Full text: Oesterreichischer Kunst-Verein in Wien: 299. Ausstellung ; Jänner 1880

  
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schreitet. Schon wird die räthselhafte liebliche Stumme von der‘ Schwester des 
jungen Fürsten zur Hochzeit geschmückt. Das Herz will ihr überströmen. Da 
möchte sie in Worte des Entzückens ausbrechen, schon hat sie die Arme 
erhoben, um zu sprechen, aber siehe da, — die Mahnung! In der Höhe flattern 
die sieben Raben vorüber, und im höchsten Glücke gedenkt die Liebliche noch 
zur rechten Zeit an das Werk erlösender Liebe, das ihr auferlegt ist, — sie 
schweigt. 
Das nächste Bild schildert das Glück des jugendlichen Ehepaares. Ueber 
dem Walde ragt aus dem Hintergrunde der stolze Wohnsitz desselben hervor. 
Noch ein Hemd hat die junge Fürstin für den siebenten Bruder zu weben; ihr 
Geheimniss soll aber Niemand erfahren. Desshalb spinnt sie, das eheliche Lager 
verlassend, bei Nacht. Wir sehen sie am Fenster sitzen, im leichten Nachtgewande, 
aber der Gemal ist erwacht, er sieht staunend dem räthselhaften Treiben seines 
jungen Weibes zu. : 
Schon naht das siebente Jahr seinem Ende, die Hemden sind fertig, aber 
noch ist ihr Schweigen auferlegt. Die junge Fürstin hat Zwillingssöhne zur Welt 
gebracht. Mit Schwind’s köstlichem Humor zeigt sich uns das Bild einer Wochen- 
stube. Da begibt sich der grause Hexenspuck, dass die beiden Prinzen in junge 
Raben verwandelt zum Fenster hinausfliegen; der Letzte nimmt, noch halb in die 
Windel verwickelt, diese mit sich fort. Den Fürsten ergreift Entsetzen und Grauen. 
So der Vorgang im Vordergrunde. Im Hintergrunde liegt die junge Wöchnerin. 
Sie erschaut den ganzen Jammer, sie möchte sprechen, es kostet sie ein Wort, um 
den Spuck aufzuklären, da erscheint ihr die Fee — eine herrliche Figur — und 
mahnt sie an ihr Gelübde, Es siegt der Glaube und das Vertrauen auf die erlösende 
Kraft der Liebe, das deutet das Kreuz an, das auf der dunklen Hinterwand des 
Zimmers den Blick auf sich lenkt. 
Sie ist »eine Hexe«; angeklagt im Sündergewande, steht sie im nächsten 
Bilde vor der heiligen Vehme. Der Fürst, obwohl er sein junges Weib auch jetzt 
noch liebt und an ihre Engelsgüte glaubt, muss sich dem Richterspruche der 
Vehme unterwerfen. Die jungen Gatten nehmen, vom tiefsten Schmerze bewegt, 
von einander Abschied. 
Im nächsten Bilde sehen wir das Elend der Geprüften bis auf den höchsten 
Gipfel gesteigert. Der Künstler führt uns in den Gefängnissraum, wo die Geprüfte 
für den letzten Gang: zum Feuertode: von den rohen Knechten der Vehme vor- 
bereitet wird. Die Versuchung ist gross. Ein von ihr gesprochenes Wort kann sie 
vom Tode erretten. Schon will ihr Glaube und ihr Vertrauen auf die Erlösung 
sinken, — da erscheint ihr wieder die Fee und hält der Geprüften ein Stundenglas 
entgegen, ihr zeigend, dass der Sand darin nur einmal noch durch die Oeffnung 
zu rinnen habe, nur noch eine Stunde an den sieben Jahren fehle. 
Der letzte Gang zum Scheiterhaufen wird in dem nächsten Bilde dargestellt. 
Inzwischen ist die Fee in die Tiefe des Waldes geschwebt und hat die sieben ver- 
zauberten Brüder aus den hohlen Baumverstecken gelockt. Schon steht die Ge- 
prüfte an den Pfahl gebunden, auf dem Scheiterhaufen. Diesen Augenblick sehen 
wir dargestellt, wie die erlösten Brüder auf weissen Rossen, von dem Jüngling 
mit sprossendem Barte bis auf den Jüngsten, der fast noch ein Kind ist, einher- 
sausen. Auf der anderen Seite des Bildes erblicken wir die Fee, auf einem weissen 
Zelter, die zwei Kinder der Geprüften vor sich haltend, daherreitend und im 
Triumphe das ausgelaufene Stundenglas in die Höhe schwenkend. Die Geprüfte 
kann die Arme nicht bewegen, sie sind ihr noch gebunden, — aber ein Schrei 
  
  
 
	        
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