jähriges Mädchen in ‚einem Weinberg stehend, reich. in der Mode
der zweiten Hälfte der Siebzigerjahre gekleidet, in der Rechten ein
Körbchen mit einer Traube haltend. Das lächelnde, Gesicht mit den
leicht geöffneten Lippen ist dem Betrachter zugekehrt. Das in Lok-
ken herabfallende blonde Haar ist mit Weinlaub bekränzt. Der
Himmel ist dunkel von ziehenden Abendwolken, wie auf englischen
Porträts des XVIIll. Jahrhunderts. Das Bild ist glatt gemalt, mehr
oder weniger in Anlehnung an Reiters Frühzeit. Er hat es auch
als ovalen Ausschnitt ohne die Hand mit der Traube gefaßt.
Das 1878 datierte Bild einer alten Dame ist noch frontal gesehen, wie
seine ersten Biedermeierporträts, denen es sich auch äußerlich durch
die Spitzenhaube und Kinnschleife annähert. Aber es bekommt den
Galerieton, der damals besonders in München gepflegt wurde, und
der malerische Vortrag a la prima mit den subtilen Valeurs läßt an
Wilhelm Leibl denken (und zwar merkwürdigerweise an eine spätere
Epoche des Meisters). Allerdings steht dieses Bild vorläufig in
Reiters Genre allein.
Ins Ende der siebziger Jahre fällt jedoch noch- eine erstaunliche
Wendung des Künstlers, die in der „Aepfelschälerin“ und dem
„Mädchen mit Johannesbeerkörbchen“ Zeugnisse einer malerischen
Anschauung von überraschender Frische und Vitalität hervorgebracht
hat. Die „Aepfelschälerin“, ein Bildnis seiner Frau mit einem kleinen
Knaben in der Küche, ist breit, saftig, starkfarbig und so locker ge-
malt, daß sich der Namen Manet unwillkürlich- auf die Lippen
drängt. Nie ist Reiter dem französischen Impressionismus so nahe
gekommen, wie zu dieser Zeit seines Lebens — ja, angesichts des
Mädchens mit dem Ribiselkörbchen, das viel weiter vereinfacht und
noch kühner in der Farbe ist mit seinem kalten Blau der Taille
und seiner rosa Mauernische im Hintergrund, denkt man an gewisse
frühe Werke Cezannes. Seltsame Berührung! Reiter hat zu gleicher
Zeit auch glattere Bilder gemalt — Bilder in der Art Tissots — wie
den „Hanfhandel‘, auf dem wieder seine Frau Modell gesessen
hat und dessen reizvollstes Detail ihr wundervoll gemaltes grünes
Kleid ist, aber er hat die Experimente seiner Spätzeit nicht mehr
fortgesetzt. Das letzte Jahrzehnt ‚seines Lebens blieb leer. Eine
Zeichnung aus seinem letzten Lebensjahr, mit zitternden Strichen
aufs Papier gesetzt, spricht nur noch von Müdigkeit und Schwäche.
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