naturgemäß auch diesmal seinen Einfluß ausüben. Doch kann
heuer diesem freieren Walten um so weniger Gewicht beige-
messen werden, als es dem durch die vorigjährige Ausstellung
über die Gobelinkunst der Vergangenheit unterrichteten Publi-
kum leichter fallen wird, verschiedene Stiltendenzen und dis-
parate künstlerische Erscheinungen richtig zu erfassen.*
Den Auftakt der Ausstellung bilden wiederum die Trionfi
nach Petrarca, jedoch in ihrer Vollzähligkeit, so daß die groß-
artige Wirkung ihres noch gebundenen flächenhaften Bild-
teppichstils in verstärktem Maße zur Geltung kommt. In ihre
unmittelbare Nachbarschaft gebracht erscheint diesmal, den
scharfen Gegensatz zum spätgotischen Dekorationsprinzip vor
Augen führend, ein charakteristischer Vertreter des hochent-
wickelten groß gearteten Kompositionsstils der Hochrenaissance:
ein Stück aus dem Orley’schen Abraham-Zyklus.
Die Kunst Raffaels, auf der vorigjährigen Darbietung un-
vertreten gewesen, ist heuer einbezogen worden. Wenn auch die
herangezogene aus dem Ende des 16. Jahrhunderts stammende
Folge der Apostelteppiche keineswegs auf der Höhe der be-
rühmten Originalentwürfe steht, so wird es der Besucher der
Ausstellung dennoch dankbar empfinden, einen Abglanz jener
Kunst vor Augen zu haben, welche für die ganze Entwicklung
der Bildwirkerei während der Renaissancezeit und darüber
hinaus von maßgebendster Bedeutung war.
In der Anordnung folgen drei Stücke einer vorzüglichen,
reich mit Gold durchwirkten Lothringer Moses-Serie. Aus den
in der Wiener Sammlung so ausgezeichnet vertretenen Gobelin-
schöpfungen der von der italienischen Kunst beeinflußten
Niederländer erscheinen heuer, von dem bereits erwähnten
Abraham-Teppich abgesehen, Beispiele aus den Serien der Tugen-
den und Laster sowie aus der Josua-Legende, zu denen sich
noch Bildwirkereien mit zeitgenössischen Darstellungen gesellen,
die der Folge mit den Taten des Castro und der des Tuniszugs
Karls V. von Vermayen entstammen. So zeigt sich diese die Zeit
höchster Entfaltung der Brüsseler Bildwirkerei kennzeichnende
Gruppe in völlig gleichwertiger Darbietung wie im Vorjahre.
Es folgt eine solche von Pariser Arbeiten des 17. und
18. Jahrhunderts. Gedrängt gibt sie alles Wesentliche an
Charakteristik, Beispiele aus der Diana-Serie nach Toussaint
Dubreuil, aus der Konstantin-Folge des Rubens und Bildteppiche
* Wer sich noch näher in die Geschichte und die Technik der
Gobelinwirkerei einführen will, sei hier verwiesen auf: Hermann Schmitz
„Bildteppiche“, Berlin 1919, und Georg Fraunberger „Die Teppichweberei“,
Nürnberg 1920.
6