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Ende fand, um in jenes moderne Treiben und Hasten überzugehen,
von dem heute die ganze Welt wie vor einem Windstosse einher
getrieben wird. Daher empfand auch die Mehrzahl der Maler nicht
mehr die innerliche Nothwendigkeit, ihre Motive aus dem Familien
leben, aus der Alltagswelt in kleinem behäbigen Sein zu schöpfen,
sondern man griff in die weite Welt hinaus, um auf Reisen neue
Elemente für die Kunstbestrebungen zu gewinnen, zu überraschen,
zu verblüffen und durch Contraste und fremdartige Wirkungen An
erkennung und Käufer zu finden.*) Zu den Malern, die auf weite
Reisen vornehmlich in den Orient gingen, gehört auch Alois Schönn,
ein Künstler von grosser Bedeutung, seltener Begabung und nament
lich festem, männlichem Wollen. Die Anregung zur Studienfahrt er
hielt er von einigen französischen
Malern, die mit grossem Er
folge charakteristische Schilde
rungen jener Länder des Orients
brachten, welche für die Franzosen
auch eine politische Bedeutung
hatten. Für unseren hochgeschätz
ten vaterländischen Künstler dürfte
es namentlich Horace Vernet
gewesen sein, der ihm diese
Richtung gab, welche er durch
eine Reihe von Jahren verfolgte.
Mit Glück und Erfolg griff
Schönn aber auch nach an
deren künstlerischen Zielen aus.
So wurde er in bestem Sinne
des Wortes zum Charakter
maler, dem kein Stoff zu spröde
war, um nicht aus demselben ein
ganzes Kunstwerk herausschälen
zu können. Man darf nur an
seine Synagogenbilder, an die
charakteristischen Krakauer Dar
stellungen, darunter namentlich
»Der Gänsemarkt« und andere
seiner Werke, oder an seine
in blendendem Sonnenlicht, mit
einer wahrhaft coloristischen Pracht dargestellten italienischen
Marktbilder und Strassenscenen denken, um wahrzunehmen, dass er
mit ebenso sicherer Wirkung schwarz in schwarz zu malen verstand,
wie auch wieder in den brillantesten Farben. Dabei bewahrte er eine
strenge Zeichnung und eine Klarheit der Conception, die den Be
schauer seiner Bilder sofort über die Intentionen des Künstlers orientirte.
Seine Kunstausübung zerfällt gewissermassen in drei Perioden: die
erste, wo er sich begeistert als Tiroler Landesvertheidiger (1848)
den Eindrücken der hiebei gewonnenen Erlebnisse hingibt, die
zweite, wo er nach dem Orient zieht und den »stumpfen, bleiernen
Ton einer überhitzten. Atmosphäre wiederzugeben sucht, ohne aber
eigentlich hiebei bei aller Strenge der Charakteristik coloristisch
frei zu werden, endlich die dritte Phase, in der er sich losmacht
von dem Drucke einer bisher nicht durch und durch empfundenen
Farbengebun
zuerst vielleicht coloristisch überkühn, sodann
aber in einen wohl geläuterten Ge
schmack und festen Farbentakt
übergehend. Ueberschaut man die
gesammte Thätigkeit Schönn’s,
so wundert man sich thatsächlich,
zu vernehmen, er sei ein Schüler
Führich’s gewesen.*) Er selbst
erwähnt in seiner uns vorliegen-
den kurzen Skizze einer Selbst
biographie nichts darüber und
beschränkt sich darauf, anzu
geben, dass er seine Studien
1846 (?) an der k. k. Akademie
der bildenden Künste in Wien
begonnen, und als diese Unter
richtsanstalt im Revolutionsjahre
1848 geschlossen wurde, sie auch
für immer verlassen habe. Aus
den Aufnahmsacten und Schüler
listen der Akademie haben wir
jedoch erhoben, dass Schönn
den 10. October 1845 eingetreten
ist und noch mit Ende Winter
semester des Jahres 1848 Schüler
der Anstalt war, wonach er, wie er
er
ALOIS SCHÖNN. Selbstportnit.
weiters selbst berichtet, sogleich als
Tiroler Landesvertheidiger an die
wenigstens
habe auch
italienische Grenze ging. Einen sehr wesentlichen Einfluss
erzählte so Alois Schönn gelegentlich dem Verfasser -
Leander Russ auf ihn ausgeübt, mit dem er in künstlerischem
Verkehr gestanden.
Alois Schönn ist zu Wien am 11. März 1826 geboren.
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Er ist der Sohn des k. k. Oberamts - Controlors Johann Schönn
und der Frau Anna Schönn, gebornen Hauffen, einer Bürgerstochter
von Wien. Im Hause der Eltern genoss er eine gute Erziehung,
derzufolge er auch tüchtig vorgebildet den künstlerischen
Unterricht antrat, wobei er sehr rasch gelernt haben muss, denn
sonst wäre es wahrlich nicht möglich gewesen, kaum von der Lehr
anstalt herausgekommen und unmittelbar nach dem kurzen Kriegs
zuge von 1848 ein Bild malen zu können, das die volle Anerkennung
*) Erst in den letzten Decennien haben sich wieder einige junge Leute,
angeregt durch den hiesigen Kunsthändler Schwarz, dem bürgerlichen Genre zu
gewendet, das etwas an die alten Wiener Maler zu erinnern im Stande
ist. Sie griffen ihre kleinen Familien- und häuslichen Scenen zumeist aus dem
Handwerker- und kleinen Bürgerstande oder aber auch aus dem Jagdleben heraus,
verbanden eine gute Charakteristik mit einer technisch sehr soliden und dabei
geschmackvollen Darstellung, womit diese Maler nicht blos hier, sondern mehr noch
im Auslande Anerkennung und materiellen Erfolg gefunden haben. Ich gestehe,
als ich diese liebenswürdigen Bilder zuerst auftauchen sah, wirkte das auf mich
wie eine Art Renaissance von Alt-Wien und aus dem Beifall, welchen diese Bilder
fanden, mag ersehen werden, dass in der Kunst auch heute nicht jener gesunde
Boden fehlt, welcher schlichte Wahrheit und lebensvolle Darstellung des Erzählten
in sich schliesst. Diese Bilder werden aber in letzter Zeit immer rarer, dieselben
Maler, wenigstens ein Theil derselben, hat andere Bahnen betreten, die mir nicht
so dankenswert!! erscheinen.
*) Siehe »Wiener Kunstrenaissance«.
C. von Vincenti. Wien, Gerold’s
Sohn. 1876.