nicht »in den tollen Scherz« mit einstimmen, welcher mitunter als die
dermalen wahre Kunst hingestellt wird und es darf uns daher nur mit Befriedigung
erfüllen, wenn man den österreichischen Künstlern auf der vorjährigen Ausstellung
in München nachgesagt haben soll, sie wären in ihrer Entwickelungsphase zurück
geblieben, weil sich in ihrer thatsächlich allgemein anerkannten und belebten
Abtheilung wenig oder besser gar nichts von der Kunstart sehen Hess, die der
malen, freilich nur von den Ausübenden selbst, so sehr beliebt wird.
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