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angenommen wird
Studien fortsetzte. 1860 frequentirte er durch zwei Monate die Wiener
Akademie, vielleicht nur als Gast, weil er nach den vom Verfasser
gepflogenen Erhebungen in den Schülerlisten dieser Kunstanstalt nicht
eingetragen erscheint. Sicher ist, dass sich der junge Künstler in
die hier herrschenden akademischen Verhältnisse nicht finden konnte,
denn er kehrte bald nach Krakau zurück, um in seiner Vaterstadt
der weiteren künstlerischen Thätigkeit zu obliegen. Diese bestand
damals vornehmlich in der Herstellung eines Trachtenwerkes des
polnischen Volkes von den Jahren 1222 bis 1795, welches er nach
Quellenstudien ganz selbstständig in elf Tafeln unter dem Titel
»Ubiory w Polsce« ausführte, und welches Werk ihm sogar bei
seinen späteren Bildern noch von grossem Nutzen wurde. Im Jahre
1864 vermählte sich Jan Matejko mit Theodore Giebultowska, der
Tochter eines Beamten des früheren Freistaates Krakau. In diese
Zeit fällt auch sein erstes Auftreten in Paris, woselbst er auf der
Kunstausstellung 1865 mit dem Bilde »Skarga in der Schlosskirche
vor dem versammelten königlichen Hofstaate predigend« auftrat, einem
Bilde, das mit der grossen goldenen Medaille ausgezeichnet wurde.
Die Reihenfolge seiner Werke, welche zu den bedeutenderen zählen
und in Nachfolgeschaft des oben genannten, in unserer Galerie be
findlichen Bildes erschienen, beweist die sich in der Gesammtheit
seiner Schöpfungen bewährende originale Kraft; später nahmen
seine Gestalten noch an Kühnheit der Auffassung zu, wenn auch
die hiedurch häufig entstehende Einzelwirkung nicht selten auf die
Gesammtheit des malerischen Eindruckes störenden Einfluss nahm
und somit die ruhige Wirkung des Kunstwerkes durch allzu starkes
— ich möchte sagen
Details zu leiden hatte. Wenn Jan Matejko und Arthur Grott-
ger als die Erwecker der modernen polnischen Kunst bezeichnet
werden, so muss dies vollkommen zugestanden werden, und es
kann nur immer wieder auf das Lebhafteste bedauert werden, dass
der letztgenannte, so tief und elegisch empfindende Künstler so jung
seiner erfolgreichen, ja ruhmvoll begonnenen künstlerischen Wirk
samkeit durch den Tod entrissen wurde.*)
Die weiteren Hauptwerke Matejko’s sind: »Der Alchimist
Sendziwoj vor Siegmund III.«, »Wladislaw der Weise wird auf den
polnischen Thron berufen«, »Der Hofnarr des Königs Siegmund«,
unter Piloty, doch nur kurze Zeit, seine
Union der Polen und Litauer zu Lublin«,
Stephan Bäthori, vom
russischen Gesandten um Frieden gebeten«, »Johann Wilczek während
der Verteidigung eines Benedictinerklosters gegen Mathias Corvinus«,
»König Johann Sobieski’s Gebet vor Beginn der Türkenschlacht«,
»Einsegnung der Siegmundsglocke«,
mysl«. Weiters folgen:
Ermordung des Königs Prze-
Die Schlacht bei Tannenberg 1440«, die
Niederlage des Deutschen Ordens verherrlichend (ausgestellt in
Wien 1878 im Künstlerhause),
Die Niederlage bei Warna«,
digungseid des Herzogs Albrecht von Preussen vor König Siegmund
von Polen« (ebenfalls in Wien 1882 ausgestellt), »Der Entsatz von
Wien durch Johann Sobieski«*) (im September 1883 ' m der Garten
baugesellschaft hier ausgestellt) und »Der Einzug der Jungfrau von
Orleans in Rheims«, endlich das grosse Historienbild
bei Raclawice«, welches als das letzte umfangreiche Werk des pol
nischen Malers bezeichnet werden kann. Auch dieses Bild war hier
Hul-
Kosciuzko
zu sehen, und zwar im Jahre 1888 im Künstlerhause. Als eine
ebenso werthvolle Schöpfung seiner letzteren Zeit muss die von
Matejko gezeichnete Porträtgalerie »Polens Könige und Plerrscher«
bezeichnet werden,**) deren Originalzeichnungen im Jänner des
0
Jahres 1893 im Künstlerhause ausgestellt waren und mit Recht ob
ihrer scharf gefassten und überzeugenden Charakteristik allgemein
bewundert wurden.
Ueberblicken wir das Gesammtschaffen Matejko’s, so er
kennen wir, wie Nationalgefühl und Patriotismus auf dem Gebiete
der Kunst fördernd zu wirken vermögen; der Meister ist nicht durch
seine Kunst allein gross geworden, sondern es ist wohl auch die Be
geisterung seines Volkes, das ihn ehrte und hob, stets dankbar dessen
eingedenk, dass er mit Pinsel und Farben seine Geschichte schrieb,
fanatisches Hervorheben charakteristischer
eine Geschichte, die ebenso reich an nationalen Erfolgen ist, als sie
von Unglück und Jammer berichten kann.
Griff auch Matejko
seine Stoffe mit fanatischem Sinne oder zuweilen vielleicht schon
gehässig zugespitzt auf, so liess er sich doch nie von kleinlichen
Interessen leiten, sondern blieb gross und ehrlich in seinem künst
lerischen Wollen und Denken.
Matejko erreichte nur ein Alter von 55 Jahren. Er starb am
1. November 1893 nach längerer Krankheit an einem durch die
Berstung eines Magengeschwürs hervorgerufenen rapiden Blutsturze.
Um ihn trauerte nicht blos sein engeres Vaterland, sondern die
ganze gebildete Welt. Seine Majestät der Kaiser Franz Joseph hatte
den Künstler in Anerkennung seines so hervorragenden Wirkens im
Jahre 1887 mit dem am 18. August desselben Jahres gegründeten
Ehrenzeichen für Kunst und Wissenschaft ausgezeichnet. Matejko
war Professor und Director der Krakauer Kunstschule und hat zahl
reiche Schüler herangebildet, von denen wir zu erwarten haben,
wie sie das Vermächtniss ihres Lehrers in Ehren halten und zum
Ruhme ihres Vaterlandes fruchtbringend ausgestalten werden.***)
*) Arthur Grottger, von welchem die kaiserliche Gemäldegalerie leider
kein Bild besitzt, dessen Cyclus von elf Zeichnungen »Im Thale der Thränen«
sich aber im Besitze des Kaisers befindet, starb zu Amelies-les-Baines in Frank
reich, wohin er sich seiner angegriffenen Gesundheit wegen begeben hatte, am
13. December 1867. Grottger ist zu Ottyniowice (Galizien) den n. November 1837
als der Sohn des Malers Josef Grottger (geb. 1798 oder 1802, gest. 1853) ge
boren, der ein Schüler der Wiener Akademie war, sich jedoch später der Land
wirtschaft zugewendet hatte. Die erste Anleitung erhielt Arthur Grottger
durch den Vater, weiters wurde er durch Johann Maszkowski und Julius
Kossak unterrichtet. Von 1852 bis 1854 studirte er unter Sztattler an der
Krakauer Kunstschule, bis er endlich, unterstützt mit einem Stipendium von
Sr. Majestät dem Kaiser, die Wiener Akademie besuchen konnte, wo er unter der
Leitung der Professoren Karl Blaas, Mayer und Job. Nep. Geiger, endlich aber
in der Meisterschule des Directors Christian Rüben seine künstlerische Ent
wicklung fand. Mit Ausnahme kürzerer Reisen blieb der junge Künstler, welcher
sich bereits einen Namen zu machen begonnen hatte und, nebenbei bemerkt,
durch sein conciliantes und vornehmes Wesen wahrhaftig ein Liebling seiner
Kunstgenossen war, bis zum Jahre 1864 ständig in Wien. Sodann kehrte er
nach Galizien zurück, wo er 1866 in Fräulein Monne eine geliebte Braut fand,
von der ihn aber leider kaum nach einem Jahre sein früher Tod trennte. Arthur
Grottger's irdische Hülle wurde nach Lemberg gebracht.
) Bekanntlich schenkte der Künstler dieses Bild Sr. Heiligkeit dem Papste,
der es im ersten Saal der Sammlungen des Vaticans aufstelien liess, und dem
Künstler dafür die Commandeurs-Insignien des Pius-Ordens überreichte.
: ’" :: ) Erschienen im Verlage von Moritz Perles in Wien.
***) \vi e w j r soeben aus den Blättern erfahren, rüstet sich Julian Falat
eben jetzt, seine zweite Heimat in Berlin zu verlassen, um als Nachfolger Matjeko’s
das Directorat, sonach die Leitung der Kunstschule in Krakau zu übernehmen.
Er tritt dieses verantwortliche Amt in voller künstlerischer Kraft an und es ist daher
auch sicher anzunehmen, dass die Kunst in seinem Vaterlande nicht nur auf der
Höhe erhalten, sondern auch weiters noch gefördert und entwickelt wird.
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