Full text: Oesterreichischer Kunst-Verein in Wien: Monat November 1873

  
  
  
‘ Auf der Terrasse vor dem kaiserlichen Palast, zu dem breite Marmar- 
treppen hinan führen, steht Nero.im Gewande und mit der Strahlenkrone 
Apollo’s: Wie im triumphirenden Grössenwahnsinn tritt er seiner Umgebung 
nicht als Kaiser, sondern vielmehr als Gott entgegen, den überschäumenden 
Becher erhebend und mit der Linken in die Saiten der Lyra greifend. Eine 
Schaar üppiger Römerinen mit Kränzen. und Cymbeln drängt aus den 
berühmten schattigen „Gärten des Nero“, welche mit ihren Hainen von Lor- 
beeren, Granaten, Steineichen und Cypressen hinter den blumengeschmückten 
Bogengängen und Säulen sich ausdehnen, nach dem Vordergrunde des 
riesigen Palastes, um dem Kaiser als ihrem Gott ein Opfer darzubringen. 
Von dem trunkenen Jubel, der Nero’s Gesang begleitet, wiederhallt der ganze 
Palast, und Beifall klatschend beugt sich der Präfect Rom’s, Tigellinus, vor 
dem kaiserlichen Sänger, Die übrigen Senatoren jedoch, darunter jener mit 
‘ der Pergamentrolle, den Nero zu seinem Vorleser erniedriget hatte, blicken 
mit Scham und zornfunkelnden Augen auf das Bacchanal und lassen bereits 
eine drohende Verschwörung ahnen. Auch die trotzigen germanischen 
Krieger auf den Stufen‘ des Palastes wenden‘ sich mit Abscheu von der 
wüsten Scene ab. 
Nero’s Lüste sind gesättigt. Um dem Feste ein prächtiges Ende zu 
geben, verwandelt er die weiten Strassen vor den Marmortreppen in einen 
Richtplatz für die christlichen Märtyrer, welchen er den Brand Rom’s zur 
Last gelegt. Petrus wird an’s Kreuz geschlagen und Kriegsknechte sind 
eben beschäftigt, es aufzurichten, so dass das Haupt des Apostelfürsten nach 
unten gekehrt ist, Die neuen Anhänger, welche mit todesmuthiger Ver- 
ehrung bei ihm ausharren, tragen das jüdische Gepräge, während Griechen 
sich um den Heidenapostel Paulus schaaren. Dieser hat voll Fenereifer 
seine Stimme: gegen die‘ Gräuel erhoben, die auf der Terrasse vorgehen, 
während ein Lictor bereits das Richtbeil gegen ihn hervorzieht und ein 
Scherge einen Geiselstrick gegen den Jüngling schwingt, welcher Gerech- 
tigkeit und Schonung fordert, Links im Vordergrunde ist ein Bekenner des 
Christenthums, in Thierfelle gekleidet, an einen Pfahl gebunden, wo er mit 
Pech bestrichen, sammt anderen Leidensgenossen später als brennende 
Fackel zur Verherrlichung des Festes leuchten soll; die Gattin hebt ihm 
das Kind zum letzten Kusse empor. Andere Christen verharren in dumpfen 
Schmerz und in Trauer versunken., Einige Mädchen weisen erregt nach den 
Stufen aufwärts, wo eine der Ihrigen, um sich zu retten, zu den halbnackten 
Götzendienerinnen hineilen will, doch von plötzlicher Scham ergriffen inne- 
hält und’sich zu verhüllen sucht. 
Das Christenthum in seiner geistigen Grösse, der sittliche Ernst der im 
Vordergrunde des Gemäldes sich abwickelnden Vorgänge ist zur schwel- 
gerischen Selbstvergötterung des entarteten Heidenthums in ergreifenden 
Contrast gesetzt. Während das Heidenthum, welches uns der Meister mit 
seiner ganzen Formenpracht in üppigster Lebensfülle vor Augen führt, 
seine Orgien feiert, gehört die Zukunft bereits dem werdenden Leben des 
jungen Christenthums. 
Oelgemälde, 
 
	        
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