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nicht blos durch seine Werke, sondern auch mit der Feder in der
Hand den Kampfplatz betrat. Und als er in betrat, war er wohl
gerüstet durch jahrelang erprobte Ueberzeugun
durch das Beispiel Anderer gewonnen wurde, sondern die er sich
durch eine vollkommen selbständige Herausbildung seiner künstleri
schen Individualität errungen hatte. Betrachtet man den Meister in
seinem eigenartigen so wohl bewussten Schaffen und Wesen, in
seinem mühevollen Kampfe gegen alles Traditionelle in der Kunst,
wahrhaftig man könnte über diesen Maler allein ein dickes Buch
schreiben.*)
Wenn Waldmüller sich ab und zu scheinbar feindlich der
alten Kunst gegenüber verhielt, so war das, wie wir später noch
Gelegenheit haben werden zu erhärten, doch eigentlich nicht der
Fall. Im Eifer des Kampfes für das
Neue, Unabhängige in der Kunst,
in dem glühenden Streben für Natur
und Wahrheit des Darzustellenden
sowohl in seinem geistigen Inhalte
als auch in den äusseren Formen
schien er nachgerade zu vergessen,
dass durch alle Zeiten vor ihm in
wechselnder Folge ein gleiches
Streben bestand, die Natur im künst
lerischen Nachbilden festzuhalten,
um, sowie er, nur das Schöne und
Edle aus ihr zu gewinnen. Wenn
— es sei nur nebenbei er-
Paul Veronese in dem ge
priesenen Louvre-Bilde »Die Hoch
zeit zu Cana« geradezu herab
setzt,**) weil dieser venezianische
Meister die Menschen im Costume
seiner Zeit malte, sowie er sie eben
sehen konnte, so schlägt sich Wald
müller, der ja auch nur das malen
wollte und konnte, was er wirklich
sah, mit den eigenen Waffen. Paul
Veronese schuf gleichsam ein glänzendes Gesellschaftsstück seiner
Zeit, dem er nur eine religiöse Bedeutung gab, aber er wollte gerade
das Nämliche, wie unser Wald mü 11 er, nämlich wahr sein und
das konnte er nur sein, indem er dieselben Menschen malte, die
ebenso seine Schwester Josefine das Talent des Vaters ererbt haben.
Beide erfreuen sich in der Kunstwelt hier sowohl, wie auch in
England wohlverdienter Werthschätzung und Anerkennung. Fräulein
Josefine Swoboda, welche alljährlich am Hofe der Königin von
England reichliche Bethätigung findet, pflegt das Porträtfach, haupt
sächlich in Aquarell und Miniatur, während ihr Bruder, ein Schüler
seines Onkels Carl Leop. Müller, im Genre der Orientmalerei Rühm
liches leistet. Welch ein vortrefflicher Kunstgenosse und charakter
voller Kamerad Eduard Swoboda stets gewesen, das können alle
V
seine Collegen ihm zuerkennen. Er war zu allen Zeiten die Seele
froher Feste und heiterer Geselligkeit und wir haben an anderer
Stelle bereits berichtet, wie köstlich er es verstand, im collegialen
Kreise Vergnügen und Freude zu bereiten. Sein edler Sinn für
Freundschaft strahlte auf die Ande
ren aus und von ihm lässt sich
♦
wahrhaftig sagen, dass er keinen
Feind hat. Es entquoll daher wahr
haftig den Herzen seiner Kunst
genossen, wenn sie ihm zuerst zu
seinem siebenzigsten und sodann
zum achtzigsten Geburtstage so sehr
erhebende Feste bereiteten. Fast
täglich Abends finden wir den Alt
meister in gleicher jugendlicher
Frische im Kreise seiner Collegen
im Künstlerhause, ebenso nimmt'
er an den Capitel-Abenden in der
grünen Insel theil, deren Mitbe
gründer er gewesen und deren
eifriges Mitglied er bis heute ge
blieben ist. Seine Partei- und Neid
losigkeit verflocht ihn niemals in
Conflicte, sein Urtheil über Andere
ist stets milde und gerecht ge
wesen, daher er auch stets mit der
Zeit ging, sie verstand und würdigte
und nicht wie so mancher Andere
in der Gesellschaft ein lebendig Begrabener wurde. Wir und somit
gewiss alle Kunstgenossen und Freunde wünschen dem so wohl ver
dienten, bereits in ehrwürdigem Alter stehenden Meister aus vollem
Herzen noch recht viele frohe und glückliche Jahre .*)
Die naturalistische Anschauung in der Kunstausübung der
österreichischen Maler der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts be
gann, wie wir vernahmen, schon in den ersten Decennien und sie
stand auch, sowie wir bereits an mehrfachen Stellen dargethan
haben, sofort im Kampfe mit den akademischen Traditionen. Es
lag daher nahe, dass ein Geist, wie ihn Waldm üller an den Tag legte,
die nicht blos
er
er daher
wähnt
F. G. WALDMÜLLER. Bilclniss der 84 Jahre alten Frau Rosina Wiser.
*) Dass dies noch nicht geschah, ist eigentlich zu verwundern, es findet
aber wohl seine Erklärung darin, dass die Kunstästhetiker bisher den Schwerpunkt
ihrer Thätigkeit zumeist nur auf die Erforschung der Kunst vergangener Jahr
hunderte gelegt haben, freilich ein Gebiet, das so gross und mächtig ist, dass es
noch mancher Zeit und noch gar vieler hervorragender Kräfte bedarf, um einstens
Alles durchforscht zu haben, was sich noch darzubieten vermag. Die Kunstwissen
schaft, wie sie heute in so rationeller Weise betrieben wird, gibt uns auch die
volle Gewähr, dass sie einstens dieses angestrebte Ziel erreichen wird. Blicken
wir daher dankbar auf jene Männer, die ihr Leben in unermüdlichem Forschens-
drange der Geschichte der Kunst und deren gründlicher Darlegung weihen, aber
vergessen wir darüber nicht, was in unseren Tagen lebt und schafft, was stets
weiter bildet und den Faden weiter spinnt, womit sich der Charakter der Zeit
.
documentirt, in Bild um Bild, in fortwährender Entstehung und Enthüllung des
Wirklichen und zugleich Schönen und Erhabenen.
**) Siehe »Andeutungen zur Belebung der vaterländischen Kunst«. Von
F. G. W a 1 d m ü 11 e r. Wien. In Commission bei Carl Gerold’s Sohn. 1857,
pag. 52 u. s. w.
*) Der xMaler Rudolf Swoboda, geb. zu Wien am 23. Jänner 1819, gest.
daselbst den 24. April 185g, von dem sich jedoch kein Bild in der kais. Galerie
befindet, war ein Bruder unseres Altmeisters. Er lernte bei Mössmer und
Dallinger, bereiste Oberitalien, Frankreich, die Schweiz und Deutschland und
malte vorwiegend Thierstücke mit wohlgefälliger Technik. Er nahm theil an der
Gründung des heute noch, freilich unter sehr anderen Verhältnissen, bestehenden
österr. Kunstvereines, wie er auch gleich seinem Bruder Mitbegründer des Albrecht
Dürer-Vereines gewesen ist. Seine Werke sind sehr zahlreich, 1850 vermählte er
sich mit der Schwester des bekannten Schriftstellers Friedrich Schlögl.