Full text: Moderne Meister (Band 3, 1897)

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zu besprechen. Als ein seltenes Glück ist es zu bezeichnen, dass in 
den öffentlichen Sammlungen Wiens, vielleicht noch mehr im Privat 
besitze, Bilder aus dieser Epoche des Künstlers vorhanden sind, 
sowie überhaupt von seinen zahlreichen Werken verhältnissmässig 
nicht viele, wie von anderen österreichischen Künstlern, in die 
Fremde gewandert und hiedurch für das Vaterland verloren sind. 
Aber auch wohl erhalten haben sich die Bilder Waldmüller’s im 
Hinblick auf ihre technische Behandlung, denn diese war eine sorg 
fältige und reinliche. Er behandelte die Oelfarbentechnik als »Prima 
maler«, indem er Untermalungen, überhaupt ein öfteres Ueberein- 
anderlegen von Farbenschichten, strengstens vermied. Ist der Grund 
gut, auf dem gemalt wird, so ist diese Technik der Malerei die 
sicherste Bürgschaft für die Conservirung. Seine Werke zeigen des 
halb dieselbe Klarheit und Durchsichtigkeit der Farben, wie wir 
sie auf Jahrhunderte alten Bildern in den Galerien zu sehen 
vermögen, deren Technik eine ebenso strenge als geregelte ge 
wesen ist. 
gründen, welche ihm andere zu seinen Porträt gemalt hatten, 
selbst landschaftliche Studien zu machen begann. Der durchdringende 
Blick, mit welchem Waldmüller alles Malerische erschaute, liess 
auch hierin nicht lange auf den Erfolg warten, ja er ward in der 
Landschaft ein Meister allerersten Ranges, wenn er auch nie mehr 
that, als das malen, was er eben vor sich hatte. Das herrliche 
Bild »Die Holzsammler im Wienerwalde«, welches vor ein paar 
Jahren von Sr. Durchlaucht dem regierenden Fürsten Johann von 
und zu Liechtenstein der kaiserlichen Galerie gewidmet wurde, 
legt von der Meisterschaft, die sich Waldmüller auch im Fache 
der Landschaftsmalerei erworben hatte, ein glänzendes Zeugniss ab 
und wir werden noch auf dieses schon in die spätere Zeit des 
Künstlers gehörende Werk zu sprechen kommen. 
Zu Wa I d m ü 11 e r’s früheren, jedoch schon reifen Arbeiten 
gehört »Der Bettelknabe auf der Hohenbrücke zu Wien«. Es ist 
mit 1830 datirt und zeigt uns bereits den Meister auf der ganzen 
Höhe seines Könnens. Die kleine vergitterte Kapelle, vor der 
die Mutter des Bettelknaben mit einem Kinde am Arme kauert, das 
sie mit dem Mantel vor der Kälte schützt, ist heute nicht mehr da, 
sie musste wie leider schon so viele alte Baudenkmale der alten 
Kaiserstadt des nothwendigen Strassenraumes wegen abgetragen 
werden, während die den »Tiefen Graben« überschreitende Brücke er 
weitert wurde. 
Die Winterstimmung ist herrlich wiedergegeben und in dem 
düsteren Tone, in welchem das Bild gehalten ist, erglänzt nur das 
frische, anmuthige Gesichtchen des Bettelknaben.*) Kinder scheint 
Waldmüller überhaupt gerne gemalt zu haben, da er sie so häufig 
in seine Bilder aufnimmt. Wer die Kinder liebt, muss ein guter 
Mensch sein und das war auch unser Meister, wenn er auch bis 
weilen nicht ohne Schärfe gewesen sein mochte, zu der er aber 
auch nur dann gelangte, wenn er wirklich dazu Ursache fand. 
Das Hauptbild der kleinen Collection von Gemälden Wald 
müller’s, welche die kaiserliche Galerie aufzuweisen hat, ist wohl 
»Die Christbescherung in der Bauernstube«.**) Die zahlreichen 
Kinder einer niederösterreichischen Bauernfamilie erfreuen sich der 
Geschenke, welche während der Christnacht in ihre Schuhe gelegt 
worden sind, wobei die Eltern und Grosseltern an der Ueberraschung 
und Lust der Kleinen den innigsten Antheil nehmen. Das sind lauter 
dem wirklichen Leben entnommene Gestalten, von einer Wahrheit 
und Liebenswürdigkeit, dass man förmlich miterlebt, was da vor 
geht. Wir sehen die unzweifelhaften Typen einer österreichischen 
Bauernfamilie, eine wahre Stufenleiter des menschlichen Alters; 
vom Säugling bis zum Greis schildert uns der Meister die Alters- 
classen und die frischen jugendlichen, von der Freude gerötheten 
Gesichter der Kinder wetteifern mit der Liebe und freundlichen 
Plingebung, welche aus den Mienen der Erwachsenen sprechen. 
Man könnte dem Bilde ebenso gut den Titel »Familienglück« geben, 
denn das ist es ja auch, was Waldmüller mit dem so schönen 
Werke zum Vorwurfe genommen haben mochte. 
Wenngleich Waldmüller den bei nicht sehr mässigem Ge 
brauch sehr gefährlichen Füger-Firniss hie und da als Trocken- oder 
Bindemittel benützte, so geschah dies mit solcher Vorsicht, dass man 
niemals die schädlichen Folgen des demselben beigemengten Blei 
zuckers wahrzunehmen im Stande ist, während wir bei den Bildern 
Fügers selbst die auf dem zumeist angewendeten glatten Grunde, 
sehr bedenklichen Wirkungen dieses Bindemittels zu beobachten in 
der Lage sind. Auch Waldmüller pflegte in vielen Fällen auf dem 
sogenannten doppelten »Wienergrunde« zu malen, welche Bilder 
aber nur dann Sprünge zeigen, wenn durch Druck der Leinwand 
von hinten die äusserst spröde Schichte des Grundes alterirt worden 
sein mochte. 
Die kaiserliche Gemäldegalerie birgt eine Folge von Werken, 
welche zu den besten des Meisters zählen, und zwar umfassen sie 
den ganzen Bildungsgang, welchen der Künstler genommen hat. 
Zwei seiner frühesten Bilder, welche im Aufträge des Kaisers an 
gekauft wurden, waren die bereits erwähnten, »Der Invalide« und 
»Der alte Geiger«;*) die Erwerbung erfolgte unter dem kunstsinnigen 
Oberstkämmerer Grafen Czernin und unter dem Directorate des 
Landschaftsmalers Rebell in der Ausstellung zu St. Anna im 
Jahre 1828. Ein drittes Bild »Porträt einer alten Frau« wurde unter 
Einem erworben. Ob dasselbe identisch mit dem jetzt in der Galerie 
befindlichen Bildnisse der Frau Wiser ist, das Waldmüller mit 
1822 datirte, und von dem bereits die Rede war, ist nicht mit Ge 
wissheit festzustellen. Ein anderes frühes Bild des Meisters erblickten 
wir in den beiden Passeyrer-Bauern, welche mit ihrer Jagdbeute auf 
einer Berghohe ausruhen. Dasselbe ist gezeichnet und datirt 1829 
und wurde auf der akademischen Ausstellung vom Jahre 1830 um 
den Preis von 80 fl. C.-M., mit einer Rahmenvergütung von 15 fl. 
C.-M. angekauft. Der landschaftliche Hintergrund zeigt uns mit Schnee 
bedeckte Berge und weist bereits in seiner Tüchtigkeit der Behand 
lung auf die spätere Vollkommenheit des Meisters im Fache der 
Landschaft hin. 
Wie erzählt wird, gelangte Waldmüller zur selbständigen 
Landschaftsmalerei dadurch, dass er, unzufrieden mit den Hinter- 
*) Dieses reizvolle Bild wurde für die kaiserliche Galerie auf der akademi 
schen Ausstellung im Jahre 1830 (Nr. 195) um den Preis von 80 fl. C.-M. eben 
falls mit einer Vergütung von 15 fl. für den Rahmen angekauft. 
*“) Dieses zu den schönsten Werken Waldmüller’s zählende Bild ist ein 
Vermächtniss des k. k. Baurathes und Stadtbaumeisters Anton Ritter von 
Oetzelt-Newin. 
*) Diese Bilder befinden sich dermalen in den Appartements des kaiser 
lichen Schlosses Schönbrunn.
	        
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