Full text: Johann Baptist Reiter 1813-1890

stimmten Porträtauftrag ihre Entstehung. Unter den 1863 ausgestellten 
Bildern Reiters findet sich eine „Mutter und Kind“ und ein „Kind im 
Korbe“, mit denen hier vorschlagsweise zwei Bilder der Ausstellung 
identifiziert seien. „Mutter und Kind“ ist eine, räumlich: komplizierte 
Komposition, auf der die zentrale Figur einer nähenden jungen Frau 
links von dem verkürzt gesehenen schlafenden Kind und rechts von 
einer Katze flankiert wird. Das Ganze wirkt naiv realistisch und ge- 
rade dadurch überaus sympathisch. Es ist etwas von der glücklichen 
Stille der Stube eingefangen, in der das Baby leise und regelmäßig 
atmet und die Katze schnurrt. Dabei hat es im einzelnen etwas 
Rührendes, zu sehen, wie der Maler Ding für Ding mit dem Ernst 
eines gotischen Tafelmalers abbildet, alles schön nebeneinander, in 
dem Bewußtsein, daß die Dinge sich schon von selbst zusammen- 
schließen werden. Das „Kind im Korbe“ ist vermutlich. dasselbe, wie 
auf dem Bild der „Mutter und Kind”. Es ist als künstlerische Leistung 
noch. reifer und gelöster 
An dieses wahrscheinlich 1863 zu datierende Bild wäre am 
ehesten das köstliche „Mädchen mit Zicklein‘“ anzuschließen, dessen 
Harmonie in Braun und Grau bei aller Gedämpftheit einen erstaun- 
lichen. malerischen Reichtum entfaltet. Das Bildnis der Frau Spitzer 
im lila Kleid, die korrekt im gelben Fauteuil sitzt, spricht ebenso 
von dem. etwas nüchternen Zeitgeist der Sechzigerjahre, wie das 
sauber durchgeführte Porträt der Tänzerin Leopoldine, Löscher (1867 
ausgestellt), mit seinen ins Haar geflochtenen Wasserpflanzen, die 
mit gebührender Diskretion die Bühnenrolle andeuten. Aus dem 
gleichen. Jahr stammt ein zartes, ganz auf Grau gestimmtes Knaben- 
bild, und‘ vermutlich das 1868 auf der Ill. internationalen Kunstaus- 
stellung gezeigte meisterliche, Genrebild „Kinder und der Apfel“, 
das den Ausgangspunkt einer ganzen Gruppe von Kinderbildern 
bildet: des „Knaben mit dem Kreisel‘, der „Spielenden Kinder“ 
(wohl mit einem: 1869 ausgestellten Bild zu identifizieren) und den 
„Kindern mit Geldbörse", 
Die Reihenfolge: ist mit Absicht gewählt. Denn diese vier Bilder 
zeigen (ob- sie nun hintereinander ‚entstanden sind oder; nicht) eine 
steigende Tendenz zum Monochromen. Hatten die „Kinder und 
Apfel‘ noch ein Spiel verschiedener starker Lokalfarben entfaltet, 
wenn auch streng zusammengehalten durch eine tonige Skala, so 
begnügt sich der „Knabe mit Kreisel“ mit einem durchgehenden 
warmen Grau, das: bei: den „Spielenden Kindern‘ bis zu einem 
matten. Schleier wird und: sich in: den „Kindern mit Geldbörse‘ in 
ein Spiel silberner Lufttöne auflöst. 
Mit dem Jahr 1870 stehen wir wieder an einer Wende. Die Grün- 
derzeit- beginnt. Der neue Zeitstil beeindruckt: den Maler sicht- 
lich- allzusehr, um- sich ihm entziehen zu können.-Es ist die Epoche, 
der bald Makart seinen Stempel aufdrücken sollte und deren typisches 
Requisit: das Album ist. Ledergepreßt, mit Goldschnitt. und von ge- 
prägten Ornamenten überwuchert, liegt es auf jedem Ziertisch. Es 
enthält Familienphotographien oder entpuppt sich: bei weiterem 
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