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nügen zu können, jederzeit ein Greuel. Mit grossem Vergnügen
nahm er demnach, wie uns Oberst Amerling erzählt, den Auftrag
entgegen,*) Seine kaiserliche und königliche Hoheit, den durch
lauchtigsten Herrn Erzherzog Leopold im Costüme eines Kreuz
ritters zu malen, in welchem der damals noch jugendliche Prinz
an dem Caroussel im Jahre 1863 theilgenommen hatte, welches
Bildniss sich in der modernen Abtheilung der kaiserlichen Gemälde
galerie befindet und als Pendant zu dem vorzüglichen Bilde des
Meisters, »Paulus«, placirt ist.
Mag man auch heute eine andere Anschauung von der Dar
stellung des Apostels Paulus haben, so muss jedenfalls die Meister
schaft anerkannt werden, mit der dieses Bild, wie die Maler zu
sagen pflegen, »in einem Gusse herabgemalt« ist. Namentlich aber
sind es die Hände, in deren Darstellung Amerling jederzeit ein
Meister gewesen. Als richtiger Porträtist sah er in den Händen ein
charakteristisches Merkmal für den Dargestellten, sonach er auch eben
so richtig darauf beharrte, dass die Hände ebenso wie das Gesicht
und die Gestalt mit gleicher Sorgfalt im Hinblick auf die betreffende
Persönlichkeit zu behandeln wären. Der Maler habe seinen Geschmack
sowie sein ganzes Können einzusetzen, aber geistig habe er seinem
Porträtmodelle gegenüber objectiv zu bleiben und sonach dieses und
nicht sich wiederzugeben. In dieser Richtung zu den werthvollsten
Bildern Amerling’s zählt auch jenes unseres grossen vaterländischen
Dichters Grillparzer, welches er im Jahre 1856 malte und das
lange Zeit im Besitze des Hofvergolders und verständnisvollen
Kunstsammlers Bühlmayr war.**)
Auch den Dichter Castelli malte Amerling. Das wohl
getroffene Bildniss wurde von Leybold lithographirt und der stets
launige Dichter schrieb eigenhändig auf den Stein: »Noch bin ich
auf dem Stein; bin ich einst unterm Stein, dann denke mein.« Auch
den Dichter Bauernfeld malte er und zwar im Jahre 1839. Der-
selbe ist im Alter von 37 Jahren dargestellt, also zur Zeit, wo er
sein noch lange nachher im Repertoir der Theater stehendes Lust
spiel »Der Talisman« geschrieben hatte. Des silberlockigen Bild
nisses des hervorragenden dänischen Bildhauers Thorwaldsen
haben wir bereits in der Notiz über die auf der akademischen
Eröffnungs-Ausstellung von Amerling exponirten Werke erwähnt.
Es ist eines jener echten und wahren Porträte, wie sie der Meister
in seiner ihm eigenen so sehr überzeugenden Weise darzustellen
spielte auf diesem Mignon-Instrumentchen, und Amerling hörte mit
Interesse meinen, wie er sagte, ihm ganz neuen Weisen zu. Kurz,
es war ein ideales Heim, das so recht zu dem idealen Menschen
passte, der Amerling durch und durch gewesen ist. Ich sah es noch
zum letztenmal kurz vor seinem am Freitag den 14. Jänner 1887,
Seine Frau, die jetzige Gräfin
»Wollen Sie Amerling ein
ich glaube
— wir werden ihn verlieren. In grösster Betrübniss M. v. Amerling.«
Selbstverständlich eilte ich sofort hinaus und fand ihn trotz seiner
Schwäche noch mittheilsam, er drückte mich an seine Brust und
hielt mit seiner Hand, die kalt und feucht war, lange die meine.
Als ich nach zwei Tagen wieder kam, war er viel stiller geworden.
Man sah, dass es zu Ende gin
jugendliche Kraft war gebrochen und mit ihm erlosch ein Künstler
dasein, das thatsächlich zu den schönsten und glücklichsten gezählt
hat. Mit Amerling schied eine Persönlichkeit aus dem ohnedies
schon sehr klein gewordenen Kreise der alten Wiener Schule, die
nicht vergessen werden kann. Dazu gab ihm sein charakteristisches
Wesen, das sich nicht blos in seiner Individualität, sondern auch
in seiner stets künstlerischen Kleidung documentirte, worin er jeder
Mode Hohn sprach, eine wahrhaft markante Erscheinung, wie sie
ähnlich auch unsere so bedeutsamen späteren Wiener Meister, Hans
Makart und Hans Canon dargeboten haben. Wie Jenen war auch
ihm die moderne Kleidung verhasst, und ich glaube, dass Amerling
nie einen Frack am Leibe gehabt hat; er ist auch bei allen
feierlichen Anlässen nur in seiner Sammtblouse und mit dem breit-
krämpigen Künstlerhut erschienen. Wie bereits bemerkt, fühlten
auch Makart und Canon die Unschönheit unserer Herrenkleider,
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jedoch sind sie, wenn es sein musste, doch auch im Frack erschienen.
Das Beispiel dieser drei so bedeutsamen Künstler, unsere aller
Aesthetik widersprechende Gewandung etwas zu verbessern und der
menschlichen Gestalt nur einigermassen ihr Recht zu geben, hat
leider nichts genützt; die Menschheit lässt sich von der Tollheit der
Mode nicht abbringen und quält sich in der That von einem Mode-
Unsinn zum andern, und dies mit einer Ausdauer, welche einer
besseren Sache werth wäre.
Wohl kein Porträtmaler in Wien hat so lange Zeit die Schätzung
aller Kreise als solcher genossen, wie Amerling; er hatte auch
standhafte Verehrer beim Allerhöchsten Hofe, woselbst wir eine
bedeutsame Anzahl seiner besten Werke finden können. So ge
hört, was strenge Charakteristik und zugleich die vollste Freiheit
malerischer Behandlung betrifft, zu den köstlichsten seiner Werke
ein lebensgrosses Porträt in ganzer Figur von Kaiser Franz in der
königlich preussischen Uniform, wie überhaupt Amerling den Typus
dieses Kaisers in mehrfachen Bildern mit einer nachgerade be
wunderungswürdigen Wahrheit und zugleich durchgeistigten Wirkung
zum Ausdruck gebracht hat. Vorzügliche Bildnisse überliefern der
Nachwelt die Züge des Bürgermeisters Sei 11 er, der Minister Giskra,
Schmerling und Baumgartner und vieler Anderer. Die Darstellung
des Fracks war dem Künstler, der vor Allem Farbe und reiches
Beiwerk wünschte, um seinem malerischen Empfinden vollauf ge-
*) Wiedervermählt am 23. März 1893 mit dem k. und k. Major Josef
Grafen v. Hoyos.
Abends 6y 2 Uhr, erfolgten Tode.
Hoyos*), schrieb mir am 10. Jänner:
letztesmal die Hand drücken, so thun Sie es bald
seine noch vor kurzer Zeit fast
er
*) Derselbe erfolgte durch Ihre kaiserliche Hoheit die durchlauchtigste
Frau Erzherzogin Sophie, welche stets eine hohe Gönnerin des Meisters ge
wesen ist.
**) C. Bühlmayr war, als er sich des Alters wegen vom Geschäfte zurück
gezogen hatte, noch bemüht, malen zu leinen und seine kleinen Arbeiten, denen
er nachkam, legen Zeugniss davon ab, wie begabt der alte Herr war, so dass er,
hätte er schon in seiner Jugend der Kunstneigung Folge gegeben, sicherlich ein
hervorragender Maler geworden sein würde. Bühlmayr’s Verständniss und richtiges
Gefühl für Kunst ward auch allgemein geschätzt und manche Kunstfreunde holten
sich bei ihm Rath, ehe sie kauften. Die Wahl, der er bei der nach und nach
erfolgten Zusammenstellung seiner kleinen Gallerie oblag, war eine sehr fein er
wogene, und dieselbe bestätigt sein Kunsttalent, ohne welches überhaupt kein
Mensch ein Kenner werden kann. Es waren daher lauter Perlen der Wiener
Kunst, zumeist kleinen Formates, welche er noch bei seinen Lebzeiten, wiewohl
mit schwerem Herzen, im Künstlerhause versteigern Hess. Ihm lag daran, ehe
er aus dem Leben schied, für seine Familie all seinen Besitz in Ordnung zu
bringen und so mochte er in seinem 82. Jahre an einem Sonntag, den
30. October 1892, ruhig aus dem Leben scheiden, in dem Bewusstsein, Alles
gethan und vollendet zu haben, was gegenüber der Familie in seiner Pflicht
gelegen war.