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Epigone der alten Wiener Schule erwiesen hat. Ebensowenig un-
berührt darf bleiben, was Friedländer auf dem Gebiete der künst
lerisch socialen Verhältnisse gewirkt hat, worin er sich namentlich
in den für die heimische Kunst unheimlich stillen Zeiten der Fünfziger-
Jahre als eine geradezu hervorragende Kraft erwies. Er gehörte
in führender Stellung jener kleinen Gruppe von Künstlern an, die
sich selbst zu helfen suchte, als schier Niemand da war, der
sich für das Schaffen eines österreichischen Künstlers jener Tage
auch ernsthaft genug bekümmert hätte. Es fehlte bis zu Ende
der Sechziger-Jahre an einem thatsächlich fördernden Interesse
für jene Künstler, welche die nächsten Nachfolger der alten Wiener
Schule waren. Höchstens dass noch ein paar der alten Wiener
Maler das Klingen des Goldes hörten, welches der speculative
Kunsthandel nach und nach aus Alt-Wien herauszuschlagen be
gann. Doch der Nachwuchs konnte neben der herrschenden
Ueberschätzung des Fremden ruhig verhungern. Da traten Männer
wie Friedländer, Konr. Grefe, J. M. Aigner, Selleny,
Seelos, A. Schönn, C. Post, Ferd. Laufberger u. s. w.,
zu denen auch der Verfasser gehörte, zusammen, um zu be-
rathen, was zu beginnen wäre, jener Gleichgiltigkeit und Gering
schätzung zu begegnen, durch die jede Entwicklung, jedwedes
gedeihliche Werden und Entstehen in die Brüche gehen müsste.*)
So bildete sich zuerst im alten wirklich historisch gewordenen,
leider heute auch nicht mehr bestehenden Lothringer-Saale, eine
Tischgesellschaft, welche durch mehrere Wochen ihre Berathungen
hielt und aus der sich sodann der Künstlerverein »Eintracht« heraus-
krystallisirte.**) Die Tendenz war ausgesprochen die der Selbsthilfe.
Als nächste Ziele galten der Schutz der Standesinteressen nach
jeder Richtung und die Erlangung einer Geist und Talent be
friedigenden Lebensstellung in der Vaterstadt sowohl wie im Vater
lande überhaupt. Bald hatten sich mehr als hundert Künstler aller
Kunstzweige, Kunstschulen und Kunstrichtungen zusammengefunden,
die das feste Band einer wahrhaft idealen Collegialität umschlang
und wo thatsächlich »Einer für Alle und Alle für Einen« wirkten,
was auch zum Wahlspruch für den geschlossenen Bund erhoben
wurde. Ein Album wurde gegründet, das vielen Beifall fand und
Mittel schaffte; Verbindungen mit den deutschen und auch mit
anderen Staaten wurden angeknüpft, namentlich um die auswärtigen
Ausstellungen mit guten Werken corporativ zu beschicken; auf den
österreichischen Kunstverein wurde Einfluss genommen, patriotische
Unternehmungen wurden entrirt, kurz es wurde nach allen Richtungen
gearbeitet und getrachtet, den Jammerzuständen ein Ende zu
machen und die nothwendige Position im Staate zu gewinnen. Und
es gelang. Durch die zu Stande gebrachte Fusion der »Eintracht«
mit dem alten »Dürer-Verein« bildete sich die Künstlergenossen
schaft heraus. Seine Majestät der Kaiser beschenkte dieselbe mit
einem Bauplatze auf den Gründen der Stadterweiterung, das Künstler
haus, vornehmlich unterstützt und gefördert durch den begeisterten
Architekten und nachmaligen Oberbaurath Ritter von Stäche,
entstand, kurz, in kaum io Jahren hatten die Künstler in Wien
eine Position erreicht, wie sie kaum irgendwo eine Künstlerschaft so
selbstständig und zielbewusst zu erreichen in die Lage gekommen sein
dürfte. Und dies Alles
man darf wohl sagen
Kraft, durch freudige Opferwilligkeit, durch echte Col
legialität und wahrhaft einheitliches Zusammenwirken.
aus eigener
Bei all dieser oft grosse Opfer fordernden und seitens Ein
zelner der Betheiligten selbstlos hingebenden Thätigkeit hat
Friedländer würdig seinen Mann gestellt. Mit klarem Geiste und
stets conciliantem Wesen stand er zumeist an der Spitze der Be
wegung; sein Organisationstalent half ihm die rechten Kräfte
für die Arbeit zu gewinnen und zu begeistern und so wuchs
durch stets neu herantretende künstlerische wie administrative Kräfte
mit jedem Jahre, ja mit jeder Ausstellung das Ansehen der öster
reichischen Künstlerschaft, nicht blos in der Heimat, sondern
überall, wo die österreichische Kunst Boden zu gewinnen vermochte.
Wenn ich gerade hier diese Entwicklungsmomente der modernen
österreichischen Kunst berührt habe, so folgte ich den Gefühlen der
Dankbarkeit, welche dem Meister zuzuerkennen die Pflicht ist. Das Adels-
.
diplom, womit der Kaiser Fried länder seine Verdienste um die öster
reichische Kunst lohnte, sowie mehrfache inländische undausländische
Orden sind die richtigen Zeugen wohlverdienter Anerkennung, die
auch wir, seine alten Collegen, mit freudigem Herzen ihm zuerkennen.
Einer der interessantesten und begabtesten Schüler Wald-
müller’s war wohl der schon oben genannte Franz Schams. Bei
ihm vereinigten sich Humor mit liebenswürdiger Darstellung; seine
Figuren hatten nicht blos die Pose von demjenigen, was sie aus-
drücken sollten, sondern es waren stets Menschen, die wirklich das
thaten und klar vorstellten, was der Künstler beabsichtigt hatte. Er hätte
eine Art österreichischer Spitzweg werden können, würde ihm nicht,
wie schon bemerkt, die leidige Sorge um das tägliche Brot seiner
Familie in der besten Zeit seines Wirkens die lithographische Kreide
in die Hand gedrückt haben, so dass er Anderer Werke nach
schreiben musste, statt als freier Künstler in freudigem Schaffen
Talent und Können seiner Mitwelt zu widmen, dieser Mitwelt, die
so wenig dankbar war und ihn, diese kerngesunde, künstlerische
Natur, ruhig links liegen liess. Mancher der vielen reich gewordenen
Leute kaufte um das Zehn- und Zwanzigfache irgend eine zweifei-
*) Es ist vielleicht nicht ohne locales Interesse, an dieser Stelle davon
Notiz zu nehmen, wie die Verhältnisse waren, unter welchen sich die jungen
Leute zu jener Zeit emporringen mussten. Ihre Hauptgönner waren zumeist
kleine Zwischenhändler oder aber der Kunsthändler Asperl am Graben, der
ein kleines, einthüriges Bildergeschäft in dem Sparcassagebäude hatte und der
nur um Preise kaufte, welche man für ein Kunstwerk unter allen Verhält
nissen bezahlt bekommen konnte. Was das für Honorare waren, kann man sich
leicht vorstellen. Ein wichtiger Mann für uns kleine Leute war auch der Ge
schäftsführer der Malerrequisitenhandlung Halbs Witwe, Namens Seyffert, ein an
sich guter und wohlwollender Mann, welcher aber nur in demselben Verhältnisse
zu zahlen vermochte, zumeist aber gingen die Honorare für gelieferte Leinwänden
und Farben auf. io—15 Gulden waren beliebte Preise für kleine nette Bildchen;
auch Studien, die dann für Dilettanten zum Copiren für Geld geliehen werden
konnten, waren nicht unbeliebt. 30 Gulden per Stück gut gemalter und fleissig
ausgeführter Landschaften oder Marinen konnten
Tage
verkauft werden; diese Bilder gingen kistenweise nach Amerika. Mit Russland
hatten wir kein Glück, da verloren wir zweimal Bilder und Geld. Drei Tage in
der Woche gingen mit Lectionengeben weg, und das war zumeist der Hauptstock
unseres Einkommens. Stipendien oder Preise gab es damals nicht. Die Staats-
Stipendien sind eine spätere Institution und die akademischen Preise waren in
Folge des Jahres 1848 noch nicht flüssig geworden. Aus all dem geht hervor,
dass die jungen Künstler einen recht schweren Stand hatten, daher auch mancher
unter ihnen zu Grunde ging oder aber sich um eine andere Lebensstellung Um
sehen musste, wenn es ihm an Muth und Mitteln fehlte, weiter zu kämpfen und
um seinen Werdeprocess zu ringen.
**) Siehe die Denkschrift zur Feier des zehnjährigen Bestandes des
Künstlerhauses in Wien. Herausgegeben von der Genossenschaft der bildenden
Künstler Wiens. 1879.
und das waren schon bessere
den hier eine Zeit lang domicilirenden Kunsthändler Düsseldorfer
an