wird. Zudem ist uns jede hochgespannte Pathetik des Wollens und
Seiner kategorischen Befehle durchaus wesensfremd. Wir sind eine Nation
der selbstbewussten und zwanglosen Menschlichkeit. Beileibe nicht
untüchtig, aber im Grunde doch vielmehr von der asiatischen Weisheit
des Erleidens als von der abendländischen Rastlosigkeit des Handelns
beseelt. Wir lassen uns gern vom lieben Gott und der Natur auf Händen
tragen — und wer wollte uns diesen Hang zur Bequemlichkeit verargen,
der einmal die von Milch und Honig, von Weizen und Wein überquel-
lende, strahlende Mütterlichkeit unserer Heimat („unserer gebärenden
Erde‘‘ heisst es im Ungarischen) erlebt hat? So gut es heissen kann :
„La douce France‘‘, so treffend wäre es auch „La douce Hongrie‘‘ zu
sagen. Wo käme denn ‚sonst die schöne fruchtsüsse Erdenseligkeit der
ungarischen Kunst her?
Die ungarische Kunst ist reich an Impulsen der Sinnlichkeit und
des Gefühls, von denen sie sich pflanzenhaft treiben lässt. In dieser
schmiegsamen Hingabe an die Natur sind alle Schönheiten, aber auch
alle Grenzen der ungarischen Kunst gegeben. Ihr sind weder die grossen
baugesetzlichen Ordnungen, noch die abgründigen jenseitstiefen Erschüt-
terungen der Form wesensmöglich. Sie ist und bleibt auch in ihren neuen
Erscheinungen eine Kunst der intimen Naturnähe, mit verhältnismässig
geringen Graden der Vergeistigung und formalen Verarbeitung. Die
Phantasie, mit der unsere jüngeren Maler das gegenständliche Bild der
Natur farbig ausserordentlich nuancenreich in Fluss bringen, ist weniger
konstruktiver oder visionärer, als vielmehr lyrischer Art.
Diese geringe geistige Spannkraft der Form mag westeuropäischen
Anschauungen als eine Schwäche erscheinen. Sie ist der Preis, den die
ungarische Malerei für ihre köstliche, in weiten Atemzügen frei und ruhig
dahinlebende Natürlichkeit bezahlen muss. Ist diese Harmonie den
Preis nicht wert in einer Zeit, die so erfüllt ist von Verzerrungen und
Verkrampftheiten? Geht man durch die Säle des Museums der Schönen
Künste in Budapest, in denen die Werke der modernen ungarischen
Malerei ausgestellt sind, so meint man in einer glücklichen Bucht zu
wandern, mit dem Abglanz ungetrübter Sonnenzeiten im Herzen. Die
Welt ist schön — trotz allem.
Die ungarische Malerei hat die entscheidende Selbstbesinnung auf
die Quellen und Grenzen ihres Wesens dem Naturalismus und Impres-
sionismus zu verdanken. Diese Richtungen gaben ihr den Mut, sich
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