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Von dem Menschen Laufberger zu reden, ist wohl Jedem
eine Freude, der ihn gekannt hat. Er war Mann von kerniger, fester
Gesinnung, der stets den Muth hatte, die Wahrheit zu sagen, der
seine Urtheile in Kunstfragen mit einschneidender Strenge, aber nie
ohne eingehende, wohldurchdachte Motivirung abgab, weil er über
haupt nichts leicht nahm, sondern überall mit vollem Ernst durch
führte, was zu thun er sich vorgesetzt hatte. Sein starker Wille Hess
ihn vor keiner Aufgabe zurückschrecken, und was er versprach, darin
war er verlässlich. So auch war er ein treuer Freund und unschätz
barer Berather. Bei einem solchen Mann erscheint es wohl selbst
verständlich, dass er auch ein ausgezeichneter Familienvater war.
Laufberger stand seit Jahren mit dem Oberbaurathe Baron von
Ferstl und seiner Familie in den freundschaftlichsten Beziehungen,
er lernte auch im Hause desselben Fräulein Charlotte von Fischer,
Tochter des Sectionsrathes von Fischer, kennen, mit welcher er
seit 1870 in glücklichster Ehe lebte. Der Tod ereilte unseren Meister
im besten Mannesalter und im Zenith seines künstlerischen Wirkens;
er erlag einer Kehlkopfkrankheit im Alter von 52 Jahren den 16. Juli
1881, um 12 Uhr Mittags, eine trauernde Witwe mit drei unmündigen
Kindern hinterlassend, welche sein Stolz und seine Freude waren.
Laufberger war Ritter des k. k. österreichischen Franz Joseph-
Ordens, Professor an der Kunstgewerbeschule des k. k. österreichi
schen Museums, Mitglied der k. k. Akademie der bildenden Künste
und der k. k. Centralcommission für Kunst und historische Denk-
.
male u. s. w.
Anlässlich der im Künstlerhause im Frühjahr 1882 veran
stalteten Nachlassausstellung konnte man einen umfassenden Ge-
sammtblick auf die künstlerische Thätigkeit Laufberger’s gewinnen.
Die ausgestellten Skizzen, Studien, Bilder, Cartons, Aquarelle und
Zeichnungen umfassten alle Kunstgebiete, auf denen er thätig ge
wesen, und überall finden wir das gleiche energische Bemühen nach
Vollendung und Formenschönheit. Ganz mit Unrecht hat man ihm
Mangel an Colorit vorgeworfen. Beispielsweise erwähnt,
Studien, welche römische Kircheninterieurs mit den geistlichen Staf
fagen behandeln, waren geradezu meisterhaft in der Farbe, wie auch
so manche seiner Arbeiten, die eben im Colorit ihre Hauptstärke
haben sollten. Charakteristisch und stimmungsvoll wusste er auch
die Landschaft zu behandeln, wie wir dies auf dem in der Aquarell-
und Handzeichnungssammlung des Allerhöchsten Kaiserhauses be
findlichen so reizvoll und charakteristisch durchgeführten Bilde
»Eine Scene im Prater« zu ersehen im Stande sind. Aber wahrhaft
trefflich verstand Laufberger das Wiener Volksleben zu charakte-
risiren. Aus seiner bekannten Zeichnung »Der Einzug der Maria
zeller Wallfahrer«, wie aus vielen anderen seiner in dieser Richtung
ganz einzigen Blätter erkennen wir den feinen Beobachter typischer
Volkserscheinungen. Hier möchte ich auch an seine Originalradirung
aus dem »Künstlerfacsimile« erinnern, welche eine Gruppe von Bauern
aus der Ramsau bei Berchtesgaden mit köstlichem Humor darstellt.
Während Laufberger in seinem Kunstschaffen stets einen
ausgesprochenen Ernst und gediegene Tüchtigkeit an den Tag legte,
konnte er im fröhlichen Kreise seiner Genossen heiter und witzig
sein. Viele seiner Zeitgenossen denken noch mit grossem Ver
gnügen an die kleinen im engsten Künstlerkreise beim ehemaligen
»blauen Strauss« abgehaltenen Feste zurück, wo Laufberger nie
verfehlte, das Trefflichste und Geistreichste an Satiren und Carica-
turen zu bringen. War er schon deshalb eine gerne gesehene Per
sönlichkeit unter den Künstlern, so war er um so beliebter durch
sein gerades, ehrliches Wesen, das keine Winkelzüge kannte.
Wollte man ein offenes Wort, ein eingehendes Urtheil über die
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Arbeit hören, die man unter den Händen hatte, so durfte man es
nur Laufberger sagen, der dann kam und, wenn es Noth that,
sich geradezu vernichtend, aber immer gerecht äusserte. Das konnte
man productive Kritik nennen, denn jedes Wort, das er aussprach,
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vermochte er auch zu begründen. Und deshalb musste er schon als
einer der Besten unter den Collegen bezeichnet werden, und ob
dieser Fähigkeit, seine Ansichten klar und anschaulich in Worte zu
fassen, war er auch, wie bereits erwähnt, einer der allerbesten Lehrer.
Mit dem Tode Laufberger’s erwuchs dem Kunstleben Wiens ein
mannigfacher Verlust, und mit wahrhafter Trauer im Herzen be
gleitete ihn die Schaar seiner getreuen Kunstgenossen und Freunde
zum frühen Grabe.
Durch seinen typisch nationalen Charakter steht wohl ganz
einzig in Art und Wesen das grosse Historienbild von Jan Matejko
»Der Reichstag zu Warschau im Jahre 1773« unter den übrigen
Historienbildern der kaiserlichen Gemäldegalerie da. Dieses mit der
ganzen jugendlichen Leidenschaft erfasste Werk, mit welchem der
polnische Maler in kühnem Sprunge zur vollen Höhe seiner
künstlerischen Entwicklung gelangte, begründete bei seiner Aus
stellung in Paris im Jahre 1867 auch sofort seinen internationalen
Ruf. Es stellt bekanntlich eine Scene jenes denkwürdigen Reichs
tages dar, in welchem die von Russland gewonnenen Adeligen die
Auflösung desselben votiren, welchem Beschlüsse sich der Land
bote Reytan durch sein »Veto« widersetzt. Er ist vor Schmerz über
das Unglück, welches sein Vaterland bedroht, mit entblösster Brust
am Ausgange des Saales zu Boden gesunken, während der Reichs
tagsmarschall Poninski seine Verhaftung befiehlt. Der Saal ist mit
den erregt debattirenden Landboten gefüllt. Der König hat den
Thron verlassen. Ein wirres Gemenge von Menschen erfüllt den
Raum und auf jedem Antlitz erblicken wir die höchste Erregung.
Nur ein junger, vornehmer Adeliger von fast mädchenhafter Erschei-
den Blick beschämt auf den Boden heftend, steht ruhig und
nachdenklich neben dem in ein scharlachrothes Gewand gekleideten
Poninski, der mit gebieterischer Geberde nach den vor der halb
geöffneten Thür aufgestellten Soldaten zeigt.
Jan Matejko ist zu Krakau den 30. Juli 1838 geboren. Sein
Vater war Musiker und gehörte einem alten, in Krakau sesshaften
Bürgergeschlechte an.*) Von 1851 an studirte er an der Malerschule
Krakau zuerst unter Adalbert Sztattler, sodann begab er sich
unter die Leitung von Wladislaw Luszczkiewicz, um, nach
dem er im Jahre 1858 ein Stipendium mit einem Jahresbetrage von
Gulden erhalten hatte, nach München zu gehen, wo er
seine
nung,
zu
wie
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*) Dr. Jos. Szujski schreibt in seinem 1882 erschienenen Buche »Polnische
Kunst«: »Czeche von Stamm, ist Matejko ein Kind und Zögling Krakaus; in
Wien und München hat er nur kurze Zeit studirt. Seine dem Auslande wenig
zugänglichen und doch mit anerkannter imponirender Naturkraft gemalten Com-
positionen sind Resultate eines emsigen archäologischen Studiums, welchem er
als armer und unbekannter Jüngling in Krakau nachgegangen, eines Studiums,
welches ihm die ausserordentliche Fülle der Details und Originalität seiner Ge
stalten sichert.«