Szene ist auf wenige Töne reduziert. Warmes Braun herrscht vor.
Der rote Vorhang bildet wieder den einzigen Akzent des Hinter-
grundes, der hier dunkelbraun gehalten ist. Das Beiwerk, wie Krug
und Bottich, sind stark und einfach gesehen, wie auf den Bildern
der Realisten des 17. Jahrhunderts, etwa denen der Brüder Le Nain,
an die man überhaupt manchmal bei Reiter zu denken versucht ist.
1857 ist das kleine aber überaus reizvolle Bild' der „Apfelhänd-
lerin‘“ gemalt. Das Prinzip besteht hier wieder darin, eine Figur mit
Beiwerk im Vordergrund vor einen: neutralen (grauen) Hintergrund
zu setzen. Die Figur ist in reiner Frontalansicht gegeben und. die
Mauer steht parallel zum Betrachter. Man sieht, wie: der Maler
immer wieder zu seinem Lieblingsschema zurückkehrt und es immer
reiner zu fassen sucht. Ein weiterer Schritt auf diesem Wege ist das
1850 ausgestellte „Mädchen beim Brunnen“, ein genrehaft aus-
gestattetes Porträt, das bei allem Reichtum des Beiwerks (dekora-
tiv ausgestatteter Brunnen, Wirtshausfassade) an der Parallelführung
als dem entscheidenden Kompositionsprinzip festhält. Reiter suchte
damals. die äußerste Klarheit der Linie und Tektonik der körper-
lichen Erscheinung. zu erreichen. Er verzichtete weitgehend auf den
Reiz der Lokalfarbe, dem er in den Vierzigerjahren so begierig
nachgegangen war. In dem großen Bild einer. beim Frühstück sitzen-
den, schwarzhaarigen jungen Dame im Nachthemd mit entblößter
linker Schulter könnte man möglicherweise das unter den 1861 aus-
gestellte „Mädchen beim Kaffee‘ sehen. Die Komposition entfernt
sich nur zögernd. von der Paralleleführung der Linien, die in der
Fensternische und dem Goldrahmen des Bildes noch deutlich mit-
spricht. Die Modellierung. des Körpers ist, dem vom Fenster her ein-
fallenden Licht zufolge, von großer Eindringlichkeit. Die Charakteri-
sierung des Stofflichen ist sehr weit getrieben. Eine gewisse Nüch-
ternheit der Ausstattung zeugt vom Abflauen des zweiten Rococo zu
Gunsten des. Stils der Sechzigerjahre, der etwas Kaltes, Bürohaftes,
aber auch Nobles hatte. Neu ist bei Reiter der Ausdruck des Ge-
sichts, der auf den: ersten Blick. sentimental erscheint, bei näherem
Hinschauen aber etwas überaus Hintergründiges hat.
Im. gleichen Jahr 1851 stellte Reiter einen „Weineinschenkenden
Knaben“ aus, der in der Ausstellung zu sehen ist. Die, Parallelführung
ist! im Tischchen des Vordergrundes wieder da, aber auch die psycho-
logische Vertiefung, die aus dem an sich bedeutungslosen Vorgang
durch den seltsam abwesenden Ausdruck des Buben überraschend
starke. . Stimmungswerte. herausholt. Die malerische. Qualität dieser
Arbeit geht über die des „Mädchens beim Kaffee‘ noch hinaus.
Die Pinselschrift ist freier, die Tonalität. wärmer. Das gilt auch von
dem Bildchen „Mädchen. am Ofen“ — eine Arbeit dieses Titels hat
Reiter 1862 ausgestellt — und vielleicht noch: mehr von dem Selbst»
bildnis. im Profil im. weißen Kittel, das. ungefähr zu dieser Zeit ent-
standen sein dürfte.
Eine Gruppe-von drei interessanten Kinderbildern gehört. in- den
Beginn der Sechzigerjahre. Sie verdankt wahrscheinlich einem be-
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