stand trägt, ist — und zwar wahrscheinlich aus politischen Grün-
den — später über einen Tschako gemalt, dessen Kinnriemen stehen-
geblieben ist und dessen Konturen man noch unter dem Gelb der
Mauer durchschimmern sieht.
Die gleiche Vollkommenheit wie die „Kleine Amazone” weist ein
ebenfalls durch Jahrzehnte in Privatbesitz versteckt gebliebenes Bild
auf, das seinem Stil nach in der gleichen Epoche entstanden sein
muß und möglicherweise mit dem von Wurzbach bei der Ausstellung
von 1850 aufgeführten „Lustigen Mädchen“ zu identifizieren ist.
Dieses lachende junge Wesen, das in der Rechten ein Glas mit
Weißwein erhebt und mit der Linken in der Schürze ein Stück Brot
und ein Kipfel hält, trägt Tiroler Tracht: einen gelbgestreiften weißen
Seidenrock mit schwarzer, rotgestreifter Seidenschürze, schwarzer
Sammettaille und breitem grünem Hut. Wieder ist der Jubel über-
strömenden Lebensgefühls sinnenunmittelbar gestaltet. Wieder ist die
Malerei von geradezu altmeisterlicher Erlesenheit. Wieder ist der
koloristische Reichtum und die Charakterisierung des Stofflichen be-
wundernswert. Und nicht zuletzt verdient die schlagende Einfachheit
Hervorhebung, mit der Reiter den farbigen UVeberschwang der Figur
bändigt, indem er sie vor einen seiner durchsichtigen braunen Hin-
tergründe stellt.
Reiter hat nie mehr so intensiv gelebt wie in diesen Jahren. Das
1849 datierte Bild seiner ersten Frau im Bett — ein Dokument fast
heidnischer Sinnenfreude mitten in einer Epoche honetter Bürger«
lichkeit — gehört seiner Malerei nach in die unmittelbare Nähe des
„Lustigen Mädchens“.
In dem 1850 datierten Bild „Kind mit Katze” spricht sich bereits
ein Stilwandel aus. Die volle Natürlichkeit, die noch in dem eher
um die gleiche Zeit gemalten, miniaturistischen Bildchen eines
Franz Menzinger von Preußenthal lebt, weicht einem Hang
zum Preziösen. Der Raum füllt sich mit dekorativem Beiwerk (man
beachte den geblümten Teppich und den kompliziert gemuster-
ten Shawl). Wir stehen an der Wende zweier Stile. Das schlichte
Biedermeier klingt aus. Die üppige Formenwelt der Jahrhundertmitte,
das „zweite Rococo” meldet sich zum Worte. Die „gute Stube” ver
wandelt sich in den „Salon“. Im gleichen Jahr wie das „Kind mit der
Katze‘ ist das kleinformatige Bildnis der Schauspielerin Amalie
Haizinger gemalt, und nichts könnte typischer für das zweite Rococo
sein als dieses Porträt einer mit Schmuck behängten üppigen Dame
in blauseidenem Krinoline, die steif und lächelnd an einem Tischchen
steht, den unvermeidlichen Fächer in der Hand. Welch ein Ueber-
maß an verschnörkelten Formen und Blumendekor auf engstem Raum!
Nur der äußerst koloristische Takt eines geborenen Malers konnte
damit fertig werden. Hierher gehört auch das ebenfalls fast miniatur-
hafte „Mädchen mit Perlenkette” als feines Beispiel malerischer
Salonkultur.
Das Bildnis einer jungen Frau in weißem, ausgeschnittenem Kleid
mit grüngelb gestreiftem Umschlagetuch trägt die Jahreszahl 1852.
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