78
Hiebei zeichnete er mit einer ganz ausserordentlichen Sicherheit
seine Compositionen selbst mit der lithographischen Tinte auf das
hicfür geeignete Papier, so dass er keines Nachbildners bedurfte,
indem die Reproduction sogleich durch
Umdruck auf den Stein erfolgen konnte,
wonach derselbe geätzt wurde. Weiters
zeichnete Geiger die Illustrationen zur
Geschichte Ungarns« von Professor
Wenzel und zu den »Legenden und
Sagen« von Weidmann, zu Boz-Dickens’
deutsch erschienenen Romanen. Höchst
bemerkenswert!! sind auch die im Jahre
1861 in der k. k. Staatsdruckerei er
schienenen historischen Handzeichnun
gen von J. N. Geiger mit erklärendem
Texte von G. A. Schimmer. Der Band
enthält go Zeichnungen, welche schon
im Jahre 183g unter anderem Titel
lithographirt erschienen waren. E. Ran-
zoni führt von denselben in seinem im
Kunstblatt der »Neuen Freien Presse«
vom g. November 1880 dem Künstler ge
widmeten Nachrufe als »wahre Perlen
der historischen Zeichenkunst« auf:
»Herzog Leopold und sein Hofnarr«,
»Ulrich von Liechtenstein wird durch
hohe Frauengunst geehrt«, »Prinz Eugen’s Alpenübergang mit der öster
reichischen Armee«, »Herzog Johann von Sachsen wird in die Ge
fangenschaft abgeführt« (1564), »Einsturz des Saales zu Rosenberg
während der Gegenwart des Kaisers
Heinrich III.« (1045), »Sieg der Tiroler
am Berge Isel über die Franzosen«
(180g), »Das Frühlingsfest in der Orangerie
zu Schönbrunn« (1837), und wahrlich,
man ist nur gerecht, wenn man diese
eben angeführten Compositionen. wie aber
auch so viele andere seiner echt historisch
empfundenen Zeichnungen zu dem Aller
besten und Reifesten zählt, dessen sich
überhaupt die Historienmalerei in ihren
Spitzen der ersten Hälfte unseres Jahr
hunderts rühmen kann. Wir müssen vor
nehmlich auch dieGewandtheitbewundern,
mit der Geiger die stets reich erdachten
Compositionen in den gegebenen Raum
einzufügen verstand und wie er hiebei
nicht mit Costümen bekleidete Schemen
schuf, sondern pulsirendes Leben und
überzeugende Charakteristik in seine Fi
guren legte. Kurz er war ein Maler und
Zeichner, der die Natur und historische Wahrheit verband, und mit
solchen Gaben und Kenntnissen ausgerüstet, würde es bei der Zu
wendung umfangreicher malerischer Aufgaben wohl auch ihm ge
lungen sein, mit jenen gewaltigen Schritten auszugreifen, wie wir
2000 Gulden. Nun, mit solchen Mitteln ausgestattet, vermochte
Geiger den kühnen Flug ins Werk zu setzen, den er in seiner
Kunst beabsichtigte. Und wahrlich, es waren keine Ikarus-Flügel,
die den jungen Meister zur Sonne tragen
sollten.
Peter Joh. Nep. Geiger ist zu Wien
im Jahre 1S05 als der Sohn des Bildhauers
Joseph Geiger geboren worden, aber schon
im Jahre 1814 verlor er seinen Vater, der
*
nur ein Alter von 33 Jahren erreichte.
Auch der Grossvater, ein aus der
Schweiz eingewanderter Bildhauer, der
sich des Enkels angenommen hatte,
starb ein Jahr darauf,, so dass unser
Geiger abermals verwaist dastand. Ein
Grossonkel, der dem gleichen Berufe
angehörte, vermochte sich nicht dauernd
des Knaben anzunehmen, da derselbe
zu einer grösseren Arbeitsleistung nach
Ungarn berufen wurde. So dem Schick
sale preisgegeben, erhielt er durch die
Bekanntschaft eines Arztes den Zutritt
in dessen Bibliothek. Hier studirte er
eitrigst Anatomie, wobei in ihm die Lust
erwachte, sich dem ärztlichen Stande
zu widmen. Aber es zog ihn doch wieder
zur Kunst, und nachdem er sich durch eine gar trübe Jugendzeit
hindurchgerungen hatte, gelang es ihm endlich auch, die Akademie
zu besuchen, woselbst er unter Kae hssmann und Schal 1 er studirte.
Der Aufenthalt an derselben schien ihm
aber wenig zu behagen, sondern er suchte
sich vorwiegend zu Hause nach Modellen
und nach den alten Meistern in Galerien
zu bilden, was ihm zu der Selbständigkeit
und reifen Kunstanschauung geholfen
hat, die er später in seiner Kunst be-
thätigte. Einer, der es gleich so ernst
nahm wie unser Geiger, setzte auch als
bald seinen Arbeiten den Stempel eines
echten männlichen Willens auf und darum
spricht auch schon aus seinen frühen
Werken eine Ueberzeugungstreue zu uns,
die angenehm berührt und dem Beschauer
bei Betrachtung seiner Werke das unbe
dingte Gefühl der Sicherheit verleiht, nicht
Falsches, sondern richtig Empfundenes
vor sich zu haben. In erster Linie be
deutsam steht J. N. Geiger als Geschichts
zeichner da. Die Herausgabe der »Oester-
reichischen Vaterlandsgeschichte« und
der »Immortellen« durch Anton Ziegler (1841) mit Abbildungen
gab Geiger Gelegenheit, das Studium der Geschichte und des
Costüms eitrigst zu betreiben, so dass seine Illustrationen die Auf
merksamkeit und das volle Lob aller Gebildeten im Gefolge hatten.
»
Porträt J. N. GEIGERS. Gemalt von Szekulicz in Wien.
Idylle von J. N. GEIGER.