Full text: Moderne Meister (Band 3, 1897)

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nügen zu können, jederzeit ein Greuel. Mit grossem Vergnügen 
nahm er demnach, wie uns Oberst Amerling erzählt, den Auftrag 
entgegen,*) Seine kaiserliche und königliche Hoheit, den durch 
lauchtigsten Herrn Erzherzog Leopold im Costüme eines Kreuz 
ritters zu malen, in welchem der damals noch jugendliche Prinz 
an dem Caroussel im Jahre 1863 theilgenommen hatte, welches 
Bildniss sich in der modernen Abtheilung der kaiserlichen Gemälde 
galerie befindet und als Pendant zu dem vorzüglichen Bilde des 
Meisters, »Paulus«, placirt ist. 
Mag man auch heute eine andere Anschauung von der Dar 
stellung des Apostels Paulus haben, so muss jedenfalls die Meister 
schaft anerkannt werden, mit der dieses Bild, wie die Maler zu 
sagen pflegen, »in einem Gusse herabgemalt« ist. Namentlich aber 
sind es die Hände, in deren Darstellung Amerling jederzeit ein 
Meister gewesen. Als richtiger Porträtist sah er in den Händen ein 
charakteristisches Merkmal für den Dargestellten, sonach er auch eben 
so richtig darauf beharrte, dass die Hände ebenso wie das Gesicht 
und die Gestalt mit gleicher Sorgfalt im Hinblick auf die betreffende 
Persönlichkeit zu behandeln wären. Der Maler habe seinen Geschmack 
sowie sein ganzes Können einzusetzen, aber geistig habe er seinem 
Porträtmodelle gegenüber objectiv zu bleiben und sonach dieses und 
nicht sich wiederzugeben. In dieser Richtung zu den werthvollsten 
Bildern Amerling’s zählt auch jenes unseres grossen vaterländischen 
Dichters Grillparzer, welches er im Jahre 1856 malte und das 
lange Zeit im Besitze des Hofvergolders und verständnisvollen 
Kunstsammlers Bühlmayr war.**) 
Auch den Dichter Castelli malte Amerling. Das wohl 
getroffene Bildniss wurde von Leybold lithographirt und der stets 
launige Dichter schrieb eigenhändig auf den Stein: »Noch bin ich 
auf dem Stein; bin ich einst unterm Stein, dann denke mein.« Auch 
den Dichter Bauernfeld malte er und zwar im Jahre 1839. Der- 
selbe ist im Alter von 37 Jahren dargestellt, also zur Zeit, wo er 
sein noch lange nachher im Repertoir der Theater stehendes Lust 
spiel »Der Talisman« geschrieben hatte. Des silberlockigen Bild 
nisses des hervorragenden dänischen Bildhauers Thorwaldsen 
haben wir bereits in der Notiz über die auf der akademischen 
Eröffnungs-Ausstellung von Amerling exponirten Werke erwähnt. 
Es ist eines jener echten und wahren Porträte, wie sie der Meister 
in seiner ihm eigenen so sehr überzeugenden Weise darzustellen 
spielte auf diesem Mignon-Instrumentchen, und Amerling hörte mit 
Interesse meinen, wie er sagte, ihm ganz neuen Weisen zu. Kurz, 
es war ein ideales Heim, das so recht zu dem idealen Menschen 
passte, der Amerling durch und durch gewesen ist. Ich sah es noch 
zum letztenmal kurz vor seinem am Freitag den 14. Jänner 1887, 
Seine Frau, die jetzige Gräfin 
»Wollen Sie Amerling ein 
ich glaube 
— wir werden ihn verlieren. In grösster Betrübniss M. v. Amerling.« 
Selbstverständlich eilte ich sofort hinaus und fand ihn trotz seiner 
Schwäche noch mittheilsam, er drückte mich an seine Brust und 
hielt mit seiner Hand, die kalt und feucht war, lange die meine. 
Als ich nach zwei Tagen wieder kam, war er viel stiller geworden. 
Man sah, dass es zu Ende gin 
jugendliche Kraft war gebrochen und mit ihm erlosch ein Künstler 
dasein, das thatsächlich zu den schönsten und glücklichsten gezählt 
hat. Mit Amerling schied eine Persönlichkeit aus dem ohnedies 
schon sehr klein gewordenen Kreise der alten Wiener Schule, die 
nicht vergessen werden kann. Dazu gab ihm sein charakteristisches 
Wesen, das sich nicht blos in seiner Individualität, sondern auch 
in seiner stets künstlerischen Kleidung documentirte, worin er jeder 
Mode Hohn sprach, eine wahrhaft markante Erscheinung, wie sie 
ähnlich auch unsere so bedeutsamen späteren Wiener Meister, Hans 
Makart und Hans Canon dargeboten haben. Wie Jenen war auch 
ihm die moderne Kleidung verhasst, und ich glaube, dass Amerling 
nie einen Frack am Leibe gehabt hat; er ist auch bei allen 
feierlichen Anlässen nur in seiner Sammtblouse und mit dem breit- 
krämpigen Künstlerhut erschienen. Wie bereits bemerkt, fühlten 
auch Makart und Canon die Unschönheit unserer Herrenkleider, 
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jedoch sind sie, wenn es sein musste, doch auch im Frack erschienen. 
Das Beispiel dieser drei so bedeutsamen Künstler, unsere aller 
Aesthetik widersprechende Gewandung etwas zu verbessern und der 
menschlichen Gestalt nur einigermassen ihr Recht zu geben, hat 
leider nichts genützt; die Menschheit lässt sich von der Tollheit der 
Mode nicht abbringen und quält sich in der That von einem Mode- 
Unsinn zum andern, und dies mit einer Ausdauer, welche einer 
besseren Sache werth wäre. 
Wohl kein Porträtmaler in Wien hat so lange Zeit die Schätzung 
aller Kreise als solcher genossen, wie Amerling; er hatte auch 
standhafte Verehrer beim Allerhöchsten Hofe, woselbst wir eine 
bedeutsame Anzahl seiner besten Werke finden können. So ge 
hört, was strenge Charakteristik und zugleich die vollste Freiheit 
malerischer Behandlung betrifft, zu den köstlichsten seiner Werke 
ein lebensgrosses Porträt in ganzer Figur von Kaiser Franz in der 
königlich preussischen Uniform, wie überhaupt Amerling den Typus 
dieses Kaisers in mehrfachen Bildern mit einer nachgerade be 
wunderungswürdigen Wahrheit und zugleich durchgeistigten Wirkung 
zum Ausdruck gebracht hat. Vorzügliche Bildnisse überliefern der 
Nachwelt die Züge des Bürgermeisters Sei 11 er, der Minister Giskra, 
Schmerling und Baumgartner und vieler Anderer. Die Darstellung 
des Fracks war dem Künstler, der vor Allem Farbe und reiches 
Beiwerk wünschte, um seinem malerischen Empfinden vollauf ge- 
*) Wiedervermählt am 23. März 1893 mit dem k. und k. Major Josef 
Grafen v. Hoyos. 
Abends 6y 2 Uhr, erfolgten Tode. 
Hoyos*), schrieb mir am 10. Jänner: 
letztesmal die Hand drücken, so thun Sie es bald 
seine noch vor kurzer Zeit fast 
er 
*) Derselbe erfolgte durch Ihre kaiserliche Hoheit die durchlauchtigste 
Frau Erzherzogin Sophie, welche stets eine hohe Gönnerin des Meisters ge 
wesen ist. 
**) C. Bühlmayr war, als er sich des Alters wegen vom Geschäfte zurück 
gezogen hatte, noch bemüht, malen zu leinen und seine kleinen Arbeiten, denen 
er nachkam, legen Zeugniss davon ab, wie begabt der alte Herr war, so dass er, 
hätte er schon in seiner Jugend der Kunstneigung Folge gegeben, sicherlich ein 
hervorragender Maler geworden sein würde. Bühlmayr’s Verständniss und richtiges 
Gefühl für Kunst ward auch allgemein geschätzt und manche Kunstfreunde holten 
sich bei ihm Rath, ehe sie kauften. Die Wahl, der er bei der nach und nach 
erfolgten Zusammenstellung seiner kleinen Gallerie oblag, war eine sehr fein er 
wogene, und dieselbe bestätigt sein Kunsttalent, ohne welches überhaupt kein 
Mensch ein Kenner werden kann. Es waren daher lauter Perlen der Wiener 
Kunst, zumeist kleinen Formates, welche er noch bei seinen Lebzeiten, wiewohl 
mit schwerem Herzen, im Künstlerhause versteigern Hess. Ihm lag daran, ehe 
er aus dem Leben schied, für seine Familie all seinen Besitz in Ordnung zu 
bringen und so mochte er in seinem 82. Jahre an einem Sonntag, den 
30. October 1892, ruhig aus dem Leben scheiden, in dem Bewusstsein, Alles 
gethan und vollendet zu haben, was gegenüber der Familie in seiner Pflicht 
gelegen war.
	        
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