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zu besprechen. Als ein seltenes Glück ist es zu bezeichnen, dass in
den öffentlichen Sammlungen Wiens, vielleicht noch mehr im Privat
besitze, Bilder aus dieser Epoche des Künstlers vorhanden sind,
sowie überhaupt von seinen zahlreichen Werken verhältnissmässig
nicht viele, wie von anderen österreichischen Künstlern, in die
Fremde gewandert und hiedurch für das Vaterland verloren sind.
Aber auch wohl erhalten haben sich die Bilder Waldmüller’s im
Hinblick auf ihre technische Behandlung, denn diese war eine sorg
fältige und reinliche. Er behandelte die Oelfarbentechnik als »Prima
maler«, indem er Untermalungen, überhaupt ein öfteres Ueberein-
anderlegen von Farbenschichten, strengstens vermied. Ist der Grund
gut, auf dem gemalt wird, so ist diese Technik der Malerei die
sicherste Bürgschaft für die Conservirung. Seine Werke zeigen des
halb dieselbe Klarheit und Durchsichtigkeit der Farben, wie wir
sie auf Jahrhunderte alten Bildern in den Galerien zu sehen
vermögen, deren Technik eine ebenso strenge als geregelte ge
wesen ist.
gründen, welche ihm andere zu seinen Porträt gemalt hatten,
selbst landschaftliche Studien zu machen begann. Der durchdringende
Blick, mit welchem Waldmüller alles Malerische erschaute, liess
auch hierin nicht lange auf den Erfolg warten, ja er ward in der
Landschaft ein Meister allerersten Ranges, wenn er auch nie mehr
that, als das malen, was er eben vor sich hatte. Das herrliche
Bild »Die Holzsammler im Wienerwalde«, welches vor ein paar
Jahren von Sr. Durchlaucht dem regierenden Fürsten Johann von
und zu Liechtenstein der kaiserlichen Galerie gewidmet wurde,
legt von der Meisterschaft, die sich Waldmüller auch im Fache
der Landschaftsmalerei erworben hatte, ein glänzendes Zeugniss ab
und wir werden noch auf dieses schon in die spätere Zeit des
Künstlers gehörende Werk zu sprechen kommen.
Zu Wa I d m ü 11 e r’s früheren, jedoch schon reifen Arbeiten
gehört »Der Bettelknabe auf der Hohenbrücke zu Wien«. Es ist
mit 1830 datirt und zeigt uns bereits den Meister auf der ganzen
Höhe seines Könnens. Die kleine vergitterte Kapelle, vor der
die Mutter des Bettelknaben mit einem Kinde am Arme kauert, das
sie mit dem Mantel vor der Kälte schützt, ist heute nicht mehr da,
sie musste wie leider schon so viele alte Baudenkmale der alten
Kaiserstadt des nothwendigen Strassenraumes wegen abgetragen
werden, während die den »Tiefen Graben« überschreitende Brücke er
weitert wurde.
Die Winterstimmung ist herrlich wiedergegeben und in dem
düsteren Tone, in welchem das Bild gehalten ist, erglänzt nur das
frische, anmuthige Gesichtchen des Bettelknaben.*) Kinder scheint
Waldmüller überhaupt gerne gemalt zu haben, da er sie so häufig
in seine Bilder aufnimmt. Wer die Kinder liebt, muss ein guter
Mensch sein und das war auch unser Meister, wenn er auch bis
weilen nicht ohne Schärfe gewesen sein mochte, zu der er aber
auch nur dann gelangte, wenn er wirklich dazu Ursache fand.
Das Hauptbild der kleinen Collection von Gemälden Wald
müller’s, welche die kaiserliche Galerie aufzuweisen hat, ist wohl
»Die Christbescherung in der Bauernstube«.**) Die zahlreichen
Kinder einer niederösterreichischen Bauernfamilie erfreuen sich der
Geschenke, welche während der Christnacht in ihre Schuhe gelegt
worden sind, wobei die Eltern und Grosseltern an der Ueberraschung
und Lust der Kleinen den innigsten Antheil nehmen. Das sind lauter
dem wirklichen Leben entnommene Gestalten, von einer Wahrheit
und Liebenswürdigkeit, dass man förmlich miterlebt, was da vor
geht. Wir sehen die unzweifelhaften Typen einer österreichischen
Bauernfamilie, eine wahre Stufenleiter des menschlichen Alters;
vom Säugling bis zum Greis schildert uns der Meister die Alters-
classen und die frischen jugendlichen, von der Freude gerötheten
Gesichter der Kinder wetteifern mit der Liebe und freundlichen
Plingebung, welche aus den Mienen der Erwachsenen sprechen.
Man könnte dem Bilde ebenso gut den Titel »Familienglück« geben,
denn das ist es ja auch, was Waldmüller mit dem so schönen
Werke zum Vorwurfe genommen haben mochte.
Wenngleich Waldmüller den bei nicht sehr mässigem Ge
brauch sehr gefährlichen Füger-Firniss hie und da als Trocken- oder
Bindemittel benützte, so geschah dies mit solcher Vorsicht, dass man
niemals die schädlichen Folgen des demselben beigemengten Blei
zuckers wahrzunehmen im Stande ist, während wir bei den Bildern
Fügers selbst die auf dem zumeist angewendeten glatten Grunde,
sehr bedenklichen Wirkungen dieses Bindemittels zu beobachten in
der Lage sind. Auch Waldmüller pflegte in vielen Fällen auf dem
sogenannten doppelten »Wienergrunde« zu malen, welche Bilder
aber nur dann Sprünge zeigen, wenn durch Druck der Leinwand
von hinten die äusserst spröde Schichte des Grundes alterirt worden
sein mochte.
Die kaiserliche Gemäldegalerie birgt eine Folge von Werken,
welche zu den besten des Meisters zählen, und zwar umfassen sie
den ganzen Bildungsgang, welchen der Künstler genommen hat.
Zwei seiner frühesten Bilder, welche im Aufträge des Kaisers an
gekauft wurden, waren die bereits erwähnten, »Der Invalide« und
»Der alte Geiger«;*) die Erwerbung erfolgte unter dem kunstsinnigen
Oberstkämmerer Grafen Czernin und unter dem Directorate des
Landschaftsmalers Rebell in der Ausstellung zu St. Anna im
Jahre 1828. Ein drittes Bild »Porträt einer alten Frau« wurde unter
Einem erworben. Ob dasselbe identisch mit dem jetzt in der Galerie
befindlichen Bildnisse der Frau Wiser ist, das Waldmüller mit
1822 datirte, und von dem bereits die Rede war, ist nicht mit Ge
wissheit festzustellen. Ein anderes frühes Bild des Meisters erblickten
wir in den beiden Passeyrer-Bauern, welche mit ihrer Jagdbeute auf
einer Berghohe ausruhen. Dasselbe ist gezeichnet und datirt 1829
und wurde auf der akademischen Ausstellung vom Jahre 1830 um
den Preis von 80 fl. C.-M., mit einer Rahmenvergütung von 15 fl.
C.-M. angekauft. Der landschaftliche Hintergrund zeigt uns mit Schnee
bedeckte Berge und weist bereits in seiner Tüchtigkeit der Behand
lung auf die spätere Vollkommenheit des Meisters im Fache der
Landschaft hin.
Wie erzählt wird, gelangte Waldmüller zur selbständigen
Landschaftsmalerei dadurch, dass er, unzufrieden mit den Hinter-
*) Dieses reizvolle Bild wurde für die kaiserliche Galerie auf der akademi
schen Ausstellung im Jahre 1830 (Nr. 195) um den Preis von 80 fl. C.-M. eben
falls mit einer Vergütung von 15 fl. für den Rahmen angekauft.
*“) Dieses zu den schönsten Werken Waldmüller’s zählende Bild ist ein
Vermächtniss des k. k. Baurathes und Stadtbaumeisters Anton Ritter von
Oetzelt-Newin.
*) Diese Bilder befinden sich dermalen in den Appartements des kaiser
lichen Schlosses Schönbrunn.